Rücktritt Erbvertrag Nichterfüllung Pflegeverpflichtung

Dezember 4, 2024

Rücktritt Erbvertrag Nichterfüllung Pflegeverpflichtung

OLG Hamm 10 U 74/23

Urteil vom 11.07.2024

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Die Parteien stritten über die Erbfolge nach dem Erblasser.

Dieser hatte mit seiner Ehefrau und den beiden Klägern (seinen Kindern) einen Erbvertrag geschlossen, in dem sich die Kläger zu Pflegeleistungen gegenüber ihren Eltern verpflichteten.

Nach dem Tod der Mutter zog der Erblasser zu seiner Tochter, der Beklagten.

Die Kläger wurden von dem Umzug nicht informiert und ihnen wurde der Kontakt zum Erblasser verwehrt.

Rücktritt Erbvertrag Nichterfüllung Pflegeverpflichtung

Der Erblasser erklärte daraufhin den Rücktritt vom Erbvertrag, da die Kläger ihren Pflegeverpflichtungen nicht nachgekommen seien.

Rechtsfragen:

  1. Kann eine Erbeinsetzung in einem Erbvertrag als vertragsmäßige Verfügung ausgelegt werden, wenn der Vertrag unter Beteiligung der Kinder geschlossen wurde?
  2. Ist ein Rücktritt vom Erbvertrag wegen Nichterfüllung einer Pflegeverpflichtung treuwidrig, wenn die Kontaktaufnahme zu der zu pflegenden Person unmöglich gemacht wird?

Entscheidung des OLG Hamm:

Das OLG Hamm wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts, das den Klägern die Erbenstellung zugesprochen hatte.

Begründung:

  • Vertragsmäßige Verfügung: Das OLG Hamm bestätigte die Auffassung des Landgerichts, dass die Erbeinsetzung der Kläger in dem Erbvertrag als vertragsmäßige Verfügung im Sinne von § 2278 BGB zu qualifizieren ist. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Vertrag unter Beteiligung der Kinder geschlossen wurde und aus der Formulierung in der Vertragsurkunde.

Rücktritt Erbvertrag Nichterfüllung Pflegeverpflichtung

  • Kein Rücktrittsgrund: Der Erblasser hatte keinen Rücktrittsgrund, da die Kläger ihre Pflegeverpflichtungen nicht verletzt hatten.
    • Die Kläger waren aufgrund des Verhaltens des Erblassers und der Beklagten gehindert, die Pflegeleistungen zu erbringen.
    • Der Erblasser hatte die Kläger nicht über seinen Umzug informiert und ihnen den Kontakt zu ihm verwehrt.
    • Die Beklagte hatte als Generalbevollmächtigte des Erblassers ein Haus- und Kontaktverbot ausgesprochen.
    • Den Klägern war es somit unmöglich gemacht worden, die Pflegeleistungen zu erbringen.
  • Unzulässige Rechtsausübung: Der Rücktritt vom Erbvertrag stellte eine unzulässige Rechtsausübung gemäß §§ 242, 162 Abs. 2 BGB dar. Der Erblasser hatte die Voraussetzungen für den Rücktritt in missbilligenswerter Weise selbst geschaffen, indem er den Klägern die Kontaktaufnahme und die Erbringung der Pflegeleistungen unmöglich machte.
  • Kein Erlöschen des Rücktrittsrechts: Das Rücktrittsrecht des Erblassers war nicht durch den Tod seiner Ehefrau erloschen. Jeder Ehegatte hatte ein eigenes Rücktrittsrecht, das auch nach dem Tod des anderen Ehegatten fortbestand.
  • Unwirksamkeit weiterer Verfügungen: Die späteren letztwilligen Verfügungen des Erblassers, in denen er die Beklagte als Alleinerbin einsetzte, waren gemäß § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, da sie die Rechte der Kläger aus dem Erbvertrag beeinträchtigten.

Rücktritt Erbvertrag Nichterfüllung Pflegeverpflichtung

Konsequenzen des Urteils:

Das Urteil des OLG Hamm stärkt die Rechte von Erben, die sich in einem Erbvertrag zu Pflegeleistungen verpflichtet haben.

Werden ihnen die Pflegeleistungen durch den Erblasser unmöglich gemacht, kann sich dieser nicht auf die Nichterfüllung der Pflegeverpflichtung berufen, um vom Erbvertrag zurückzutreten.

Wichtige Hinweise:

  • Eine Erbeinsetzung in einem Erbvertrag kann auch dann als vertragsmäßige Verfügung ausgelegt werden, wenn sie nicht ausdrücklich als solche bezeichnet ist.
  • Ein Rücktritt vom Erbvertrag wegen Nichterfüllung einer Pflegeverpflichtung ist treuwidrig, wenn die Kontaktaufnahme zu der zu pflegenden Person unmöglich gemacht wird.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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