Rückforderung von Lastenausgleich wegen Schäden an Pflichtteilsansprüchen
BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 – 3 C 27.12
Hier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 24.10.2013:
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) befasst sich mit der Frage, wann eine bereits gewährte Entschädigung, der sogenannte Lastenausgleich, zurückgefordert werden darf, wenn der Schaden, für den sie gezahlt wurde, nachträglich ausgeglichen wird. Im konkreten Fall ging es um Schäden an Pflichtteilsansprüchen, die durch die Enteignung des Nachlasses in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) entstanden waren.
Die Enteignung und der Schaden: Die Familie des Erblassers besaß in Thüringen (ehemalige SBZ) umfangreiches Vermögen, das 1946 im Zuge der Bodenreform enteignet wurde.
Die Klägerin und ihre Mutter waren durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen. Sie hatten jedoch einen Pflichtteilsanspruch – einen gesetzlichen Geldanspruch gegen den Erben. Durch die Enteignung wurde der Nachlass wertlos, wodurch der Pflichtteilsanspruch faktisch entwertet wurde.
Da die Pflichtteilsansprüche durch die Enteignung geschädigt wurden, erhielten die Klägerin und ihre Mutter in den Jahren 1972 und 1986 eine Hauptentschädigung im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes (LAG). Dieser Lastenausgleich sollte den Schaden kompensieren.
Nach der Wiedervereinigung erhielt der Erbe des ursprünglichen Vermögens im Jahr 2004 eine Ausgleichsleistung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (AltZustG/AusglLeistG) als Ersatz für das enteignete Vermögen.
Daraufhin forderte die zuständige Behörde (Ausgleichsamt) den an die Klägerin und ihre Mutter (deren Alleinerbin die Klägerin war) gezahlten Lastenausgleich zurück. Die Begründung: Der Schaden am Pflichtteilsanspruch sei durch die Ausgleichsleistung an den Erben ausgeglichen worden.
Gilt der Schaden am Pflichtteilsanspruch schon dann als ausgeglichen, wenn der Erbe eine Ersatzleistung (die Ausgleichsleistung) erhält, oder erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte (die Klägerin) tatsächlich Geld vom Erben bekommt?
Das BVerwG stellte klar, dass bei einem Schaden an einem Pflichtteilsanspruch – der rechtlich eine Geldforderung ist – die Wiedererlangung der Möglichkeit zur Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Erben für den Schadensausgleich ausreicht. Es kommt nicht auf die tatsächliche Realisierung (also die tatsächliche Zahlung) an.
Der ursprüngliche Schaden am Pflichtteilsanspruch war die Entwertung der Forderung, weil der Erbe durch die Enteignung den Nachlass verloren hatte und deshalb möglicherweise die Erfüllung verweigern konnte (z.B. wegen der Dürftigkeit des Nachlasses).
Durch die Zahlung der Ausgleichsleistung an den Erben im Jahr 2004 entfiel für den Erben die Möglichkeit, die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs unter Berufung auf die Enteignung zu verweigern. Der Pflichtteilsanspruch wurde dadurch wieder werthaltig und durchsetzbar.
Die Klägerin wandte ein, ihre Pflichtteilsansprüche seien verjährt und damit nicht mehr durchsetzbar.
Eine Forderung gilt im Lastenausgleichsrecht erst dann als nicht mehr durchsetzbar und damit als wertlos, wenn der Erbe die Einrede der Verjährung tatsächlich erhebt.
Da im Verfahren nicht festgestellt oder behauptet wurde, dass der Erbe die Verjährungseinrede erhoben hatte – es gab sogar Hinweise auf geleistete Zahlungen –, konnte das Gericht nicht von einer fehlenden Werthaltigkeit ausgehen. Wäre die Rückforderung allein wegen der Verjährung abgelehnt worden, hätte dies zu einer Doppelentschädigung geführt, was das LAG gerade verhindern soll.
Die Klägerin behauptete, sie habe geleistete Zahlungen vom Erben wegen Irrtums zurückgezahlt.
Dies ist unerheblich. Da es nicht auf die tatsächliche Realisierung des Anspruchs ankommt, sondern auf die Wiederherstellung der rechtlichen Durchsetzbarkeit, war die angebliche Rückzahlung ohne Belang für die Pflicht zur Rückzahlung des Lastenausgleichs.
Das Bundesverwaltungsgericht gab der beklagten Behörde Recht und wies die Klage der Pflichtteilsberechtigten ab.
Die gewährten Lastenausgleichsleistungen wurden zu Recht zurückgefordert.
Der Schaden an den Pflichtteilsansprüchen galt als ausgeglichen, weil die Zahlung der Ausgleichsleistung an den Erben die rechtliche Durchsetzbarkeit der Pflichtteilsansprüche wiederhergestellt hatte und damit die ursprüngliche Entwertung als Folge der Enteignung behoben war.
Eine Verjährung führt nur dann zur Unmöglichkeit der Rückforderung, wenn der Erbe die Verjährungseinrede tatsächlich erhoben hätte.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.