Schenkweiser Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen: Erfordernis der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters

November 2, 2025

Schenkweiser Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen: Erfordernis der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters

Gerne fasse ich das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 30. September 2010 (Az. V ZB 206/10) für Laien zusammen.

Dieses Urteil betrifft die Frage, ob der Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen – auch wenn es sich um eine Schenkung handelt – der Genehmigung seiner gesetzlichen Vertreter bedarf.


Kernaussage des Urteils

Der BGH hat entschieden, dass der (schenkweise) Erwerb einer Eigentumswohnung für einen Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist und deshalb die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (107 BGB) benötigt.

  • Es kommt dabei nicht darauf an, wie die Gemeinschaftsordnung gestaltet ist, ob es einen Verwaltervertrag gibt oder ob die Wohnung vermietet ist.
  • Die zusätzlich vom Grundbuchamt geforderte Genehmigung des Familiengerichts ($1643 Abs. 1 BGB in Verbindung mit $1821 BGB) ist nicht erforderlich.

Der Fall – Worum ging es?

Eine Beteiligte (die Schenkerin) schenkte ihrer minderjährigen Tochter (der Beteiligten zu 2) eine Eigentumswohnung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Die Schenkerin behielt sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht (Nutzungsrecht) und ein Rücktrittsrecht für bestimmte Fälle vor.

Das Grundbuchamt weigerte sich, die Übertragung der Wohnung in das Grundbuch einzutragen, solange nicht zwei Genehmigungen vorlagen:

  1. Die Genehmigung eines Ergänzungspflegers (als gesetzlicher Vertreter).
  2. Die Genehmigung des Familiengerichts.

Die Eltern des minderjährigen Kindes wollten diese Genehmigungen nicht einholen und zogen vor Gericht.


Schenkweiser Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen: Erfordernis der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters

Die Begründung des BGH – Warum ist die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters nötig?

Der Kernpunkt liegt in der gesetzlichen Regelung, dass ein Minderjähriger nur Rechtsgeschäfte ohne Zustimmung seiner Eltern eingehen darf, wenn diese für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Sobald das Geschäft für den Minderjährigen rechtliche Nachteile mit sich bringt, ist die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters erforderlich.

Der BGH argumentiert:

  1. Persönliche Haftung in der Wohnungseigentümergemeinschaft: Mit dem Erwerb der Eigentumswohnung wird der Minderjährige automatisch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG).
  2. Kosten und Lasten: Als WEG-Mitglied ist der Minderjährige gesetzlich verpflichtet (16 Abs. 2 WEG), sich anteilig an den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen. Dazu gehören:
    • Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung (z.B. Reparaturen am Dach oder der Fassade).
    • Kosten der Verwaltung.
    • Sonderumlagen (z.B. bei Wohngeldausfällen anderer Eigentümer).
  3. Haftung mit dem gesamten Vermögen: Diese Kosten und Lasten können ein erhebliches Ausmaß annehmen. Der BGH stellt klar: Für diese Verbindlichkeiten haftet der Minderjährige nach 10 Abs. 8 WEG nicht nur mit der erworbenen Wohnung, sondern persönlich mit seinem gesamten übrigen Vermögen (wenn auch auf seinen Anteil begrenzt).
  4. Fazit: Da der Minderjährige durch den Erwerb der Wohnung gesetzliche Pflichten übernimmt, für die er mit seinem Privatvermögen haftet, ist der Erwerb nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.

Wichtig: Da die Schenkerin die Mutter des minderjährigen Kindes ist, und die Eltern in diesem Fall wegen eines Interessenkonflikts (§1629 Abs. 2 BGB i.V.m. §1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB) an der Vertretung gehindert sind, musste ein Ergänzungspfleger bestellt werden, der das Rechtsgeschäft genehmigen muss.


Familiengerichtliche Genehmigung nicht erforderlich

Die vom Grundbuchamt zusätzlich geforderte Genehmigung des Familiengerichts (1643 Abs. 1 BGB i.V.m. 1821 BGB) hält der BGH hingegen für nicht nötig. Der Erwerb einer Immobilie (Auflassung) stellt keine „Verfügung“ über das Vermögen des Minderjährigen dar, die der familiengerichtlichen Genehmigung bedürfte. Er erwirbt ja gerade einen Vermögensgegenstand.


Zusammenfassung des Tenors (Entscheidung)

  1. Der Erwerb der Eigentumswohnung benötigt die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (hier: Ergänzungspfleger).
  2. Die Genehmigung des Familiengerichts ist für den Erwerb nicht notwendig.

Der BGH hat daher die Beschwerde der Antragsteller (die den Vollzug ohne jegliche Genehmigung wollten) mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass nur die Genehmigung des Ergänzungspflegers erforderlich ist.


RA und Notar Krau

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