Saarländisches OLG 5 W 71/22

Februar 16, 2023

Saarländisches OLG 5 W 71/22, , Beschluss vom 18.10.2022 – Klage gegen Testamentsvollstreckung auf Auskunft ist erbrechtliche Streitigkeit


Tenor

Saarländisches OLG 5 W 71/22

  1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 7. Juni 2022 wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Mai 2022 – 14 O 19/22 – aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

  1. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Saarländisches OLG 5 W 71/22
I.

Die durch ihre Betreuerin vertretene Klägerin beabsichtigt, die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des am 9. Mai 2001 verstorbenen Vaters der Klägerin auf Auskunft und Rechnungslegung sowie ggf. Versicherung der Richtigkeit an Eides statt in Anspruch zu nehmen; hierfür hat sie am 27. Januar 2022 einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beim Landgericht Saarbrücken eingereicht. Die Parteien sind Teil einer Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Vater der Klägerin; zum Nachlass gehörte u.a. die Firma M. mit Sitz in S., die im Jahre 2020 veräußert wurde.

Der Anteil der Klägerin am Erlös in Höhe von “ca. 200.000,- Euro” (Bl. 16 Beiheft) ist auf einem Anderkonto hinterlegt, über das nach Darstellung der Klägerin allein die Beklagte als Testamentsvollstreckerin verfügen darf, die sich “überhaupt nicht regt”; nach einem von der Betreuerin erlangten Kontoauszug seien noch “weniger als 100.000,- Euro” auf dem Konto vorhanden (Bl. 7 GA).

Das Landgericht – Einzelrichter – hat mit dem angefochtenen Beschluss die Gewährung von Prozesskostenhilfe verweigert und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin könne die aus einem Streitwert von 6.000,- Euro errechneten Kosten des Rechtsstreits aus ihrem Vermögen aufbringen und hierzu die Beklagte – ggf. im Wege der einstweiligen Verfügung – auf Zustimmung zur Auszahlung in Anspruch nehmen (Bl. 18 ff. Beiheft).

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, in der sie zugesteht, dass die Ausführungen des Landgerichts objektiv betrachtet richtig seien, die Besonderheiten des vorliegenden Falles, insbesondere die Gefahr einer Verzögerung des Streits durch die Beklagte oder ihren Ehemann, dabei jedoch nicht ausreichend berücksichtigt sieht, und der das Landgericht – Einzelrichter – mit Beschluss vom 20. September 2022 nicht abgeholfen hat (Bl. 37 Beiheft).

Saarländisches OLG 5 W 71/22

II.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin hat einen vorläufigen Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist zwar in der Sache nicht zu beanstanden, weil entsprechend den dortigen Ausführungen derzeit davon ausgegangen werden müsste, dass die Klägerin über kurzfristig realisierbares Vermögen verfügt, das sie in zumutbarer Weise zur Deckung der Prozesskosten einsetzen kann

(zum Ganzen: Schultzky, in: Zöller, ZPO 34. Aufl., § 115 Rn. 55;

Fischer, in: Musielak/Voit, ZPO 19. Aufl., § 115 Rn. 54).

Er ist aber gleichwohl – aus formalen Gründen – aufzuheben, weil er nicht durch den gesetzlichen Richter (Artikel 101 Abs. 1 des Grundgesetzes) ergangen ist, nämlich durch den Einzelrichter erlassen wurde, obschon für das vorliegende Verfahren eine originäre Zuständigkeit der Kammer besteht (§ 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG in der seit 1. Januar 2021 geltenden Fassung) und nach Aktenlage auch keine Übertragung auf den Einzelrichter (§ 348a Abs. 1 ZPO) erfolgt ist.

Gemäß § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO gilt die grundsätzliche Zuweisung der bei den landgerichtlichen Zivilkammern eingehenden Verfahren an den Einzelrichter u.a. dann nicht, wenn die Zuständigkeit der Kammer nach § 72a Abs. 1 GVG begründet ist; diese Zuweisung betrifft neben dem eigentlichen Erkenntnisverfahren auch alle Nebenverfahren, einschließlich des vorliegenden Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Greger, in: Zöller, a.a.O., § 348 Rn. 2).

Saarländisches OLG 5 W 71/22

Zu den betroffenen Materien zählen nach § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG “erbrechtliche Streitigkeiten” und damit auch die vorliegend beabsichtigte, ersichtlich auf erbrechtliche Vorschriften (vgl. §§ 2215, 2218 BGB) gestützte Klage gegen die Beklagte als Testamentsvollstrecker. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht beschränkt sich der Geltungsbereich des § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht auf § 27 ZPO unterfallende Fallgestaltungen

(OLG Brandenburg, Beschluss vom 21. Februar 2022 – 1 AR 4/22 (SA Z), juris;

KG, MDR 2021, 1398;

Feldmann, in: BeckOK GVG, 16. Ed. 15.8.2022, § 72a Rn. 16b;

Mayer, in: Kissel/ Mayer, GVG 10. Aufl., § 72a Rn. 8b;

a.A. etwa Lückemann, in: Zöller, a.a.O., § 72a GVG Rn. 9; Schultzky, MDR 2020, 1).

Ob eine “in die Zuständigkeit der Landgerichte fallende Streitigkeit nach der Zivilprozessordnung über erbrechtliche Angelegenheiten im Sinne des Fünften Buches des Bürgerlichen Gesetzbuchs” (BT-Drucks. 19/13828, S. 22) vorliegt, ist vielmehr – wie sonst auch – anhand des Streitgegenstandes (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zu entscheiden, d.h. maßgeblich danach, ob die streitentscheidenden Normen solche des Erbrechts sind

(in diesem Sinne auch KG, MDR 2021, 1398).

Das ist hier unzweifelhaft der Fall.

Saarländisches OLG 5 W 71/22

Da der angefochtene Beschluss nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen ist und dieser wesentliche Mangel auch im weiteren Verfahren nach § 572 Abs. 1 ZPO nicht geheilt wurde, war er aufzuheben, und die Sache war an das Landgericht zurückzuverweisen, damit dieses in ordnungsgemäßer Besetzung erneut über den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin befinden kann.

Eine eigene Sachentscheidung durch den Senat kam nicht in Betracht; dem steht hier bereits entgegen, dass die Unzuständigkeit des Einzelrichters zum Erlass des angefochtenen Beschlusses zugleich Auswirkungen auf die Zuständigkeiten des Senats im Beschwerdeverfahren und damit auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts hat

(vgl. § 568 Satz 1 ZPO; OLG Celle, MDR 2003, 523;

Heßler, in: Zöller, a.a.O., § 572 Rn. 27).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO). Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 574 Abs. 1 und 2 ZPO), liegen nicht vor.

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