Sachverständige Schätzung der Restnutzungsdauer eines Gebäudes

Juni 9, 2025

Sachverständige Schätzung der Restnutzungsdauer eines Gebäudes

BFH, Urteil vom 23.01.2024 – IX R 14/23

RA und Notar Krau

Ein wichtiges Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Januar 2024 (Az. IX R 14/23) klärt, wie man die Abschreibung (AfA) für Gebäude richtig berechnet, insbesondere wenn die tatsächliche Nutzungsdauer kürzer ist als die gesetzlich angenommene.


Was ist AfA?

AfA steht für Absetzung für Abnutzung. Das bedeutet, dass man die Kosten für den Kauf oder Bau eines Gebäudes nicht sofort komplett von der Steuer abziehen kann. Stattdessen werden diese Kosten über viele Jahre verteilt abgeschrieben, weil das Gebäude ja über diesen Zeitraum genutzt wird und dabei an Wert verliert. Das Finanzamt geht standardmäßig von einer bestimmten Nutzungsdauer aus (oft 50 Jahre bei älteren Gebäuden).


Kürzere Nutzungsdauer: Was das Urteil sagt

Das Urteil befasst sich hauptsächlich mit der Frage, wann man eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer für ein Gebäude geltend machen kann, als das Gesetz vorsieht. Das ist wichtig, weil eine kürzere Nutzungsdauer bedeutet, dass man die Anschaffungskosten schneller abschreiben kann, was steuerlich vorteilhaft ist.

Der BFH stellt hierzu klar:

  • Jede sachverständige Methode ist erlaubt: Man kann jede Methode nutzen, die geeignet ist, eine kürzere Nutzungsdauer nachzuweisen. Das ist gut für Steuerpflichtige, weil es flexibler ist als die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung.
  • Gutachten sind entscheidend: Ein einfaches Verweisen auf modellhafte Berechnungen, wie sie in Immobilienwertermittlungsverordnungen stehen, reicht allein nicht aus. Es muss ein Sachverständigengutachten vorliegen, das die individuellen Gegebenheiten des Gebäudes berücksichtigt (z.B. den Zustand, durchgeführte Modernisierungen oder unterlassene Instandhaltungen).
  • Wirtschaftliche Entwertung reicht: Man muss nicht den technischen Verschleiß jedes einzelnen Bauteils nachweisen. Wenn das Gutachten zeigt, dass das Gebäude wirtschaftlich früher „verbraucht“ ist, also seinen Zweck nicht mehr erfüllen kann oder große Reparaturen anstehen, reicht das aus.

Sachverständige Schätzung der Restnutzungsdauer eines Gebäudes


Der konkrete Fall: Nießbrauch und Anschaffungskosten

Im vorliegenden Fall ging es um eine Klägerin, die ein vermietetes Grundstück besaß. Sie hatte ursprünglich ein Nießbrauchsrecht an diesem Grundstück geerbt. Ein Nießbrauchsrecht erlaubt es ihr, die Einnahmen aus dem Grundstück zu behalten, ohne Eigentümerin zu sein. Später kaufte sie die Hälfte des Grundstücks von einem der Erben.

Sie wollte zum einen eine kürzere Nutzungsdauer des Gebäudes (19 statt 50 Jahre) ansetzen, was das Finanzgericht (FG) auch so sah. Zum anderen wollte sie den Wert ihres Nießbrauchsrechts, das sie durch den Kauf des Miteigentumsanteils angeblich „verloren“ hatte, zu den Anschaffungskosten des Grundstücks hinzurechnen und ebenfalls abschreiben.


Das Problem mit dem Nießbrauchsrecht

Hier widerspricht der BFH dem Finanzgericht deutlich:

  • Nießbrauch geht nicht unter: Der BFH stellt klar, dass ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück nicht erlischt, nur weil der Nießbraucher selbst Eigentümer des Grundstücks wird. Das Recht bleibt bestehen, nur dass es jetzt der Eigentümer selbst innehat.
  • Keine Anschaffungskosten: Da das Nießbrauchsrecht nicht untergegangen ist und die Klägerin keine Gegenleistung erbracht hat, um dieses Recht loszuwerden oder es zu erwerben, können die Kosten dafür nicht zu den Anschaffungskosten des Grundstücks gezählt werden. Anschaffungskosten entstehen nur, wenn man ein Recht von einem Dritten kauft, um das Grundstück unbelastet zu erhalten.

Weitere wichtige Aspekte

Der BFH hat den Fall an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil noch nicht alle Punkte geklärt waren. Eine wichtige Sache ist die Frage, ob die Klägerin durch die Übernahme von Schulden, die auf dem Grundstück lasteten, als sie das Nießbrauchsrecht erhielt, damals Anschaffungskosten für das Nießbrauchsrecht hatte. Wenn ja, könnte sie diese Kosten über die Laufzeit des Nießbrauchs abschreiben. Das Finanzgericht muss jetzt klären, wie hoch diese Schulden waren.


Fazit

Das Urteil ist eine wichtige Klarstellung für alle Immobilienbesitzer:

  • Es ist möglich, eine kürzere AfA-Dauer geltend zu machen, aber man braucht ein fundiertes Sachverständigengutachten.
  • Der Wert eines Nießbrauchsrechts wird nicht automatisch zu den Anschaffungskosten des Grundstücks, wenn der Nießbraucher das Eigentum erwirbt.
  • Im Einzelfall können aber Kosten, die für die Errichtung oder den Erwerb eines Nießbrauchsrechts selbst angefallen sind (z.B. durch Übernahme von Schulden), ebenfalls abgeschrieben werden.

Dieses Urteil gibt Steuerpflichtigen mehr Sicherheit, wie sie bei der Abschreibung von Gebäuden vorgehen können, insbesondere wenn die Immobilie älter ist oder besonderen Belastungen unterliegt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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