Rechtsschutz gegen den pflichtwidrig handelnden Testamentsvollstrecker
Artikel von Privatdozent Dr. Benedikt Strobel, NJW 2020, 3745
Der Beitrag beleuchtet die Möglichkeiten des Erben, sich gegen einen Testamentsvollstrecker zur Wehr zu setzen, der seine Pflichten verletzt.
Angesichts der starken Stellung des Testamentsvollstreckers und der tendenziell schwächeren Position des Erben im deutschen Erbrecht ist dies ein relevantes Thema.
Strobel betont, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten je nach dem Zeitpunkt des pflichtwidrigen Handelns variieren.
Zunächst geht der Autor auf den Pflichtenkreis des Testamentsvollstreckers ein.
Dieser wird primär durch die Anordnungen des Erblassers in Testament oder Erbvertrag bestimmt.
Fehlen solche, greifen die gesetzlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Gemäß § 2216 Abs. 1 BGB hat der Testamentsvollstrecker den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten, was eine einklagbare Pflicht darstellt.
Bei der Beurteilung einer Pflichtverletzung ist das objektive Nachlassinteresse maßgeblich.
Strobel unterscheidet drei Arten von Erblasservorgaben:
unverbindliche Wünsche,
schuldrechtlich wirkende Anordnungen (§ 2216 Abs. 2 BGB)
und dinglich wirkende Anordnungen (§ 2208 Abs. 1 BGB).
Während schuldrechtliche Anordnungen im Innenverhältnis zum Erben verpflichten, aber die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften im Außenverhältnis grundsätzlich nicht berühren,
schränken dingliche Anordnungen die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers von vornherein ein.
Die Missachtung von Erblasseranordnungen stellt in der Regel eine Pflichtverletzung dar und kann zur Entlassung des Testamentsvollstreckers führen.
Auch Vereinbarungen zwischen Erbe und Testamentsvollstrecker bezüglich dessen Pflichten im Innenverhältnis sind grundsätzlich möglich, da beide gemeinsam über den Nachlass verfügen können.
Allerdings ist eine vertragliche Aufhebung der Möglichkeit zur Entlassung des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB unzulässig.
Der Beitrag gliedert die Rechtsschutzmöglichkeiten des Erben nach drei Zeitabschnitten: vor Amtsbeginn, während des Amtes und nach dem Ende des Amtes des Testamentsvollstreckers.
Obwohl die Beschränkungen für den Erben bereits mit dem Erbfall gelten, beginnt das Amt des Testamentsvollstreckers erst mit der Amtsannahme (§ 2202 Abs. 1 BGB).
Vorher kann gegen einen „Vollstrecker-Prätendenten“ wie gegen jeden Dritten vorgegangen werden (Unterlassung, Schadensersatz).
Umstritten ist, ob bereits vor Amtsantritt eine „Entlassung“ nach § 2227 BGB analog möglich ist. Strobel befürwortet dies im Sinne effektiven Rechtsschutzes.
Bei Pflichtverletzungen kann der Erbe primär die Einhaltung der Pflichten (Tun oder Unterlassen) verlangen (§ 2216 Abs. 1, Abs. 2 BGB).
Die Durchsetzung erfolgt im Hauptsacheverfahren vor dem Prozessgericht.
Einstweiliger Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO ist für konkrete Handlungen möglich, nicht aber für eine vorläufige Entlassung.
Bei bereits entstandenem Schaden kommt ein Schadensersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker in Betracht (§ 2219 Abs. 1 BGB).
Zudem kann der Erbe beim Nachlassgericht die Entlassung des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB beantragen,
wenn ein wichtiger Grund vorliegt (grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung).
Strobel argumentiert gegen die herrschende Meinung, dass das Nachlassgericht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Entlassung verpflichtet sei und kein Ermessen habe.
Die Frage des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 49 FamFG ist noch weitgehend ungeklärt.
Strobel plädiert dafür, dass bei anhängigem Entlassungsantrag nach § 2227 BGB einstweiliger Rechtsschutz nach § 49 FamFG möglich sein sollte, der auch die vorläufige Untersagung der Amtsführung umfassen kann.
Ohne anhängigen Entlassungsantrag sei einstweiliger Rechtsschutz nur nach § 935 ZPO vor dem Prozessgericht für punktuelle Maßnahmen möglich.
Eine Ausnahme gelte, wenn eine Feststellungsklage wegen eines ipso-iure-Beendigungsgrundes anhängig ist, dann sollte § 49 FamFG ebenfalls einschlägig sein.
Nach Beendigung des Amtes (durch Tod, Kündigung oder Entlassung) kommt bei Pflichtverletzungen vor allem Schadensersatz in Betracht.
Bei Streit über das Ende des Amtes muss der Erbe eine Feststellungsklage vor dem Prozessgericht erheben.
Bezüglich des Testamentsvollstreckerzeugnisses führt Strobel aus, dass unrichtige Zeugnisse einzuziehen sind (§§ 2368, 2361 BGB).
Mit Beendigung des Amtes wird das Zeugnis kraftlos (§ 2368 Abs. 2 BGB).
Dennoch sollte das Nachlassgericht zur Rechtssicherheit die Rückgabe des Zeugnisses oder einen Beendigungsvermerk anordnen;
hierfür sollte auch einstweiliger Rechtsschutz nach § 49 FamFG möglich sein.
Ein Erbschein ist hingegen erst einzuziehen, wenn die Testamentsvollstreckung als solche endet.
Zusammenfassend zeigt Strobel die komplexen Rechtsschutzmöglichkeiten des Erben auf und betont die Notwendigkeit, je nach Phase und Art der Pflichtverletzung zu differenzieren.
Insbesondere die noch ungeklärte Frage des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 49 FamFG wird differenziert betrachtet.