Satzungsdurchbrechende Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter

März 26, 2025

Satzungsdurchbrechende Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter

RA und Notar Krau

Das Landgericht Hannover (LG Hannover) hat in einem Urteil vom 16. August 2022 (Aktenzeichen: 32 O 116/22) entschieden,

dass eine satzungsdurchbrechende Abberufung eines Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung einer GmbH unter bestimmten Umständen unwirksam sein kann.

Der Fall betraf eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter ein Verein war und deren Satzung vorsah, dass die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers dem Aufsichtsrat obliegt.

Sachverhalt

Der Kläger, der Geschäftsführer der GmbH, wehrte sich gegen seine Abberufung durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung.

Die Satzung der GmbH bestimmte, dass der Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers zuständig ist.

Der alleinige Gesellschafter, der Verein, hatte jedoch eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einberufen und den Geschäftsführer abberufen.

Satzungsdurchbrechende Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter

Entscheidung des Gerichts

Das LG Hannover entschied, dass die Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung unwirksam war.

Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

Satzungsgemäße Zuständigkeit:

Gemäß § 7 des Gesellschaftsvertrags der GmbH war der Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers zuständig.

Die Gesellschafterversammlung hatte diese Zuständigkeit nicht.

Das Gericht wies darauf hin, dass eine „punktuelle Satzungsdurchbrechung“, bei der sich die Wirkung auf die betreffende Maßnahme beschränkt, grundsätzlich möglich sei.

Im vorliegenden Fall ging es jedoch um eine „zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung“, da die Abberufung des Geschäftsführers die Bestellung eines neuen Geschäftsführers erforderlich machte.

Da der Aufsichtsrat aufgrund einer Pattsituation handlungsunfähig war, hätte die Bestellung eines neuen Geschäftsführers

entweder durch die Gesellschafterversammlung oder durch einen vom Amtsgericht bestellten Notgeschäftsführer erfolgen müssen.

Beide Optionen stellen jedoch eine Satzungsdurchbrechung dar.

Unwirksamkeit der zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung:

Das Gericht stellte klar, dass eine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung unwirksam ist, wenn der Beschluss nicht gleichzeitig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird.

Dies war im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Satzungsdurchbrechende Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter

Keine „Sonderkompetenz“ der Gesellschafterversammlung bei wichtigem Grund:

Das Gericht wies die Argumentation der Beklagten zurück, dass die Gesellschafterversammlung auch bei satzungsgemäßer Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur Abberufung des Geschäftsführers berechtigt sei,

wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

Das Gericht betonte, dass die Gesellschafter sich bei Übertragung der Abberufungskompetenz auf ein anderes Organ im Gesellschaftsvertrag

die Zuständigkeit für die Abberufung aus wichtigem Grund vorbehalten können.

Da dies nicht geschehen war, stand der Gesellschafterversammlung keine allgemeine Befugnis zur Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund zu.

Widerspruch zum „Geist“ des Gesellschaftsvertrags:

Das Gericht sah die Abberufung durch den alleinigen Gesellschafter als Widerspruch zum „Geist“ des Gesellschaftsvertrags.

Die Satzung sah eine gleichgewichtige Mitbestimmung der Kapitalgeberseite bei der Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern vor,

die durch die Entscheidung der Gesellschafterversammlung untergraben wurde.

Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil des LG Hannover verdeutlicht, dass die satzungsmäßige Kompetenzverteilung in einer GmbH beachtet werden muss.

Eine Abberufung eines Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung ist grundsätzlich unwirksam, wenn die Satzung die Zuständigkeit dem Aufsichtsrat zuweist.

Dies gilt auch dann, wenn ein wichtiger Grund für die Abberufung vorliegt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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