Rücknahme des notariellen Testaments aus der amtlichen Verwahrung
OLG Düsseldorf I-3 Wx 285/14
Beschluss vom 23. Dezember 2015,
Die Erblasserin hatte zwei notarielle Testamente errichtet.
Im ersten Testament vom 5. April 2001 setzte sie ihre Enkelin (Beteiligte zu 1) als Alleinerbin ein und enterbte ihre Tochter (Beteiligte zu 2).
Im zweiten Testament vom 12. April 2001 vermachte sie ihrer Tochter einen Betrag von 30.000 DM.
Beide Testamente wurden beim Amtsgericht verwahrt.
Im Februar 2005 ließ die Erblasserin die Testamente aus der amtlichen Verwahrung zurückgeben.
Sie wurde dabei belehrt, dass die Testamente durch die Rückgabe als widerrufen gelten.
In den Jahren 2005 und 2006 verfasste die Erblasserin handschriftliche Erklärungen, in denen sie ihren Willen äußerte, das Geldvermächtnis an ihre Tochter zu streichen.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Enkelin einen Erbschein als Alleinerbin.
Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück, da die notariellen Testamente durch die Rückgabe als widerrufen galten.
Die Enkelin legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.
Entscheidung des OLG Düsseldorf:
Das OLG Düsseldorf gab der Beschwerde der Enkelin statt und wies das Nachlassgericht an, ihr den beantragten Erbschein zu erteilen.
Begründung:
Zunächst stellte das OLG fest, dass die notariellen Testamente durch die Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung gemäß § 2256 Abs. 1 BGB als widerrufen galten.
Die Rücknahme der Testamente stellt eine formgültige Widerrufserklärung dar.
Das OLG erkannte jedoch die Anfechtung des in der Rücknahme liegenden Widerrufs durch die Enkelin als wirksam an.
Die Anfechtung stützte sich auf § 2078 Abs. 1 BGB, der einen Irrtum über die Rechtsfolgen einer Willenserklärung als Anfechtungsgrund vorsieht.
Das OLG kam zu der Überzeugung, dass die Erblasserin sich über die Rechtsfolgen der Rücknahme der Testamente geirrt hatte.
Sie ging offenbar davon aus, dass die Testamente durch die Rücknahme nicht automatisch widerrufen wurden,
sondern dass sie durch ihre handschriftlichen Erklärungen weitere Änderungen vornehmen musste.
Dies zeigte sich darin, dass sie in den handschriftlichen Erklärungen wiederholt ihren Willen äußerte, das Geldvermächtnis an ihre Tochter zu streichen.
Hätte sie die Testamente als bereits widerrufen angesehen, wären diese Erklärungen überflüssig gewesen.
Das OLG sah in den handschriftlichen Erklärungen der Erblasserin keinen wirksamen Widerruf der notariellen Testamente.
Die Erklärungen enthielten keine ausdrückliche Widerrufserklärung und konnten auch nicht als konkludenter Widerruf ausgelegt werden.
Die Erblasserin wollte lediglich das Geldvermächtnis an ihre Tochter streichen, nicht aber die Erbeinsetzung ihrer Enkelin widerrufen.
Da der Widerruf der notariellen Testamente durch die Rücknahme wirksam angefochten wurde, galten die Testamente als nicht widerrufen.
Die Enkelin war daher aufgrund des ersten notariellen Testaments vom 5. April 2001 Alleinerbin der Erblasserin.
Fazit:
Der Beschluss des OLG Düsseldorf zeigt, dass die Rücknahme eines Testaments aus der amtlichen Verwahrung zwar grundsätzlich einen wirksamen Widerruf darstellt,
dieser Widerruf aber unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden kann.
Insbesondere ist eine Anfechtung möglich, wenn der Erblasser sich über die Rechtsfolgen der Rücknahme geirrt hat.
Im vorliegenden Fall konnte die Enkelin die Anfechtung erfolgreich geltend machen und wurde als Alleinerbin eingesetzt.
Zusätzliche Hinweise:
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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