Rechtzeitigkeit der Erhebung einer gesellschaftsrechtlichen Unterlassungsklage
Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. Mai 2019 – II ZR 278/16
Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft.
Die Hauptversammlung ermächtigte 2013 den Vorstand, mit Zustimmung des Aufsichtsrats Wandelschuldverschreibungen auszugeben, die den Aktionären zum Bezug angeboten werden sollten.
Der Beschluss enthielt eine Verwässerungsschutzklausel zugunsten der Anleihegläubiger für den Fall von Kapitalerhöhungen oder Aktienverkäufen der Gesellschaft unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre.
Der Vorstand beschloss daraufhin die Ausgabe von Teilwandelschuldverschreibungen und bot diese den Aktionären zur Zeichnung an.
Die Anleihebedingungen sahen vor, dass die Gläubiger bei Wandlung Aktien zu einem bestimmten Preis erwerben konnten, der sich bei bestimmten Kapitalmaßnahmen verbilligen konnte.
Insbesondere sollte der Wandlungspreis automatisch auf den Ausgabepreis einer Barkapitalerhöhung sinken,
wenn mehr als eine bestimmte Anzahl neuer Aktien ausgegeben würde und dieser Ausgabepreis niedriger als der ursprüngliche Wandlungspreis war.
Der Kläger war Aktionär der Beklagten.
Später im Jahr 2014 führte die Beklagte eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre zu einem niedrigeren Preis durch.
Daraufhin passte die Beklagte den Wandlungspreis entsprechend der Verwässerungsschutzklausel nach unten an.
Zum Ende des Jahres 2016 übte die Beklagte gegenüber den Anleihegläubigern ein Endfälligkeitswandlungsrecht aus.
Der Kläger erhob Ende März 2015 Klage und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, die Ausgabe neuer Aktien unter einem bestimmten Preis aufgrund von Wandlungserklärungen zu unterlassen.
Zudem forderte er Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden.
Das Landgericht wies die Klage ab, und das Kammergericht bestätigte diese Entscheidung.
Mit der Revision verfolgte der Kläger seine Anträge weiter, modifizierte diese jedoch nach Eintritt der Endfälligkeit der Wandelschuldverschreibungen.
Der BGH wies die Revision des Klägers zurück.
Der BGH stellte fest, dass die Unterlassungsklage in der Hauptsache nicht erledigt sei, da die Ausübung des Endfälligkeitswahlrechts und die Endfälligkeit der Wandelschuldverschreibungen zwar das
Unterlassungsbegehren gegenstandslos gemacht hätten, das Begehren aber zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unbegründet gewesen sei.
Der entscheidende Punkt war die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung.
Der BGH führte aus, dass eine Unterlassungsklage, mit der ein Aktionär einen Eingriff in seine Mitgliedschaftsrechte durch pflichtwidriges Organhandeln abwehren will,
ohne unangemessene Verzögerung zu erheben ist.
Diese Grundsätze, die der BGH bereits für die Anfechtung von Kapitalerhöhungsbeschlüssen entwickelt hatte, gelten auch für Unterlassungsklagen zum Schutz von Mitgliedschaftsrechten.
Die für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit maßgebliche Frist beginnt, wenn der Aktionär von dem beanstandeten Organhandeln und den Umständen Kenntnis
erlangt oder hätte erlangen müssen, die eine Pflichtwidrigkeit nahelegen.
Dem Aktionär ist jedoch eine Klageerhebung nicht zumutbar, solange er schwierige tatsächliche Fragen klären muss, die für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage relevant sind.
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger bereits im Dezember 2013 Kenntnis von den Anleihebedingungen, aus denen sich die Verwässerungsschutzklausel ergab,
die seiner Ansicht nach nicht durch den Hauptversammlungsbeschluss gedeckt war.
Die Klageerhebung erfolgte jedoch erst im März 2015.
Der BGH räumte ein, dass der Kläger zunächst abwarten durfte, ob der Vorstand den seiner Ansicht nach fehlerhaften Beschluss tatsächlich umsetzen
und eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts vornehmen würde.
Nachdem die Beklagte jedoch im Oktober 2014 die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss bekannt gegeben und im November 2014
die Anpassung des Wandlungspreises veröffentlicht hatte, hätte der Kläger unverzüglich klagen müssen.
Die Klageerhebung erst im März 2015 erfolgte somit nicht ohne unangemessene Verzögerung.
Der BGH betonte die allgemeine Rücksichtnahmepflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft.
Eine verspätete Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen kann zu einer Blockade angestrebter Veränderungen führen,
weshalb das Interesse der Gesellschaft an schneller Rechtssicherheit nicht weniger schutzwürdig sei als bei Anfechtungsklagen.
Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet war, die Ausgabe neuer Aktien unter einem bestimmten Preis zu unterlassen, wurde als unzulässig abgewiesen.
Ein solches Feststellungsinteresse über das reine Kosteninteresse hinaus wurde vom Kläger nicht dargelegt.
Auch der Schadensersatzanspruch wurde abgewiesen, da der Kläger einen Schaden nicht ausreichend dargelegt hatte.
Eine bloße prozentuale Verringerung der Beteiligungsquote stelle ohne Berücksichtigung des Kapitalzuflusses
durch die Wandelschuldverschreibungen und nachfolgenden Wandlungen keine schlüssige Schadensdarlegung dar.
Der Kläger hatte seinen Schaden auf die Differenz seiner Beteiligung an der Marktkapitalisierung vor und nach den Wandlungen gestützt, ohne die Kapitalzuführung zu berücksichtigen.
Auch ein zukünftiger Schaden sei nicht hinreichend dargelegt worden.
Das Urteil des BGH bekräftigt, dass Aktionäre gesellschaftsrechtliche Unterlassungsklagen zum Schutz ihrer Mitgliedschaftsrechte ohne unangemessene Verzögerung erheben müssen.
Die Beurteilung der Rechtzeitigkeit erfolgt unter Berücksichtigung der Kenntnis des Aktionärs von den beanstandeten Umständen und der Zumutbarkeit der Klageerhebung.
Die allgemeine Rücksichtnahmepflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Eine verspätete Klage kann aufgrund Verwirkung ausgeschlossen sein.
Zudem verdeutlicht das Urteil die Anforderungen an die Darlegung eines Schadens im Rahmen von Schadensersatzansprüchen von Aktionären.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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