Schenkungsanfechtung der Ablösung eines bei einer unentgeltlichen Grundstücksübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bestehen gebliebenen Grundpfandrechts

Oktober 5, 2025

Schenkungsanfechtung der Ablösung eines bei einer unentgeltlichen Grundstücksübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bestehen gebliebenen Grundpfandrechts

Vorinstanzen:

LG Freiburg, Entscheidung vom 07.12.2011 – 6 O 258/11

OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 08.05.2013 – 9 U 9/12

Die Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13. Februar 2014 (IXZR133/13) zur Anfechtbarkeit der Ablösung eines Grundpfandrechts als unentgeltliche Leistung im Insolvenzverfahren lautet wie folgt:

Sachverhalt und Vorinstanzen

Die Klägerin ist die Insolvenzverwalterin über den Nachlass der im Jahr 2008 verstorbenen Erblasserin, deren Nachlassinsolvenzverfahren im September 2009 eröffnet wurde. Sie forderte vom Beklagten, dem Sohn der Erblasserin, die Rückgewähr des hälftigen Betrages einer Sonderzahlung zur Insolvenzmasse.

Die Erblasserin übertrug dem Beklagten im Juni 2004 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine Wohnung, die mit einer Grundschuld von 300.000 DM zugunsten einer Bank belastet war. Laut Übergabevertrag sollte die Grundschuld bestehen bleiben, aber weiterhin von den Eltern (der Erblasserin und ihrem Ehemann) verzinst und getilgt werden. Eine persönliche Schuldübernahme durch den Beklagten erfolgte nicht. Ansprüche gegen den Gläubiger (Rückgewähranspruch) wurden unter aufschiebender Bedingung des Eigentumswechsels an den Beklagten abgetreten.

Im März 2006 lösten die Eltern das durch die Grundschuld gesicherte Darlehen durch eine Sonderzahlung von 77.393,90 € ab, welche die Bank zur Bewilligung der Löschung der Grundschuld veranlasste. Der Beklagte verkaufte die Wohnung im Jahr 2011, woraufhin die Grundschuld gelöscht wurde.

Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Rückgewähr der Hälfte der Sonderzahlung (38.696,95 €). Die Berufung des Beklagten beim OLG Karlsruhe blieb erfolglos.

Entscheidung des BGH

Der BGH wies die Revision des Beklagten zurück und bestätigte die Anfechtbarkeit der Ablösung des Grundpfandrechts als unentgeltliche Leistung der Erblasserin an den Beklagten nach §134 Abs. 1 i.V.m. §143 Abs. 1, Abs. 2 InsO (Insolvenzordnung).

Anfechtbare Leistung (§ 134 InsO)

Die Ablösung des Darlehens und die damit einhergehende Befreiung des Grundstücks des Beklagten von Rechten Dritter wurde als anfechtbare unentgeltliche Leistung der Erblasserin an den Beklagten gewertet.

Leistungsbegriff im Insolvenzrecht:

Der Begriff der Leistung in §134 InsO ist weiter als im bürgerlichen Recht und erfasst auch solche Wirkungen, die gläubigerbenachteiligend sind. Die Zahlung umfasst hier mehrere Leistungen: die Tilgung der eigenen Schuld der Eltern gegenüber der Bank und die Ablösung der Grundschuld auf dem Grundstück des Beklagten. Gegenstand der Anfechtung ist die Ablösung der Grundschuld.

Erfüllung einer Verpflichtung:

Die Sonderzahlung diente auch der Erfüllung der Verpflichtung der Erblasserin aus dem Übergabevertrag, dem Beklagten lastenfreies Eigentum zu verschaffen. Die Auslegung des Vertrages als Verpflichtung der Erblasserin zur lastenfreien Übertragung war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Keine persönliche Haftung irrelevant:

Es ist unerheblich, dass der Beklagte nicht persönlich für das Darlehen haftete. Er erlangte durch die Tilgung den Vorteil, dass die Grundschuld auf seinem Wohneigentum nicht mehr valutierte.

Schenkungsanfechtung der Ablösung eines bei einer unentgeltlichen Grundstücksübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bestehen gebliebenen Grundpfandrechts

Unentgeltlichkeit

Die Leistung war unentgeltlich im Verhältnis zum Beklagten.

Maßgebliches Verhältnis:

Die Unentgeltlichkeit bemisst sich danach, ob der Empfänger (der Beklagte) seinerseits eine Gegenleistung erbringen musste.

Fehlende Gegenleistung des Beklagten:

Der Beklagte hat im Verhältnis zur Erblasserin keine Gegenleistung für die Ablösung der Grundschuld erbracht.

Verlust des Anspruchs:

Die Unentgeltlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beklagte mit der Ablösung der Grundschuld seinen vertraglichen Anspruch auf Übertragung lastenfreien Eigentums verlor. Die Unentgeltlichkeit ist nach dem Grundgeschäft (dem Übergabevertrag, der eine Schenkung darstellt) zu beurteilen.

Gläubigerbenachteiligung

Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des §129 Abs. 1 InsO liegt vor, da die von der Erblasserin aufgewandten Mittel endgültig aus ihrem Vermögen ausschieden und den Gläubigern somit nicht mehr zur Verfügung standen. Hypothetische Kausalverläufe (z.B. angebliche Vermögenslosigkeit der Erblasserin) sind irrelevant.

Anfechtungsfrist

Die Anfechtungsfrist von vier Jahren für unentgeltliche Leistungen nach §134 InsO wurde eingehalten.

Maßgeblicher Zeitpunkt:

Entscheidend ist nicht das Datum des Übergabevertrages (2004), sondern dasjenige des Vollzugs der Schenkung, also der Zahlung im März 2006. Die Zahlung führte zum Erlöschen der gesicherten Forderung und damit zur Erlangung unbelasteten Eigentums durch den Beklagten.

Rechtsfolge (Rückgewähr)

Der Beklagte muss gemäß §143 Abs. 1 InsO dasjenige zur Masse zurückgewähren, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert wurde – hier die Hälfte der Sonderzahlung.

Kein Wegfall der Bereicherung:

Der Beklagte kann sich nicht auf einen Wegfall der Bereicherung (§818 Abs. 3 BGB) berufen, da ihm der Vorteil der abgelösten Grundschuld (die Wertsteigerung der Wohnung durch das Erlöschen der Valutierung) verblieben ist.

Amtlicher Leitsatz

Hat sich der spätere Insolvenzschuldner zur unentgeltlichen lastenfreien Übertragung eines Grundstücks verpflichtet, ist die innerhalb von vier Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgte Ablösung eines bei der Übertragung bestehen gebliebenen Grundpfandrechts selbständig als unentgeltliche Leistung anfechtbar (§134 InsO).

RA und Notar Krau

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