Schrittformerfordernis bei Unterschrift durch einen Gesamtvertreter 

September 8, 2017

Schrittformerfordernis bei Unterschrift durch einen Gesamtvertreter (Gesamtprokurist)

LAG Hessen 17 Sa 633/12 Urt. v. 04.03.2013,

RA und Notar Krau

Tenor:

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hatte die Klage der Klägerin auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses und auf Weiterbeschäftigung abgewiesen.

Das LAG Hessen hat das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Sachverhalt:

Die Klägerin war bei der Beklagten als Area Sales Manager beschäftigt.

Die Parteien schlossen einen Aufhebungsvertrag, der von der Klägerin und dem Prokuristen D unterzeichnet wurde.

D war als Gesamtprokurist zusammen mit einem anderen Prokuristen vertretungsberechtigt.

Die Unterschrift der Personalleiterin E, ebenfalls Gesamtprokuristin, war eingescannt.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, da es die Schriftform des Aufhebungsvertrags als gewahrt ansah.

Schrittformerfordernis bei Unterschrift durch einen Gesamtvertreter

Entscheidung des LAG Hessen:

Das LAG Hessen hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben.

Der Aufhebungsvertrag sei unwirksam, da die gesetzliche Schriftform nicht gewahrt sei.

Begründung:

  • Schriftform des Aufhebungsvertrags: Gemäß § 623 BGB bedarf ein Aufhebungsvertrag der Schriftform. Dies bedeutet, dass die Urkunde von beiden Parteien eigenhändig zu unterzeichnen ist (§ 126 BGB).
  • Gesamtvertretung: Handelt ein Vertreter für eine Vertragspartei, muss das Vertretungsverhältnis in der Urkunde deutlich zum Ausdruck kommen. Bei Gesamtvertretung kann es ausreichen, dass ein Vertreter formgerecht mitgewirkt hat. Allerdings muss der Vertreter dann als alleiniger Vertreter oder in Vertretung des weiteren Gesamtvertreters auftreten.
  • Auslegung der Erklärung: Im vorliegenden Fall hat D als Gesamtprokurist gehandelt. Aus dem Inhalt der Urkunde ergab sich jedoch, dass D nicht als Alleinvertreter auftreten wollte, sondern gemeinsam mit der weiteren Gesamtprokuristin E handeln wollte. Dies zeigte sich insbesondere daran, dass in der Urkunde zwei Unterschriften vorgesehen waren und die eingescannte Unterschrift der Personalleiterin E darauf hindeutete, dass auch sie den Vertrag unterzeichnen sollte.
  • Keine Alleinvertretungsbefugnis: D hat bei Abschluss des Aufhebungsvertrags keine Alleinvertretungsbefugnis für sich in Anspruch genommen. Er ist auch nicht in Vertretung der Personalleiterin E aufgetreten. Daher war die Unterschrift von D allein nicht ausreichend, um die Schriftform des Aufhebungsvertrags zu wahren.
  • Keine Heilung des Formmangels: Der Formmangel konnte auch nicht durch eine nachträgliche Genehmigung oder eine Vollmacht im Innenverhältnis geheilt werden.
  • Kein Verstoß gegen Treu und Glauben: Die Klägerin war nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die Formunwirksamkeit des Aufhebungsvertrags zu berufen.
  • Weiterbeschäftigungsanspruch: Da der Aufhebungsvertrag unwirksam war, hatte die Klägerin einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

Schrittformerfordernis bei Unterschrift durch einen Gesamtvertreter

Revision: Das LAG Hessen hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Fazit:

Das Urteil des LAG Hessen verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Schriftform von Aufhebungsverträgen.

Bei Gesamtvertretung ist es nicht ausreichend, dass nur ein Vertreter unterzeichnet.

Vielmehr muss der Vertreter als alleiniger Vertreter oder in Vertretung des weiteren Gesamtvertreters auftreten. Andernfalls ist der Aufhebungsvertrag formunwirksam.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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