Schadensersatzklage – Die Anforderung an die Klageschrift zur Schadensersatzhöhe

Oktober 9, 2025

Schadensersatzklage – Die Anforderung an die Klageschrift zur Schadensersatzhöhe

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Juni 2025 – VI ZR 204/23

Schadensersatzklage und die Höhe des Schadensersatzes

Eine Schadensersatzklage wird erhoben, wenn jemand von einer anderen Person einen Ausgleich für einen erlittenen Schaden, beispielsweise durch eine unerlaubte Handlung, verlangt. Ein wichtiger Punkt ist dabei, wie die Höhe des geforderten Schadensersatzes im Klageantrag formuliert werden muss.

Die Anforderung an die Klageschrift zur Schadensersatzhöhe

Grundsätzlich verlangt das deutsche Zivilprozessrecht (§253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), dass der Kläger in seiner Klageschrift einen bestimmten Antrag stellt, also genau angibt, was er vom Gericht verlangt (z.B. die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags).

Die Besonderheit bei der Schadensschätzung (§287 ZPO)

Für die Bemessung der Schadenshöhe gelten jedoch Besonderheiten. Der zuständige Richter (der sogenannte Tatrichter) hat bei der Schätzung des Schadens nach §287 Abs. 1 ZPO einen gewissen Ermessensspielraum. Das bedeutet, dass der Kläger nicht immer auf den Cent genau beweisen muss, wie hoch sein Schaden ist.

Diesen Spielraum nutzt die Rechtsprechung:

Ausreichende Spezifizierung: Es ist zulässig, die genaue Höhe des geforderten materiellen Schadens in das Ermessen des Gerichts zu stellen.

Erforderliche Angaben: Gleichzeitig muss der Kläger aber

einen Mindestbetrag nennen, den er mindestens erhalten will, und

die tatsächlichen Grundlagen angeben, auf denen die Schadensschätzung des Gerichts basieren soll.

Ein Zahlungsantrag, der diese beiden Punkte beachtet, ist zulässig – er ist nicht zu unbestimmt und genügt den Anforderungen an eine Klageschrift.

Der Fall vor dem Bundesgerichtshof: Unterhaltsschaden

Das Urteil des BGH (VI ZR 204/23) betraf eine Klage von Hinterbliebenen (Ehemann und Kind) gegen einen früheren Arzt auf Ersatz des Unterhaltsschadens (§844 Abs. 2 BGB), nachdem die Ehefrau und Mutter aufgrund der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge durch den Arzt verstorben war.

Schadensersatzklage – Die Anforderung an die Klageschrift zur Schadensersatzhöhe

Die Klage der Hinterbliebenen

Die Hinterbliebenen forderten eine monatliche Geldrente, deren Höhe sie in das Ermessen des Gerichts stellten, aber mit Mindestbeträgen von 500 € (Vater) und 400 € (Kind). Sie lieferten auch die tatsächlichen Grundlagen für die Schätzung, wie zum Beispiel:

Die verstorbene Frau führte den Haushalt.

Der Vater war berufstätig mit einem Nettoeinkommen von 4.600 €.

Monatliche Fixkosten des Haushalts (1.660 €).

Informationen zur schulischen und beruflichen Situation des Sohnes.

Die Entscheidung des BGH

Fehler des Oberlandesgerichts (OLG):

Das OLG hatte die Klageanträge als unzulässig abgewiesen, weil es einen unbezifferten Antrag bei materiellem Schadensersatz grundsätzlich ablehnte und die Darlegung der tatsächlichen Umstände durch die Kläger für ungenügend hielt.

Korrektur durch den BGH:

Der BGH hob das Urteil des OLG auf und verwies den Fall zurück.

Der BGH bestätigte seine ständige Rechtsprechung: Ein Antrag auf materiellen Schadensersatz ist zulässig, wenn ein Mindestbetrag und die tatsächlichen Grundlagen für die richterliche Schätzung nach §287 ZPO angegeben werden – dies gilt auch für den Unterhaltsschaden.

Der BGH rügte, dass das OLG den Vortrag der Hinterbliebenen zu den tatsächlichen Umständen (Einkommen, Haushaltsführung, etc.) ignoriert oder die Anforderungen an diesen Vortrag überspannt hatte.

Pflicht zur Schätzung:

Steht der Anspruch dem Grunde nach fest und muss nur noch die Höhe ermittelt werden, darf das Gericht die Klage nicht vollständig abweisen. Stattdessen muss der Schaden nach §287 Abs. 1 ZPO geschätzt werden. Eine vollständige Abweisung ist nur möglich, wenn keinerlei brauchbare Anhaltspunkte, auch nicht für eine Mindestschätzung, dargetan sind. Die Hinterbliebenen hatten hier aber ausreichend vorgetragen, so dass das Gericht hätte schätzen müssen, gegebenenfalls unter Hinzuziehung anerkannter Tabellenwerke.

Fazit

Für eine Schadensersatzklage gilt: Um die Höhe des materiellen Schadensersatzes vor Gericht erfolgreich geltend zu machen, muss der Kläger nicht zwingend einen exakten Betrag nennen. Es genügt, die Höhe in das Ermessen des Gerichts zu stellen, solange er:

einen Mindestbetrag angibt, und

alle relevanten Tatsachen vorträgt, die dem Gericht die Schätzung des Schadens ermöglichen.

Werden diese Voraussetzungen erfüllt und ist der Anspruch dem Grunde nach gegeben, hat das Gericht die Pflicht zur Schadensschätzung.

RA und Notar Krau

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