Selbstbindung Beschwerdegericht im Erbscheinsverfahren

September 16, 2017

Selbstbindung Beschwerdegericht im Erbscheinsverfahren

Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 29/91

Testament

RA und Notar Krau

Dieser Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 16.07.1991 befasst sich mit der Frage der Selbstbindung des Beschwerdegerichts

an eine frühere Entscheidung im Erbscheinsverfahren und der Auslegung eines Testaments.

Kernaussagen:

  • Selbstbindung des Beschwerdegerichts: Die Selbstbindung des Beschwerdegerichts an eine frühere Entscheidung setzt voraus, dass dasselbe Verfahren erneut in die Rechtsmittelinstanz gelangt. Hat das Beschwerdegericht in einem neuen Verfahren über einen anders lautenden Erbscheinsantrag zu entscheiden, ist es nicht an seine frühere Entscheidung gebunden.
  • Testamentsauslegung: Bei der Auslegung eines Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen. Der Wortlaut des Testaments ist dabei ein wichtiger Anhaltspunkt, aber nicht allein entscheidend. Auch die Begleitumstände und die mutmaßliche Vorstellung des Erblassers sind zu berücksichtigen.

Sachverhalt:

Die Erblasserin hatte in ihrem Testament verschiedene Vermächtnisse angeordnet und den Rest ihres Vermögens „an übrige Verwandte“ vermacht.

Selbstbindung Beschwerdegericht im Erbscheinsverfahren

Es kam zum Streit über die Auslegung dieser letztwilligen Verfügung.

Das Landgericht hatte in einem früheren Beschwerdeverfahren entschieden, dass mit „übrige Verwandte“ nur die Kinder der Beteiligten zu 1 gemeint seien.

In einem späteren Beschwerdeverfahren über einen anderen Erbscheinsantrag änderte das Landgericht seine Auffassung und legte die Verfügung dahingehend aus,

dass alle Verwandten der Erblasserin, die nicht bereits im Testament bedacht wurden, Erben sein sollten.

Entscheidung des BayObLG:

Das BayObLG bestätigte die Entscheidung des Landgerichts.

Das Landgericht sei nicht an seine frühere Entscheidung gebunden gewesen, da es sich um ein neues Verfahren mit einem anderen Erbscheinsantrag handelte.

Die Auslegung des Testaments durch das Landgericht sei möglich und aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Selbstbindung Beschwerdegericht im Erbscheinsverfahren

Begründung:

  • Keine Selbstbindung: Die Selbstbindung des Beschwerdegerichts an eine frühere Entscheidung setzt voraus, dass dasselbe Verfahren erneut in die Rechtsmittelinstanz gelangt. Im vorliegenden Fall handelte es sich um ein neues Verfahren mit einem anderen Erbscheinsantrag, sodass das Landgericht nicht an seine frühere Entscheidung gebunden war.
  • Auslegung des Testaments: Das BayObLG bestätigte die Auslegung des Testaments durch das Landgericht. Die Bezeichnung „übrige Verwandte“ umfasse alle Verwandten der Erblasserin, die nicht bereits im Testament bedacht wurden. Diese Auslegung entspreche dem allgemeinen Verständnis und Sprachgebrauch.
  • Keine Bindung an den Wortlaut: Das BayObLG betonte, dass der Wortlaut des Testaments zwar ein wichtiger Anhaltspunkt sei, aber nicht allein entscheidend. Auch die Begleitumstände und die mutmaßliche Vorstellung des Erblassers seien zu berücksichtigen.
  • Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs: Das BayObLG wies die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs zurück. Die Beteiligten hätten ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu der geänderten Auffassung des Landgerichts zu äußern.

Auswirkungen:

Die Entscheidung des BayObLG verdeutlicht die Grenzen der Selbstbindung des Beschwerdegerichts im Erbscheinsverfahren.

Sie zeigt, dass das Beschwerdegericht in einem neuen Verfahren über einen anderen Erbscheinsantrag

nicht an seine frühere Entscheidung gebunden ist und den Sachverhalt anders würdigen kann.

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

  • Die Selbstbindung des Beschwerdegerichts im Erbscheinsverfahren ist auf dasselbe Verfahren beschränkt.
  • Bei der Auslegung eines Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen.
  • Der Wortlaut des Testaments ist ein wichtiger Anhaltspunkt, aber nicht allein entscheidend.
  • Das rechtliche Gehör ist nicht verletzt, wenn die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme haben.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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