Scheidungsfolgenvereinbarung durch Urkunde mit zwei gleichwertigen Sprachfassungen

Juni 30, 2025

Scheidungsfolgenvereinbarung durch Urkunde mit zwei gleichwertigen Sprachfassungen

Gericht: BGH 12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 20.03.2019
Aktenzeichen: XII ZB 310/18

RA und Notar Krau

Was ist hier passiert?

Ein Ehepaar, ein deutscher Ehemann und eine britische Ehefrau, schloss 1995 einen Ehevertrag bei einem Notar. Die Ehefrau sprach nicht gut Deutsch, daher gab es neben der deutschen Fassung auch eine englische Übersetzung, die dem Vertrag beigefügt wurde. Im Ehevertrag wurde unter anderem der Zugewinnausgleich und der Versorgungsausgleich ausgeschlossen.

Das bedeutet, dass bei einer Scheidung normalerweise keine Vermögenszuwächse oder Rentenanwartschaften zwischen den Eheleuten aufgeteilt werden sollten.

Im deutschen Text des Vertrages stand, dass nur Vermögen, das aus „Einkommensrücklagen“ gebildet wird, den Ehepartnern hälftig zusteht. In der englischen Übersetzung hieß es jedoch allgemeiner: „Neu erworbenes Eigentum in unserer Ehe gehört uns zur Hälfte.“

Dies führte zu einem Widerspruch: Der Ehemann meinte, nur private Ersparnisse seien gemeint, nicht aber sein Firmenvermögen. Die Ehefrau verstand die englische Fassung so, dass jeglicher Vermögenszuwachs geteilt werden sollte, da dies in England üblich sei.

Als sich das Paar 2014 trennte und der Ehemann die Scheidung einreichte, wollte die Ehefrau den Ehevertrag anfechten. Das Amtsgericht wies ihre Klage ab, aber das Oberlandesgericht Hamm entschied, der Ehevertrag sei wegen eines „versteckten Einigungsmangels“ (die unterschiedlichen Bedeutungen in den Sprachfassungen) nichtig.

Das bedeutet, der Vertrag wäre ungültig gewesen. Der Ehemann legte dagegen Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein.

Was hat der BGH entschieden?

Der BGH hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und den Fall zurückverwiesen. Er stellte klar, dass der Ehevertrag nicht automatisch unwirksam ist, nur weil es unterschiedliche Sprachfassungen gab oder der Notar nicht alles perfekt übersetzt hat.

Hier die wichtigsten Punkte:

Zweisprachige Urkunde vs. Übersetzung:

Der BGH hat genauer unterschieden, wann eine Urkunde wirklich in zwei gleichwertigen Sprachen bindend ist und wann eine fremdsprachige Fassung lediglich eine Übersetzung ist, die zu Beweiszwecken beigefügt wird. Im vorliegenden Fall sah der BGH keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Ehevertrag wirklich als gleichwertig zweisprachige Urkunde beurkundet werden sollte. Vielmehr deutete alles darauf hin, dass die englische Fassung eine beigefügte Übersetzung war.

Fehler bei der Übersetzung/Verlesung:

Auch wenn der Notar nicht alle Teile des Vertrages mündlich übersetzt oder bestimmte Hinweise im Vertrag nicht verlesen hat, führt das nicht automatisch zur Ungültigkeit des Vertrages. Solche Fehler im Notarverfahren sind zwar nicht ideal, machen den Vertrag aber nur dann unwirksam, wenn es sich um zwingende, also unverzichtbare, Bestandteile des Vertragsinhalts handelt. Hier ging es um Passagen, die nicht zwingend im Vertrag enthalten sein müssen.

Sittenwidrigkeit muss geprüft werden:

Der BGH hat dem Oberlandesgericht aufgetragen, zu prüfen, ob der Ehevertrag insgesamt sittenwidrig ist. Das bedeutet, es muss geklärt werden, ob der Vertrag die Ehefrau einseitig und unfair benachteiligt hat, insbesondere angesichts ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter von vier Kindern und ihrer Sprachkenntnisse.

Scheidungsfolgenvereinbarung durch Urkunde mit zwei gleichwertigen Sprachfassungen

Objektive Benachteiligung:

Es sieht so aus, als ob der Vertrag die Ehefrau stark benachteiligt hat, da sie auf Alters- und Krankheitsunterhalt sowie einen Großteil des Vermögenszuwachses verzichtet hat, während sie sich um die Kinder und den Haushalt kümmerte.

Subjektive Benachteiligung:

Es muss aber auch geprüft werden, ob diese Benachteiligung darauf zurückzuführen ist, dass die Ehefrau aufgrund ihrer persönlichen Situation (z.B. als alleinerziehende Mutter ohne Einkommen, ihrer finanziellen Abhängigkeit oder auch aufgrund der möglichen fehlerhaften Übersetzung) bei den Verhandlungen deutlich im Nachteil war und der Ehemann dies ausgenutzt hat. Dabei wird auch die finanzielle Situation der Ehefrau vor der Ehe und die Qualität der englischen Übersetzung berücksichtigt.

Was bedeutet das für den Fall?

Der Fall geht nun zurück an das Oberlandesgericht Hamm. Dort muss nun genau geprüft werden, ob der Ehevertrag angesichts der gesamten Umstände als sittenwidrig anzusehen ist. Erst danach kann entschieden werden, ob die Ehefrau Anspruch auf Zugewinn- und Versorgungsausgleich hat.

Warum ist das wichtig?

Dieses Urteil verdeutlicht, dass selbst bei notariell beurkundeten Verträgen, insbesondere wenn mehrere Sprachen im Spiel sind, die Gerichte genau prüfen, ob die Vereinbarungen fair und ausgewogen sind. Es zeigt auch, dass Formfehler des Notars nicht zwingend zur Ungültigkeit des gesamten Vertrags führen müssen, aber eine massive einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners zur Sittenwidrigkeit des Vertrages führen kann.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Anwendbarkeit der Regeln zur Grenzanlage bei bei dinglicher Absicherung der Benutzungsrechte

Anwendbarkeit der Regeln zur Grenzanlage bei bei dinglicher Absicherung der Benutzungsrechte

Juli 13, 2025
Anwendbarkeit der Regeln zur Grenzanlage bei bei dinglicher Absicherung der Benutzungsrechtevorgehend LG Berlin, 26. April 2019, Az: 55 S 80/15…
Belastung der Sondereigentumseinheiten eines nach dem WEG aufgeteilten Grundstücks

Belastung der Sondereigentumseinheiten eines nach dem WEG aufgeteilten Grundstücks 

Juli 13, 2025
Belastung der Sondereigentumseinheiten eines nach dem WEG aufgeteilten Grundstücks RA und Notar KrauDer Bundesgerichtshof (BGH) hat am 17. J…
Erlöschen von Dienstbarkeiten bei gutgläubig lastenfreiem Erwerb einer Eigentumswohnung

Erlöschen von Dienstbarkeiten bei gutgläubig lastenfreiem Erwerb einer Eigentumswohnung

Juli 13, 2025
Erlöschen von Dienstbarkeiten bei gutgläubig lastenfreiem Erwerb einer EigentumswohnungBGH, Beschluss vom 23.07.2015 – V ZB 1/14: Gutgläubiger l…