Schadensersatz gegen Veranstalter unerlaubten Online-Glücksspiels

Juni 19, 2025

Schadensersatz gegen Veranstalter unerlaubten Online-Glücksspiels

OLG Braunschweig Urteil vom 30.10.2024 – 9 U 78/23

RA und Notar Krau

In Deutschland können Spieler, die durch die Teilnahme an unerlaubten Online-Glücksspielen Geld verloren haben, dieses unter bestimmten Voraussetzungen vom Veranstalter zurückfordern. Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat dies in einem Urteil vom 30. Oktober 2024 bestätigt.


Warum können Spieler ihr Geld zurückfordern?

Der Kernpunkt ist, dass die Veranstaltung von Online-Glücksspielen in Deutschland lange Zeit generell verboten war oder einer Erlaubnis bedurfte, die viele Anbieter nicht hatten. Dieses Verbot dient dem Schutz der Spieler. Wenn ein Veranstalter gegen dieses Verbot verstößt, handelt er widerrechtlich und macht sich schadensersatzpflichtig.

Die rechtliche Grundlage dafür ist § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Verbindung mit § 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV). Der GlüStV ist ein Schutzgesetz, das heißt, er soll nicht nur der Allgemeinheit, sondern auch einzelnen Personen, nämlich den Spielern, vor Schaden bewahren. Die Gerichte sehen den Schutz vor Glücksspielsucht, Betrug und finanziellen Verlusten als Hauptziele dieses Gesetzes.


Was bedeutet „unerlaubtes Online-Glücksspiel“?

Bis zum 30. Juni 2021 war das Veranstalten von Glücksspielen im Internet in Deutschland grundsätzlich verboten. Ab dem 1. Juli 2021 trat der neue GlüStV 2021 in Kraft, der Online-Glücksspiele unter bestimmten, strengen Auflagen erlaubt. Wichtig ist: Der Anbieter muss eine gültige deutsche Erlaubnis besitzen. Hat er diese nicht, ist sein Angebot weiterhin unerlaubt. Es spielt keine Rolle, ob der Anbieter eine Lizenz aus einem anderen Land, wie z.B. Malta, besitzt; diese wird in Deutschland nicht automatisch anerkannt.


Was ist mit der „Mitschuld“ des Spielers?

Oft versuchen die Glücksspielanbieter, den Spielern eine Mitschuld am Verlust anzulasten, indem sie behaupten, die Spieler hätten wissen müssen, dass das Angebot illegal war (z.B. aufgrund von Medienberichten). Das OLG Braunschweig hat jedoch klargestellt, dass der Anbieter beweisen muss, dass der Spieler tatsächlich Kenntnis vom Verbot hatte oder grob fahrlässig unwissend war. Ein allgemeiner Hinweis auf „umfangreiche Medienberichterstattung“ reicht dafür nicht aus. Spieler sind nicht verpflichtet, ständig die Medien auf solche Informationen zu überprüfen.

Schadensersatz gegen Veranstalter unerlaubten Online-Glücksspiels


Was passiert, wenn der Anspruch verjährt ist?

Ein Anspruch auf Schadensersatz kann nach einer bestimmten Zeit verjähren. Selbst wenn der direkte Schadensersatzanspruch verjährt ist, können Spieler ihr Geld trotzdem noch zurückfordern. Dies geschieht dann über das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 852 BGB). Das bedeutet, der Veranstalter hat das Geld ohne rechtlichen Grund erhalten und muss es zurückgeben. Im konkreten Fall des Urteils konnte der Spieler seine Verluste bis zum 1. Januar 2020 aufgrund Verjährung nicht mehr über den Bereicherungsanspruch zurückfordern, aber der deliktische Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 852 BGB war nicht verjährt.


Der konkrete Fall

Im vorliegenden Fall hatte ein Kläger zwischen Juli 2018 und November 2022 auf der Webseite eines Online-Glücksspielanbieters (der Beklagten) Geld verloren. Das Landgericht Braunschweig gab dem Kläger zunächst vollständig Recht, und das OLG Braunschweig bestätigte dies weitgehend. Der Spieler erhielt 19.984,91 Euro seiner Verluste zurück.


Sind die deutschen Regelungen überhaupt rechtmäßig?

Die Glücksspielanbieter argumentieren oft, dass die deutschen Gesetze gegen EU-Recht verstoßen, insbesondere gegen die Dienstleistungsfreiheit. Das Gericht hat jedoch entschieden, dass die deutschen Regelungen, die Online-Glücksspiele einschränken oder verbieten, zulässig sind.

Die Gerichte sind der Auffassung, dass Deutschland legitime Ziele verfolgt, wie den Schutz der Verbraucher, die Vermeidung von Spielsucht und die Bekämpfung von Betrug. Die Besonderheiten des Online-Glücksspiels, wie der leichte und ständige Zugang, die Anonymität und das hohe Suchtpotenzial, rechtfertigen strengere Regeln im Vergleich zu traditionellen Glücksspielen. Auch die Argumentation, dass der Staat selbst durch Lotterien oder Sportwetten Anreize zum Spielen schafft und damit inkonsistent handelt, wurde vom Gericht zurückgewiesen.


Zusammenfassend lässt sich sagen: Wenn Sie in Deutschland bei einem Online-Glücksspielanbieter Geld verloren haben, der keine gültige deutsche Lizenz besaß, bestehen gute Chancen, dass Sie Ihr Geld zurückfordern können. Die Gerichte sehen den Schutz der Spieler als vorrangiges Ziel und stufen die Anbieter als schadensersatzpflichtig ein.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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