Schadensersatzanspruch eines Vermächtnisnehmers gegen den Nachlasspfleger – OLG Nürnberg Urteil vom 29. November 2016 – 6 U 2145/15

Juli 7, 2020

Schadensersatzanspruch eines Vermächtnisnehmers gegen den Nachlasspfleger – OLG Nürnberg Urteil vom 29. November 2016 – 6 U 2145/15

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Der Erblasser verstarb am 14. Januar 2009 und hinterließ ein handschriftliches Testament vom 9. Dezember 2002, in dem er verfügte, dass seine Nichte (die Klägerin) sein Grundstück samt Haus erhalten solle, während seine zweite Ehefrau (die Witwe) den restlichen Nachlass als Alleinerbin erhalten sollte.

Nach dem Tod des Erblassers schlug die Witwe das Erbe aus, nachdem die Klägerin zunächst Klage erhoben hatte, um das Grundstück übertragen zu bekommen.

Daraufhin wurde eine Nachlasspflegschaft zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie zur Ermittlung der Erben angeordnet.

Der Nachlasspfleger war zunächst Rechtsanwalt Dr. X, später wurde er durch Rechtsanwalt Y ersetzt.

Die Witwe erhob Klage gegen die unbekannten Erben auf Zahlung eines restlichen Pflichtteils in Höhe von 36.298,89 Euro.

Während dieser Zeit nahm die Klägerin das Grundstück in Besitz und forderte vom Nachlasspfleger die Erfüllung des Vermächtnisses.

Der Nachlasspfleger beantragte schließlich die Zustimmung des Nachlassgerichts zur Übereignung des Grundstücks an die Klägerin, was jedoch durch diverse rechtliche Auseinandersetzungen verzögert wurde.

Erstinstanzliches Urteil

Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied, dass die Beklagten das Grundstück an die Klägerin übereignen und die Kosten der Rechtsänderung tragen müssen.

Schadensersatzanspruch eines Vermächtnisnehmers gegen den Nachlasspfleger – OLG Nürnberg Urteil vom 29. November 2016 – 6 U 2145/15

Zudem stellte es fest, dass die Beklagten der Klägerin Schadensersatz wegen entgangenen Mietzinses und getätigter Aufwendungen schulden.

Berufungsurteil

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hob dieses Urteil teilweise auf.

Es wies die Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten ab und entschied, dass die Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat.

Das OLG führte aus, dass der Nachlasspfleger nicht verpflichtet gewesen sei, das Vermächtnis zu erfüllen, bevor die Pflichtteilsansprüche der Witwe geklärt waren.

Da die Klägerin keine ausreichende Sicherheit für den Pflichtteilsanspruch der Witwe geleistet hatte, sei der Nachlasspfleger im Interesse der unbekannten Erben berechtigt gewesen, die Übereignung des Grundstücks zu verweigern.

Begründung

Verzug und Mahnung:

Die Klägerin konnte keine ausreichenden Beweise vorlegen, dass sie den Nachlasspfleger ordnungsgemäß gemahnt hatte.

Auch wenn eine Mahnung erfolgt wäre, befanden sich die Erben aufgrund der unklaren Rechtslage bezüglich der Pflichtteilsansprüche der Witwe nicht in Verzug.

Pflichten des Nachlasspflegers:

Der Nachlasspfleger war hauptsächlich für die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses zuständig und nicht für die Erfüllung von Vermächtnissen.

Schadensersatzanspruch eines Vermächtnisnehmers gegen den Nachlasspfleger – OLG Nürnberg Urteil vom 29. November 2016 – 6 U 2145/15

Zudem benötigte er für die Übereignung des Grundstücks die Zustimmung des Nachlassgerichts, die nicht erteilt worden war.

Sicherheit für Pflichtteilsansprüche:

Die Klägerin hatte lediglich die Belastung des Grundstücks mit einer Grundschuld angeboten, was der Nachlasspfleger im Interesse der Erben nicht akzeptieren musste.

Er hätte eine Hinterlegung eines Geldbetrags verlangen können, was nicht angeboten wurde.

Unterlassene Vermietung:

Der Nachlasspfleger war nicht verpflichtet, das Haus zu vermieten, und die Klägerin konnte sich daher auch nicht auf entgangene Mieteinnahmen berufen.

Schadensersatzansprüche:

Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Vermietung oder Nutzung des Grundstücks durch die Klägerin wurde ebenfalls abgewiesen, da der Nachlasspfleger nicht pflichtwidrig gehandelt hatte.

Übereignung des Grundstücks:

Obwohl die Klägerin seit August 2015 das Haus vermietet, konnte sie ihre Ansprüche nicht auf die unterlassene Übereignung stützen, da die Zustimmung des Nachlassgerichts weiterhin erforderlich war.

Schadensersatzanspruch eines Vermächtnisnehmers gegen den Nachlasspfleger – OLG Nürnberg Urteil vom 29. November 2016 – 6 U 2145/15

Konsequenzen

Das Urteil des OLG Nürnberg verdeutlicht die Komplexität von Nachlasspflegschaften und die Pflichten des Nachlasspflegers.

Es stellt klar, dass der Nachlasspfleger primär den Nachlass sichern und verwalten soll und nicht ohne Weiteres Vermächtnisse erfüllen muss, insbesondere wenn unklare Pflichtteilsansprüche im Raum stehen.

Des Weiteren unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit der rechtlichen Klärung und Genehmigung durch das Nachlassgericht bei der Übereignung von Immobilien aus einem Nachlass.

Weiteres Verfahren

Der Fall wurde zur weiteren Bearbeitung und Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtsstreits an das Landgericht zurückverwiesen. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Entlassung des Testamentsvollstreckers

Entlassung des Testamentsvollstreckers

März 17, 2025
Entlassung des TestamentsvollstreckersAG Nürnberg, Beschl. v. 9.1.2024 – 35 VI 6726/20RA und Notar KrauDas Am…
Benennung eines Ersatztestamentsvollstreckers

Benennung eines Ersatztestamentsvollstreckers

März 17, 2025
Benennung eines ErsatztestamentsvollstreckersKG, Beschl. v. 21.10.2024 – 19 W 100/24 (AG Spandau Beschl. v….
Antragsbefugnis für Erbscheinserteilung bei ungeteilter Erbengemeinschaft

Antragsbefugnis für Erbscheinserteilung bei ungeteilter Erbengemeinschaft

März 17, 2025
Antragsbefugnis für Erbscheinserteilung bei ungeteilter ErbengemeinschaftKG, Beschl. v. 19.8.2024 – 19 W 70/24 (…