Schadensersatz für Teilnahme an Online-Glücksspielen
OLG Brandenburg, 16.10.2023 – 2 U 36/22
RA und Notar Krau
Ein Spieler (Kläger) hat zwischen 2017 und 2019 viel Geld bei Online-Glücksspielen verloren, die von einer Firma (Beklagte) aus Malta angeboten wurden. Er wollte seine Verluste zurückhaben, weil er meinte, die Glücksspiele seien in Deutschland illegal gewesen.
In Deutschland war es nach dem damaligen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2012) grundsätzlich verboten, öffentliche Glücksspiele im Internet anzubieten. Es gab nur wenige Ausnahmen, zum Beispiel für Sportwetten, aber nicht für Online-Casinos oder virtuelle Automatenspiele. Die Beklagte hatte keine deutsche Lizenz für solche Spiele.
Der Spieler sagte, die Verträge, die er mit der Glücksspielfirma geschlossen hatte, seien ungültig. Da das Angebot illegal war, müsse die Firma ihm das verlorene Geld zurückzahlen. Er wusste angeblich nicht, dass die Spiele illegal waren.
Die Firma wehrte sich:
Sie habe eine Lizenz aus Malta und dürfe ihre Dienste aufgrund der EU-Dienstleistungsfreiheit auch in Deutschland anbieten. Das deutsche Verbot sei nicht mit EU-Recht vereinbar.
Die deutschen Gesetze seien nicht dazu da, private Verträge ungültig zu machen. Es gebe ja schon andere Strafen (Bußgelder, Strafverfolgung).
Der Spieler hätte wissen müssen, dass die Spiele rechtlich umstritten waren, da es viele Medienberichte gab. Wer wissentlich an einem illegalen Spiel teilnimmt, soll sein Geld nicht zurückfordern können.
Der Spieler habe ja auch Gewinnchancen gehabt und Gewinne ausgezahlt bekommen.
Die Forderung sei verjährt.
Sie sei ohnehin nur zu 15% bereichert, da 85% der Einsätze als Gewinne an die Spieler ausgeschüttet werden müssten.
Das Landgericht gab dem Spieler größtenteils recht. Es verurteilte die Glücksspielfirma dazu, dem Spieler 60.595,95 € zurückzuzahlen.
Das Gericht begründete dies damit, dass:
Deutsche Gerichte zuständig seien, weil der Spieler ein Verbraucher war.
Deutsches Recht gelte.
Die Spielverträge wegen des Verstoßes gegen das Internetverbot im Glücksspielstaatsvertrag 2012 ungültig waren (§ 134 BGB).
Das deutsche Verbot mit dem EU-Recht vereinbar war, da es dem Schutz der Spieler und der Betrugsvorbeugung diente.
Der Spieler sein Geld zurückfordern durfte, weil er nicht wusste, dass die Spiele illegal waren, und die Firma sich nicht auf die „Schwarzgeld-Regel“ (Ausschluss der Rückforderung bei beidseitigem Gesetzesverstoß) berufen konnte.
Die Verjährung noch nicht eingetreten war.
Die Glücksspielfirma legte Berufung ein und wiederholte ihre Argumente. Sie wies auch darauf hin, dass es inzwischen einen neuen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2021) gibt, der Online-Casinos unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Außerdem habe sie mittlerweile selbst eine Lizenz für virtuelle Automatenspiele erhalten. Sie beantragte auch, den Fall zum Europäischen Gerichtshof zu schicken, um die Vereinbarkeit des alten deutschen Verbots mit dem EU-Recht klären zu lassen.
Das OLG Brandenburg wies die Berufung der Glücksspielfirma zurück. Das bedeutet, das Urteil des ersten Gerichts blieb bestehen, und der Spieler hat weiterhin Anspruch auf sein Geld.
Das OLG bestätigte die Argumente des Landgerichts:
Die deutschen Gerichte waren zuständig, auch wenn der Spieler einen Prozessfinanzierer eingeschaltet hatte.
Die Verträge waren nach wie vor ungültig, weil sie gegen das damalige deutsche Internetverbot verstießen. Das Verbot war wirksam und diente dem Spielerschutz.
Das OLG sah keinen Grund, den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Die Grundsätze zur Vereinbarkeit solcher Verbote mit EU-Recht seien bereits geklärt. Das damalige deutsche Verbot war gerechtfertigt, um Spielsucht und Betrug zu verhindern.
Der neue GlüStV 2021, der Online-Glücksspiele unter bestimmten Bedingungen erlaubt, ändert nichts an der Gültigkeit der alten Verträge. Es zählt das Recht, das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses galt. Die nachträgliche Erteilung einer Lizenz an die Firma ändert ebenfalls nichts.
Der Spieler musste nicht wissen, dass die Spiele illegal waren. Die Firma konnte nicht beweisen, dass der Spieler sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschlossen hatte. Daher durfte der Spieler sein Geld zurückfordern.
Die vom Landgericht festgestellte Höhe der Verluste des Spielers (60.595,95 €) wurde bestätigt. Die Argumente der Firma zur Mindestausschüttungsquote wurden nicht berücksichtigt, da sie zu spät vorgebracht wurden und in der Sache nicht überzeugten.
Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass Online-Glücksspielanbieter, die vor dem 1. Juli 2021 (Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags) ohne deutsche Lizenz Online-Casinospiele angeboten haben, die Spieleinsätze an die Spieler zurückzahlen müssen. Die Verträge waren ungültig, weil sie gegen das damalige Verbot verstießen, und dieses Verbot war auch mit dem EU-Recht vereinbar.
Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, da die Frage der Nichtigkeit solcher Spielverträge eine wichtige und noch nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage ist. Das bedeutet, dass der Bundesgerichtshof das letzte Wort in dieser Angelegenheit haben könnte.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.