Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen Beschädigung der Mietwohnung erfordert keine vorherige Fristsetzung zur Schadensbeseitigung

Juni 9, 2025

Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen Beschädigung der Mietwohnung erfordert keine vorherige Fristsetzung zur Schadensbeseitigung

Zusammenfassung des BGH-Urteils vom 28.02.2018 (VIII ZR 157/17)

AG Bad Neustadt, Entscheidung vom 06.10.2016 – 1 C 471/12 –

LG Schweinfurt, Entscheidung vom 30.06.2017 – 22 S 2/17 –

RA und Notar Krau


Urteil des Bundesgerichtshofs: Wer zahlt bei Schäden in der Mietwohnung nach Auszug?

Darum ging es:

Ein Mieter, der von 2004 bis Anfang 2012 in einer Wohnung in H. lebte, zog aus. Die Wohnung wurde Ende Februar 2012 zurückgegeben. Der Vermieter stellte danach verschiedene Schäden fest, darunter Schimmelbefall durch falsches Heiz- und Lüftungsverhalten des Mieters, Kalkschäden an Armaturen und Lackschäden an einem Heizkörper. Außerdem konnte die Wohnung wegen dieser Schäden erst ab August 2012 weitervermietet werden, wodurch dem Vermieter Mieteinnahmen entgingen.

Der Vermieter verlangte Schadensersatz vom ehemaligen Mieter. Er hatte dem Mieter aber keine Frist gesetzt, die Schäden selbst zu beheben. Genau das war der Knackpunkt: Muss ein Vermieter dem Mieter erst eine Chance geben, die Schäden zu reparieren, bevor er Schadensersatz verlangen kann?

Das Landgericht Schweinfurt gab dem Vermieter Recht und sprach ihm Schadensersatz in Höhe von 5.171 € zu. Der Mieter legte dagegen Revision ein, wollte also, dass das Urteil überprüft wird.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH):

Der BGH bestätigte das Urteil des Landgerichts und wies die Revision des Mieters zurück. Das bedeutet, der Mieter muss den Schadensersatz zahlen.

Die Begründung des BGH – einfach erklärt:

Der BGH erklärte, dass der Vermieter hier Schadensersatz „neben der Leistung“ verlangen konnte. Das ist wichtig, denn bei dieser Art von Schadensersatz ist keine Fristsetzung nötig.

Was ist der Unterschied zwischen „Schadensersatz neben der Leistung“ und „Schadensersatz statt der Leistung“?

Stellen Sie sich vor, der Mieter hätte die Wohnung nicht zurückgegeben. Dann könnte der Vermieter „Schadensersatz statt der Leistung“ verlangen, weil die Hauptleistung (Rückgabe der Wohnung) nicht erbracht wurde. In solchen Fällen ist oft eine Frist nötig.

Hier ging es aber um Schäden, die durch die Verletzung einer Nebenpflicht des Mieters entstanden sind. Der Mieter hat die Wohnung zwar zurückgegeben, aber nicht pfleglich behandelt. Das ist wie ein Schaden, der zusätzlich zur eigentlichen Leistungspflicht (Wohnungsrückgabe) entstanden ist. Für solche Schäden, die das Eigentum des Vermieters beschädigen, braucht es keine vorherige Fristsetzung zur Nachbesserung. Der Vermieter kann den Schaden direkt in Geld ersetzt verlangen oder die Reparatur selbst in Auftrag geben.

Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen Beschädigung der Mietwohnung erfordert keine vorherige Fristsetzung zur Schadensbeseitigung

Die Argumente des BGH im Detail:

  1. Pflichten des Mieters: Jeder Mieter hat eine Obhutspflicht. Das bedeutet, er muss die gemietete Sache pfleglich behandeln und Schäden vermeiden, die über den normalen Gebrauch hinausgehen. Wenn er diese Pflicht verletzt und dadurch Schäden entstehen, ist das eine Verletzung einer sogenannten „Nebenpflicht“ aus dem Mietvertrag.
  2. Schadensersatz bei Nebenpflichtverletzung: Bei der Verletzung einer Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) entsteht ein Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB). Das bedeutet, der Vermieter kann direkt Ersatz für die entstandenen Schäden verlangen, ohne dem Mieter vorher eine Frist zur Reparatur setzen zu müssen.
  3. Zustand der Wohnung bei Rückgabe: Der BGH betonte, dass der Zustand der Wohnung bei der Rückgabe für die eigentliche Pflicht zur Rückgabe selbst unerheblich ist. Der Mieter muss die Wohnung zurückgeben, auch wenn sie beschädigt ist. Der Vermieter kann die Annahme der Wohnung nicht verweigern, nur weil sie Schäden aufweist. Er kann aber wegen der Schäden Schadensersatz verlangen.
  4. Wahlrecht des Vermieters: Der BGH stellte klar, dass der Vermieter, wenn er Schadensersatz verlangt, die Wahl hat: Er kann entweder verlangen, dass der Mieter den ursprünglichen Zustand wiederherstellt (sogenannte Naturalrestitution) oder dass er den Geldbetrag zahlt, der für die Reparatur nötig ist (sogenannter Geldersatz). Der Vermieter muss dem Mieter nicht die Möglichkeit geben, die Schäden selbst zu beheben, wenn er Geldersatz verlangt. Das würde die gesetzliche Regelung auf den Kopf stellen.
  5. Deliktische Ansprüche: Der Vermieter kann Schadensersatz auch auf Basis des Eigentumsrechts (§ 823 Abs. 1 BGB) geltend machen. Auch hier ist keine Fristsetzung erforderlich. Vertragliche und deliktische Ansprüche können also nebeneinander bestehen.
  6. Mietausfallschaden: Der Mieter hatte auch argumentiert, dass der Mietausfallschaden nicht geltend gemacht werden könne, weil keine Frist zur Behebung der Schäden gesetzt wurde. Der BGH lehnte dies ab. Da der Vermieter die Schäden nicht vom Mieter beheben lassen musste (wegen des Rechts auf Geldersatz), war auch keine Frist für eine „Herstellungspflicht“ nötig, die einen Mietausfallschaden hätte verhindern können.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Wenn ein Mieter durch unsachgemäßen Gebrauch oder mangelnde Obhutspflicht Schäden in der Wohnung verursacht, die über die normale Abnutzung hinausgehen, dann kann der Vermieter nach dem Auszug des Mieters direkt Schadensersatz in Geld verlangen. Er muss dem Mieter keine Frist setzen, die Schäden selbst zu reparieren. Dies gilt auch für Folgeschäden wie Mietausfall. Der Vermieter hat das Recht, die Schäden in eigener Regie beheben zu lassen und die Kosten dafür vom Mieter einzufordern.


Wichtige Begriffe aus dem Urteil:

  • Obhutspflicht: Die Pflicht des Mieters, die Mietsache sorgfältig zu behandeln.
  • Schadensersatz neben der Leistung: Ersatz für Schäden, die zusätzlich zur eigentlichen Vertragserfüllung entstehen, oft bei Verletzung von Nebenpflichten. Hier ist keine Fristsetzung zur Nachbesserung nötig.
  • Schadensersatz statt der Leistung: Ersatz für Schäden, die entstehen, weil eine Hauptleistung nicht erbracht wird oder mangelhaft ist. Hier ist oft eine Fristsetzung zur Nachbesserung nötig.
  • Naturalrestitution: Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.
  • Geldersatz: Zahlung des Geldbetrags, der für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nötig ist.
  • § 280 Abs. 1 BGB: Allgemeine Anspruchsgrundlage für Schadensersatz bei Pflichtverletzungen.
  • § 241 Abs. 2 BGB: Regelt die Nebenpflichten (Schutzpflichten) im Schuldverhältnis.
  • § 823 Abs. 1 BGB: Anspruchsgrundlage für Schadensersatz aus unerlaubter Handlung (z.B. Beschädigung des Eigentums).

Dieses Urteil stärkt die Position von Vermietern, die nach Auszug eines Mieters Schäden feststellen, die nicht auf normale Abnutzung zurückzuführen sind. Es stellt klar, dass sie nicht verpflichtet sind, dem Mieter eine zweite Chance zur Reparatur zu geben, sondern direkt Schadensersatz fordern können.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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