Rückgewähranspruch bei wesentlicher Veränderung des Vertragsgegenstands

April 18, 2025

Rückgewähranspruch bei wesentlicher Veränderung des Vertragsgegenstands

OLG Brandenburg, Urteil vom 13.04.2022, 4 U 61/21

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Ein Verkäufer (V) und ein Erwerber (E) schlossen einen Bauträgervertrag über eine Eigentumswohnung im Rohbauzustand. V verpflichtete sich zur Übereignung und zur Errichtung des Gebäudes im Rohbau.

E übernahm den Innenausbau der Wohnung und führte diesen durch, wodurch der Wert der Wohnung erheblich stieg.

Später trat V vom Vertrag zurück, da er Mängel bei der Brandschutzbeschichtung geltend machte, und verlangte von E die

Rückübereignung der fertiggestellten Wohnung Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises.

Entscheidung des Landgerichts (LG):

Das LG wies die Klage auf Rückübereignung ab.

Es argumentierte, dass selbst wenn ein Rücktrittsgrund vorläge, die Rückgewähr des ursprünglichen Kaufgegenstands (des Rohbaus) gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sei.

Durch den Ausbau sei der Rohbau in eine bewohnbare Wohnung umgestaltet worden.

Daher schulde E allenfalls Wertersatz, aber keine Rückauflassung des Wohnungseigentums.

Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg:

Das OLG Brandenburg bestätigte die Entscheidung des LG. Es führte aus, dass der Anspruch auf Rückgewähr gemäß § 346 Abs. 2 BGB entfällt,

wenn der Rückgewährschuldner den empfangenen Gegenstand nicht mehr zurückgeben kann oder nur in veränderter Form.

Rückgewähranspruch bei wesentlicher Veränderung des Vertragsgegenstands

Dies sei hier der Fall, da der von E empfangene Rohbau durch den erfolgten Innenausbau in eine fertiggestellte Eigentumswohnung umgewandelt wurde.

Das OLG stellte fest, dass eine solche „Umgestaltung“ im Sinne des § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB vorliegt.

Es führte aus, dass der Gesetzgeber mit der Schuldrechtsmodernisierung den Rücktritt nicht daran scheitern lassen wollte,

dass der ursprüngliche Zustand nicht wiederhergestellt werden kann, sondern stattdessen eine Wertersatzpflicht vorsieht.

Bei der Beurteilung, ob eine „Sache anderer Art“ entstanden ist (ein Kriterium für die Umgestaltung), zog das OLG die Rechtsprechung zu § 950 BGB (Herstellung durch Verarbeitung oder Umbildung) heran.

Entscheidend sei, ob durch menschliche Arbeitsleistung der ursprüngliche Gegenstand auf eine höhere Wertschöpfungsstufe gehoben wurde und eine eigenständige, weitergehende Funktion erfüllt.

Dies sei bei dem Übergang vom Rohbau zur fertiggestellten Wohnung der Fall. Wirtschaftliche Erwägungen und die Verkehrsauffassung,

die einen Rohbau und eine Wohnung als unterschiedliche Gegenstände ansieht, seien hier maßgeblich.

Das OLG betonte, dass es für die Frage der Unmöglichkeit der Rückgewähr bei Grundstücken auch auf die Rechtsprechung zu § 818 Abs. 2 BGB (Wertersatz im Bereicherungsrecht) zurückgegriffen werden kann.

Danach kann die Herausgabe eines Grundstücks unmöglich werden, wenn es nach der Übereignung bebaut wird und dadurch wirtschaftlich „etwas ganz anderes“ geworden ist.

Entgegen der Argumentation des V sah das OLG in der Entscheidung des BGH vom 10.10.2008 (zur grundbuchlichen Belastung)

keine Übertragbarkeit auf den vorliegenden Fall der physischen Umgestaltung des Vertragsgegenstands.

Der BGH habe dort lediglich klargestellt, dass eine Belastung die Rückgewähr nicht unmöglich mache, sondern gelöscht werden müsse.

Rückgewähranspruch bei wesentlicher Veränderung des Vertragsgegenstands

Fazit des OLG Brandenburg:

Da der ursprüngliche Vertragsgegenstand (der Rohbau) durch den Innenausbau wesentlich verändert wurde und nunmehr als fertiggestellte Eigentumswohnung existiert, ist eine Rückgewähr in der ursprünglichen Form unmöglich.

Der Rückgewähranspruch des V in Form der Rückauflassung des Wohnungseigentums ist daher gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen.

V hat lediglich einen Anspruch auf Wertersatz für den Wert des Rohbaus zum Zeitpunkt der Übergabe.

Anmerkung zum Urteil von Notarassessor Dr. Philip Maximilian Bender, MittBayNot 2023, 590:

Die Anmerkung von Dr. Bender begrüßt die Entscheidung des OLG Brandenburg und die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Rücktrittsrechts auf das Grundstücksrecht.

Er kritisiert die Ansicht, dass für das Grundstücksrecht eine Sonderdogmatik im Rücktrittsrecht gelten sollte.

Weder das sachenrechtliche Akzessorietätsprinzip noch die Notwendigkeit der Sicherung von Rückforderungsrechten durch Vormerkung

erforderten eine solche Sonderbehandlung auf schuldrechtlicher Ebene.

Dr. Bender betont die teleologisch-ökonomischen Vorteile des Ausschlusses der Naturalrückabwicklung bei Umgestaltung.

Die Verpflichtung zur Rückgängigmachung der Umgestaltung würde Werte vernichten und wäre ineffizient.

Die Wertersatzpflicht hingegen führe zu sachgerechteren Ergebnissen, da derjenige, der die Wertsteigerung durch die Umgestaltung erzielt hat, diese behalten kann,

während der ursprüngliche Verkäufer für den Wert des ursprünglichen Gegenstands kompensiert wird.

Zudem sei die Wertermittlung des ursprünglichen Gegenstands in der Regel einfacher als die Ermittlung des Wertes der Verwendungen des Käufers.

Hinsichtlich der Vertragsgestaltung empfiehlt Dr. Bender, bei Verträgen ohne vertragliches Rückforderungsrecht die wirtschaftliche Ex-post-Betrachtung (Anwendung des § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB) beizubehalten.

Bei Verträgen mit vertraglichem Rückforderungsrecht und Vormerkung sei die konkludente Abbedingung des § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB anzunehmen.

Gegebenenfalls könne dies im Vertrag ausdrücklich klargestellt werden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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