Rückforderung von Lastenausgleich wegen Schäden an Pflichtteilsansprüchen

Oktober 6, 2025

Rückforderung von Lastenausgleich wegen Schäden an Pflichtteilsansprüchen

BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 – 3 C 27.12

Hier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 24.10.2013:

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) befasst sich mit der Frage, wann eine bereits gewährte Entschädigung, der sogenannte Lastenausgleich, zurückgefordert werden darf, wenn der Schaden, für den sie gezahlt wurde, nachträglich ausgeglichen wird. Im konkreten Fall ging es um Schäden an Pflichtteilsansprüchen, die durch die Enteignung des Nachlasses in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) entstanden waren.

Der Hintergrund des Falls

Die Enteignung und der Schaden: Die Familie des Erblassers besaß in Thüringen (ehemalige SBZ) umfangreiches Vermögen, das 1946 im Zuge der Bodenreform enteignet wurde.

Der Pflichtteil:

Die Klägerin und ihre Mutter waren durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen. Sie hatten jedoch einen Pflichtteilsanspruch – einen gesetzlichen Geldanspruch gegen den Erben. Durch die Enteignung wurde der Nachlass wertlos, wodurch der Pflichtteilsanspruch faktisch entwertet wurde.

Der Lastenausgleich:

Da die Pflichtteilsansprüche durch die Enteignung geschädigt wurden, erhielten die Klägerin und ihre Mutter in den Jahren 1972 und 1986 eine Hauptentschädigung im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes (LAG). Dieser Lastenausgleich sollte den Schaden kompensieren.

Die Wende und die Ausgleichsleistung:

Nach der Wiedervereinigung erhielt der Erbe des ursprünglichen Vermögens im Jahr 2004 eine Ausgleichsleistung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (AltZustG/AusglLeistG) als Ersatz für das enteignete Vermögen.

Die Rückforderung:

Daraufhin forderte die zuständige Behörde (Ausgleichsamt) den an die Klägerin und ihre Mutter (deren Alleinerbin die Klägerin war) gezahlten Lastenausgleich zurück. Die Begründung: Der Schaden am Pflichtteilsanspruch sei durch die Ausgleichsleistung an den Erben ausgeglichen worden.

Die zentralen Rechtsfragen und die Entscheidung des BVerwG

Die Kernfrage war:

Gilt der Schaden am Pflichtteilsanspruch schon dann als ausgeglichen, wenn der Erbe eine Ersatzleistung (die Ausgleichsleistung) erhält, oder erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte (die Klägerin) tatsächlich Geld vom Erben bekommt?

Wann ist der Schaden am Pflichtteilsanspruch ausgeglichen?

Das BVerwG stellte klar, dass bei einem Schaden an einem Pflichtteilsanspruch – der rechtlich eine Geldforderung ist – die Wiedererlangung der Möglichkeit zur Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Erben für den Schadensausgleich ausreicht. Es kommt nicht auf die tatsächliche Realisierung (also die tatsächliche Zahlung) an.

Der Grund:

Der ursprüngliche Schaden am Pflichtteilsanspruch war die Entwertung der Forderung, weil der Erbe durch die Enteignung den Nachlass verloren hatte und deshalb möglicherweise die Erfüllung verweigern konnte (z.B. wegen der Dürftigkeit des Nachlasses).

Rückforderung von Lastenausgleich wegen Schäden an Pflichtteilsansprüchen

Die Wiederherstellung:

Durch die Zahlung der Ausgleichsleistung an den Erben im Jahr 2004 entfiel für den Erben die Möglichkeit, die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs unter Berufung auf die Enteignung zu verweigern. Der Pflichtteilsanspruch wurde dadurch wieder werthaltig und durchsetzbar.

Was ist mit der Verjährung?

Die Klägerin wandte ein, ihre Pflichtteilsansprüche seien verjährt und damit nicht mehr durchsetzbar.

Entscheidung des BVerwG:

Eine Forderung gilt im Lastenausgleichsrecht erst dann als nicht mehr durchsetzbar und damit als wertlos, wenn der Erbe die Einrede der Verjährung tatsächlich erhebt.

Keine Behauptung der Einrede:

Da im Verfahren nicht festgestellt oder behauptet wurde, dass der Erbe die Verjährungseinrede erhoben hatte – es gab sogar Hinweise auf geleistete Zahlungen –, konnte das Gericht nicht von einer fehlenden Werthaltigkeit ausgehen. Wäre die Rückforderung allein wegen der Verjährung abgelehnt worden, hätte dies zu einer Doppelentschädigung geführt, was das LAG gerade verhindern soll.

Was ist mit der Rückzahlung durch die Klägerin?

Die Klägerin behauptete, sie habe geleistete Zahlungen vom Erben wegen Irrtums zurückgezahlt.

Entscheidung des BVerwG:

Dies ist unerheblich. Da es nicht auf die tatsächliche Realisierung des Anspruchs ankommt, sondern auf die Wiederherstellung der rechtlichen Durchsetzbarkeit, war die angebliche Rückzahlung ohne Belang für die Pflicht zur Rückzahlung des Lastenausgleichs.

Das Endergebnis

Das Bundesverwaltungsgericht gab der beklagten Behörde Recht und wies die Klage der Pflichtteilsberechtigten ab.

Die gewährten Lastenausgleichsleistungen wurden zu Recht zurückgefordert.

Der Schaden an den Pflichtteilsansprüchen galt als ausgeglichen, weil die Zahlung der Ausgleichsleistung an den Erben die rechtliche Durchsetzbarkeit der Pflichtteilsansprüche wiederhergestellt hatte und damit die ursprüngliche Entwertung als Folge der Enteignung behoben war.

Eine Verjährung führt nur dann zur Unmöglichkeit der Rückforderung, wenn der Erbe die Verjährungseinrede tatsächlich erhoben hätte.

RA und Notar Krau

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