Schweigen im Mietverhältnis heißt nicht unbedingt Zustimmung
Das Mietverhältnis ist keine statische Angelegenheit, sondern ein sogenanntes Dauerschuldverhältnis – es entwickelt sich ständig weiter. Manchmal weichen die Vertragspartner in der Praxis vom ursprünglich Vereinbarten ab, zum Beispiel, wenn der Mieter freiwillig den Winterdienst übernimmt, obwohl vertraglich der Vermieter dafür zuständig ist. Die entscheidende Frage ist: Führt ein solches stillschweigendes Verhalten (juristisch: konkludentes Handeln) automatisch zu einer Vertragsänderung?
Schlüssiges Handeln ist eine Form, den Willen auszudrücken, ohne dabei zu sprechen oder zu schreiben. Es geht darum, dass eine Handlung so eindeutig ist, dass ein Außenstehender daraus schließen kann, dass die Person eine rechtliche Veränderung herbeiführen möchte.
Das Handeln hat dabei oft einen primären Zweck (z. B. Schnee räumen, damit niemand ausrutscht). Soll es darüber hinaus eine Vertragsänderung bewirken, muss dem Handelnden bewusst sein, dass er damit auch rechtlich tätig wird. Fehlt dieser Wille zur Rechtsgestaltung, liegt im Grunde keine Willenserklärung vor.
Wenn eine Partei freiwillig eine Pflicht übernimmt, die eigentlich der anderen zusteht (z. B. der Vermieter führt Schönheitsreparaturen durch, die der Mieter vertraglich schuldet), liegt darin in der Regel keine stillschweigende Vertragsänderung.
Der Vermieter, der repariert, möchte nur, dass die Renovierung erledigt wird, nicht aber, den Mieter für alle Zukunft von dieser Pflicht befreien. Das primäre Ziel ist die Beseitigung des Mangels, nicht die rechtsgestaltende Änderung des Vertragsinhalts. Der Vertrag bleibt also unverändert.
Wird in einem langfristigen Mietvertrag (länger als ein Jahr) eine wesentliche Änderung formlos – also nur durch schlüssiges Verhalten – vorgenommen, kann dies zu einer einschneidenden Rechtsfolge führen: Der gesamte Vertrag gilt dann als auf unbestimmte Zeit geschlossen und ist vorzeitig kündbar. Das ist ein großes Risiko, weshalb Änderungen immer schriftlich fixiert werden sollten.
Ein häufiger Fall ist die Zahlung einer erhöhten Miete nach einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters. Hier muss unterschieden werden, ob die Zahlung eine bewusste Zustimmung zur Vertragsänderung ist oder nur als Erfüllung einer vermeintlichen Pflicht erfolgt.
Bietet der Vermieter eine Erhöhung an und zahlt der Mieter die höhere Summe, gilt dies als schlüssige Annahme des Angebots zur freien Vertragsänderung. Hier wird der Mieter rechtsgestaltend tätig.
Hier hat der Vermieter einen Anspruch auf die Zustimmung zur Mieterhöhung. Zahlt der Mieter, tut er dies in der Regel, weil er glaubt, dazu verpflichtet zu sein. Ihm fehlt der freie Wille, den Vertrag selbstbestimmt ändern zu wollen. Er handelt nicht, um ein neues Rechtsverhältnis zu schaffen, sondern um einem scheinbar bestehenden Anspruch nachzukommen.
Auch wenn ein gesetzliches Mieterhöhungsverlangen (z. B. wegen Formfehlern) unwirksam ist und der Mieter trotzdem zahlt, wird dies nicht einfach in eine freie, einvernehmliche Vertragsänderung umgedeutet. Die Zahlung ist keine stillschweigende Vertragsänderung.
Noch kritischer ist es, wenn die Vertragsänderung nicht einmal offen angesprochen wird. Wenn zum Beispiel der Vermieter jahrelang Betriebskosten abrechnet, die vertraglich gar nicht umlagefähig sind, und der Mieter widerspruchslos zahlt, wird keine stillschweigende Vereinbarung über die Umlage dieser Kosten für die Zukunft angenommen. Der Vermieter handelt entweder irrtümlich oder arglistig (kein Änderungswille), und der Mieter zahlt, weil er sich irrtümlich verpflichtet fühlt.
Von der Vertragsänderung zu unterscheiden sind die Rechtsinstitute der Verwirkung und Erwirkung.
Ein Recht (z. B. das Recht auf Minderung) kann verwirkt sein, wenn der Berechtigte es lange nicht geltend macht und die andere Seite darauf vertrauen durfte, dass es auch zukünftig nicht mehr ausgeübt wird. Hier bleibt der vertragliche Pflichtenkreis unverändert, aber das Recht kann nicht mehr durchgesetzt werden.
Im umgekehrten Fall kann eine Partei ein Recht erwirken, wenn über einen längeren Zeitraum ein Zustand besteht, der ein berechtigtes Vertrauen schafft, für dessen Entstehung die andere Partei verantwortlich ist (z. B. ein Gewohnheitsrecht).
Das Mietverhältnis als langfristige Beziehung ist oft von einem friedlichen Miteinander geprägt. Man sollte nicht leichtfertig davon ausgehen, dass eine einmalige Kulanz oder eine lange Untätigkeit sofort zu einer rechtlich bindenden Vertragsänderung oder dem Verlust von Rechten führt. Die Anforderungen an eine Vertragsänderung durch bloßes Verhalten sind im Mietrecht sehr streng.
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