Schenkungsanfechtung einer Schuldnerverfügung trotz Pflichtteilsverzicht

November 3, 2025

Schenkungsanfechtung einer Schuldnerverfügung trotz Pflichtteilsverzicht

Der Fall: Wenn der Pflichtteil zum Problem wird

Dieser Fall dreht sich um eine Gläubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG), genauer gesagt um die Frage, ob eine Vermögensübertragung unter Eheleuten unentgeltlich (geschenkt) war oder entgeltlich (gegen Bezahlung/Gegenleistung) erfolgte. Das ist entscheidend, weil Gläubiger (hier eine Bank, die Klägerin) nur unentgeltliche Verfügungen des Schuldners anfechten und das Vermögen für sich zurückholen dürfen, um ihre Schulden zu begleichen.

Die Hauptakteure und die Vorgeschichte

  • Der Ehemann (Schuldner): Geschäftsführer einer GmbH, der sich gegenüber der Klägerin (einer Bank) für die Schulden der Firma verbürgt hat – insgesamt rund 2.000.000 DM. Er wird später vermögenslos.
  • Die Ehefrau (Beklagte): Sie schließt mit ihrem Mann einen Vertrag, der im Zentrum des Streits steht.
  • Die Klägerin (Bank): Sie hat eine offene Forderung von 200.000 DM gegen den Ehemann aus der Bürgschaft und kann diese nicht eintreiben, da er kein Vermögen mehr hat.

Der entscheidende Vertrag (5. August 1986)

Der Ehemann überträgt der Ehefrau seine Miteigentumsanteile an einem Hausgrundstück und einer Eigentumswohnung.

Als „Gegenleistung“ dafür verzichtet die Ehefrau auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht gegenüber ihrem Ehemann.

Wichtig: Wenig später, im März 1988, wird das Konkursverfahren über die Firma des Ehemanns eröffnet. Der Ehemann ist zahlungsunfähig.

Der Streitpunkt: Entgeltlich oder Unentgeltlich?

Die Bank (Klägerin) will das an die Ehefrau übertragene Vermögen zurückhaben, um daraus ihre Forderung zu begleichen.

  1. Die Bank sagt: Die Übertragung des Grundbesitzes war eine unentgeltliche Verfügung (quasi eine Schenkung), weil der Pflichtteilsverzicht keine echte Gegenleistung war. Der Ehemann hat die Gläubiger damit benachteiligt.
  2. Die Ehefrau sagt: Die Übertragung war entgeltlich, da sie dafür auf ihren Pflichtteil verzichtet hat. Das ist ein Wert. Eine entgeltliche Verfügung darf aber nicht angefochten werden.

Schenkungsanfechtung einer Schuldnerverfügung trotz Pflichtteilsverzicht

Die Entscheidung des BGH

Der BGH gibt der Klägerin (Bank) Recht und entscheidet:

1. Die Unentgeltlichkeit ist entscheidend

Das Gesetz erlaubt die Anfechtung (Rückgängigmachung) nur bei unentgeltlichen Verfügungen innerhalb einer bestimmten Frist (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG). Dabei kommt es nicht auf die subjektive Vorstellung der Eheleute an (was sie für einen Wert hielten), sondern auf den objektiven Sachverhalt und ob ein objektiver Gegenwert in das Vermögen des Schuldners geflossen ist.

2. Der Pflichtteilsverzicht ist keine Gegenleistung

Der BGH stellt klar, dass der Verzicht auf den Pflichtteil in aller Regel keine Gegenleistung ist, die eine Verfügung des Schuldners entgeltlich macht.

Warum?

  • Kein wirtschaftlicher Vorteil für Gläubiger: Der einzige Vorteil für den Ehemann war die Testierfreiheit (die Freiheit, sein Testament ohne Rücksicht auf den Pflichtteil seiner Frau zu erstellen). Dieser Vorteil bringt den Gläubigern aber keinen einzigen Pfennig – es fließt kein werthaltiger Gegenstand in das Vermögen des Schuldners, in das die Bank vollstrecken könnte.
  • Gläubigerrechte gehen vor: Selbst wenn die Ehefrau ihren Pflichtteil behalten hätte, müssten die Gläubiger des Ehemanns (Erblassers) vor ihr aus dem Nachlass befriedigt werden. Der Verzicht ändert also nichts an der Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger.
  • Gesetzeszweck: Würde man den Pflichtteilsverzicht als Entgelt anerkennen, könnte jeder Schuldner sein Vermögen schnell an Verwandte übertragen und die Gläubigeranfechtung damit aushebeln.

Das Fazit

Der BGH hat entschieden: Wenn ein Schuldner sein Vermögen an jemanden überträgt und dieser „im Gegenzug“ auf seinen Pflichtteil verzichtet, ist das aus Sicht der Gläubiger eine Schenkung und damit anfechtbar. Der Pflichtteilsverzicht ist juristisch gesehen kein echter wirtschaftlicher Gegenwert, der die Vermögenslage der Gläubiger verbessert.

Die Bank darf die Zwangsvollstreckung in die übertragenen Grundstücksanteile dulden. Die Ehefrau muss das verwertbare Vermögen quasi „zurückgeben“, damit die Bank ihre Schulden eintreiben kann.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Trauer Grabstein

Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDR

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDRZusammenfassung: BGH, Urteil vom 07.03.2001 – IV ZR…
Portrait Lana Berloznik Kanzlei Krau Rechtsanwälte

Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als Gesamtschuldner

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als GesamtschuldnerHier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Az.: 1…
Apartmenthaus Wohnungseigentum

Beschlussmängelverfahren: Verwalterbestellung durch den teilenden Eigentümer in der „Aufteilungsphase“

November 5, 2025
Beschlussmängelverfahren: Verwalterbestellung durch den teilenden Eigentümer in der „Aufteilungsphase“ – Heilung von Einberufungsmängeln durch „Voll…