Rückabwicklungsanordnung der BaFin – Rückzahlung gesellschaftsvertraglich begründeter Einlagezahlungen der Gesellschafter einer GbR
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 4. August 2020 (II ZR 174/19) entschieden, dass eine öffentlich-rechtliche Rückabwicklungsanordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin) gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 Kreditwesengesetz (KWG) gegenüber einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zur Rückzahlung gesellschaftsvertraglich
begründeter Einlagezahlungen ihrer Gesellschafter nichts an dem gesellschaftsrechtlichen Charakter dieser Zahlungen als haftendes Kapital ändert.
Dies hat zur Folge, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung in der Insolvenz der Gesellschaft hinter den gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen zurücktreten muss.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Immobilienfonds-GbR (Schuldnerin). Er klagte gegen die Beklagte auf Zahlung einer restlichen Einlageforderung.
Die Beklagte trat der Schuldnerin im Jahr 2006 über eine Treuhänderin bei und verpflichtete sich zur Zahlung von 20.000 Euro zzgl. Agio in monatlichen Raten.
Eine Zusatzvereinbarung räumte ihr ab dem fünften Jahr ein teilweises Entnahmerecht an den einbezahlten Beiträgen ein.
Bis zur Insolvenzeröffnung im August 2015 leistete die Beklagte Zahlungen in Höhe von 10.421 Euro zzgl. Agio.
Die BaFin erließ im August 2014 gegenüber der Geschäftsführerin der Schuldnerin eine sofort vollziehbare Anordnung gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG, das ohne Erlaubnis betriebene Einlagengeschäft
(Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums) unverzüglich durch vollständige Rückzahlung aller angenommenen Gelder abzuwickeln.
Die BaFin sah in der Möglichkeit der Anleger, aufgrund der Beteiligungsverträge und der Zusatzvereinbarung nach Antrag über ihre Gelder zu verfügen,
ein unerlaubtes Einlagengeschäft gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG.
Nach der Insolvenzeröffnung forderte der Insolvenzverwalter die Beklagte zur Zahlung des Restbetrags ihrer Einlage auf.
Die Beklagte kündigte ihre Beteiligung und verlangte widerklagend die Rückzahlung ihrer geleisteten Zahlungen nebst Agio.
Sie erklärte zudem die Anfechtung ihrer Beteiligung wegen arglistiger Täuschung.
Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung der restlichen Einlage und wies ihre Widerklage ab.
Das Oberlandesgericht bestätigte dieses Urteil.
Die Revision der Beklagten zum BGH blieb erfolglos.
Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Revision der Beklagten zurück.
Der BGH stellte fest, dass die Beklagte aufgrund ihrer Beitrittserklärung und des Gesellschaftsvertrags weiterhin zur Zahlung der restlichen Einlage verpflichtet ist (§ 80 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO)).
Die Vereinbarung der Ratenzahlung stellte lediglich eine Stundung dar, die mit der Insolvenzeröffnung insgesamt fällig wurde.
Die außerordentliche Kündigung und die Anfechtung der Beteiligung nach Insolvenzeröffnung sind in der Liquidation der Gesellschaft ausgeschlossen.
Der BGH widersprach der Rechtsauffassung der BaFin und kam zu dem Ergebnis, dass die Beteiligung der Beklagten kein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG darstellt.
Die von der Beklagten zu leistenden Einlageraten seien weder „fremde“ noch „unbedingt rückzahlbare“ Gelder.
Gesellschafterzahlungen, die als haftendes Eigenkapital in das Gesellschaftsvermögen übergehen und mit gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechten verbunden sind, sind keine fremden Gelder im Sinne des KWG.
Mit der Einzahlung wird die Einlage Gesellschaftsvermögen, wodurch der Gesellschafter keinen Rückzahlungsanspruch gegen die Gesellschaft hat,
sondern lediglich einen Anteil an der Gesellschaft und gegebenenfalls einen Auseinandersetzungsanspruch.
Unbedingt rückzahlbar sind Gelder, wenn die Rückzahlung unabhängig vom Geschäftserfolg des Betreibers erfolgen soll, also eine Verlustteilnahme ausgeschlossen ist.
Bei einer gesellschaftsvertraglich begründeten Einlage eines Gesellschafters mit Verlustbeteiligung ist dies nicht der Fall.
Die Ratenzahlungen der Beklagten waren mit gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschafts- und Mitspracherechten verbunden und nahmen am Verlust der Schuldnerin teil.
Die Zusatzvereinbarung räumte lediglich ein Entnahmerecht zu Liquiditätszwecken ein, änderte aber nichts an der Verlustbeteiligung der Beklagten.
Die Einlageverpflichtung der Beklagten ist nicht gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG nichtig.
Die gegenteilige Bewertung der BaFin im Bescheid ist für das zivilgerichtliche Verfahren nicht bindend, da sich die Tatbestandswirkung
eines Verwaltungsakts grundsätzlich nur auf den verfügenden Teil und nicht auf die Begründung erstreckt.
Zudem ist die Annahme einer Nichtigkeit hier abzulehnen, da das Einlagengeschäft der Schuldnerin als solches nicht gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG verstößt.
Die öffentlich-rechtliche Rückabwicklungsanordnung der BaFin ändert nichts an dem gesellschaftsrechtlichen Charakter der Einlagezahlungen als haftendes Kapital,
hinter dem die öffentlich-rechtliche Verpflichtung jedenfalls in der Insolvenz der Gesellschaft zurücktreten muss.
Die Anordnung führt nicht zur Nichtigkeit der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen.
Der BGH schloss sich der Auffassung an, dass öffentlich-rechtliche Verpflichtungen privatrechtliche Vereinbarungen nicht automatisch nichtig machen, sondern allenfalls das Leistungsverhältnis umgestalten können.
In der Insolvenz kommt der gesellschaftsrechtliche Charakter der Einlage als haftendes Kapital zum Tragen, das vorrangig zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehen muss (§ 94 InsO).
Die Beklagte kann daher die Rückzahlung ihrer Einlage nicht verlangen, sondern ist auf die Verteilung eines etwaigen Überschusses nach Abschluss des Insolvenzverfahrens zu verweisen.
Schadensersatzansprüche der Beklagten gegen die Schuldnerin wegen unzureichender Aufklärung über Risiken der Beteiligung bestehen nicht,
da solche Ansprüche sich gegen die Gründungs- bzw. Altgesellschafter richten würden.
Ein deliktischer Schadensersatzanspruch wegen der Annahme der Einlagezahlungen entgegen § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 KWG scheidet mangels eines erlaubnispflichtigen Einlagengeschäfts aus.
Die Beklagte kann der Einlageforderung des Klägers keine Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch wegen der zwischen der Rückabwicklungsanordnung und der Insolvenzeröffnung geleisteten Ratenzahlungen entgegenhalten.
Da die Abwicklungsanordnung nichts an der gesellschaftsrechtlichen Einbindung ihrer Einlagezahlungen geändert hat,
müssen diese im Insolvenzfall weiterhin zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehen.
Die Rückforderung der Beklagten käme einer Rückzahlung ihrer gesellschaftsrechtlichen Einlage gleich, für die sie auf die Schlussverteilung zu verweisen ist.
Das Urteil des BGH stellt klar, dass eine Rückabwicklungsanordnung der BaFin nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG zwar eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Rückzahlung von Geldern begründet,
diese aber in der Insolvenz einer GbR hinter dem gesellschaftsrechtlichen Charakter der Einlagezahlungen als haftendes Kapital zurücktreten muss.
Die Einlagen dienen primär der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger.
Die Gesellschafter können ihre Einlagen nicht unter Berufung auf die Rückabwicklungsanordnung vorrangig zurückfordern,
sondern sind auf einen etwaigen Überschuss nach der Insolvenzverwertung zu verweisen.
Zudem betont der BGH die Unterscheidung zwischen der öffentlich-rechtlichen Bewertung eines Geschäfts durch die BaFin und dessen zivilrechtlicher Qualifizierung durch die Gerichte.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.