Richterablehnung wegen Tätigkeit dessen Ehegatten in der von der Gegenseite beauftragten Rechtsanwaltskanzlei
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 19.11.2010 – 1 O 3447/09 –
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 18.03.2011 – 13 U 62/10 – 12
Gerne fasse ich den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.03.2012 (V ZB 102/11) zusammen.
Dieser Beschluss behandelt die Frage, ob ein Richter als befangen abgelehnt werden kann, wenn sein Ehepartner als angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei des gegnerischen Prozessbevollmächtigten tätig ist.
Ja, das begründet die Besorgnis der Befangenheit. Es muss bereits der „böse Schein“ einer möglichen fehlenden Unvoreingenommenheit vermieden werden, da eine Partei befürchten muss, dass es dadurch zu einer unzulässigen Einflussnahme kommen könnte.
Zwei Parteien stritten in der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht (OLG).
Dem Senat des OLG, der über die Berufung entscheiden sollte, gehörte ein Richter an, dessen Ehefrau als angestellte Rechtsanwältin in Teilzeit in der Kanzlei des Anwalts der Gegenpartei (des Klägers) arbeitete.
Der Richter machte diese Beziehung pflichtgemäß bekannt. Die Beklagte (Gegnerin des Klägers) lehnte den Richter daraufhin wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Das OLG wies das Ablehnungsgesuch zurück. Es meinte, es liege keine Befangenheit vor, weil die Ehefrau des Richters
das Mandat nicht bearbeitete und nicht damit befasst war.
als Teilzeitkraft im Angestelltenverhältnis nicht an den Einnahmen der Kanzlei beteiligt und somit nur mittelbar vom Ausgang des Prozesses betroffen sei.
Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde beim BGH ein.
Der BGH gab der Beklagten Recht und erklärte das Ablehnungsgesuch gegen den Richter für begründet.
Der BGH stellt klar, dass ein Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO (Zivilprozessordnung) vorliegt, wenn eine Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und Objektivität des Richters zu zweifeln.
Es geht nicht darum, ob der Richter tatsächlich voreingenommen ist, sondern darum, ob die Umstände geeignet sind, begründete Zweifel zu wecken.
Ziel der Regeln zur Richterablehnung ist es, bereits den „bösen Schein“ einer möglicherweise fehlenden Neutralität zu vermeiden (Grundsatz der Neutralität).
Der BGH sah die Tätigkeit der Ehefrau des Richters in der Kanzlei des Gegners als ausreichend an, um diesen „bösen Schein“ zu erzeugen:
Die besondere berufliche Nähe der Richter-Ehefrau zum Prozessbevollmächtigten des Gegners gibt der ablehnenden Partei Anlass zur Sorge, dass es dadurch zu einer unzulässigen Einflussnahme auf den Richter kommen könnte.
Es ist der Partei nicht zuzumuten, darauf zu vertrauen, dass eine Einflussnahme unterbleibt. Eine Partei muss den Richter nicht erst ablehnen, wenn eine unzulässige Beeinflussung tatsächlich stattgefunden hat und ihr dies bekannt wird.
Der BGH betonte, dass es unerheblich ist, ob die Ehefrau an dem Mandat beteiligt war oder ob sie am Gewinn der Kanzlei beteiligt war. Entscheidend ist allein die Stellung als Angestellte in der gegnerischen Kanzlei.
Der BGH widersprach damit der Ansicht des OLG, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Befangenheit hinzukommen müssten (z.B. Bearbeitung des Mandats oder ein besonderes wirtschaftliches Interesse). Allein die familiäre Bindung zur Kanzlei des Gegners reicht aus, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Dieser Beschluss ist ein wichtiges Grundsatzurteil für die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit und Neutralität.
Der BGH schärft den Grundsatz, dass Gerichtsverfahren nicht nur objektiv fair sein müssen, sondern auch den Anschein von Fairness vermitteln müssen (Anschein von Befangenheit). Die Entscheidung stärkt die Rechte der Parteien, Richter ablehnen zu können, wenn eine Konstellation vorliegt, die bei einer vernünftigen, objektiven Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit weckt – selbst wenn der Richter persönlich unvoreingenommen ist und der Ehepartner nicht direkt am Mandat arbeitet.
Der BGH schützt damit das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf den gesetzlichen Richter, der neutral und unvoreingenommen entscheidet.
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