Sonderausgabenabzug für vom Erben nachgezahlte Kirchensteuer

Oktober 6, 2025

Sonderausgabenabzug für vom Erben nachgezahlte Kirchensteuer

Das Urteil des Finanzgerichts Hessen vom 26.09.2013 (Az. 8 K 649/13) befasst sich mit einer wichtigen steuerrechtlichen Frage im Erbfall: Darf ein Erbe die für den verstorbenen Erblasser nachträglich gezahlte Kirchensteuer von seiner eigenen Einkommensteuer als Sonderausgabe abziehen?

Die Kernfrage: Kirchensteuer des Erblassers als Sonderausgabe des Erben

Grundsätzlich sind gezahlte Kirchensteuern nach §10 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abziehbar. Sonderausgaben sind private Ausgaben, die die steuerliche Bemessungsgrundlage (das zu versteuernde Einkommen) mindern und so die Steuerlast reduzieren.

Im vorliegenden Fall war die Klägerin Miterbin ihres Vaters. Nach dessen Tod änderte sich rückwirkend die steuerliche Behandlung eines Verkaufsgeschäfts des Vaters, was zu einer Nachforderung von Kirchensteuer für ein Jahr führte, in dem der Vater noch lebte (2007). Gleichzeitig gab es Erstattungen für andere Jahre (2008 und 2009). Die Erbin beglich ihren Anteil an dieser Nachforderung und wollte diesen Betrag in ihrer eigenen Einkommensteuererklärung als Sonderausgabe geltend machen.

Das Finanzamt lehnte dies ab, mit der Begründung, es handle sich um eine Schuld des Vaters, die lediglich das geerbte Vermögen mindere, den Erben aber nicht wirtschaftlich belaste im Sinne des Einkommensteuerrechts. Es verwies auf die Rechtsprechung zur Vererblichkeit von Verlustvorträgen, bei denen der Erbe einen Verlust des Erblassers nicht abziehen darf.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Hessen

Das Finanzgericht Hessen gab der Klage der Erbin statt. Es bejahte den Sonderausgabenabzug für die nachgezahlte Kirchensteuer.

Das „Abflussprinzip“ und die wirtschaftliche Belastung

Das Gericht stützte sich auf das sogenannte Abflussprinzip (§11 Abs. 2 EStG). Dieses besagt, dass Ausgaben in dem Jahr steuerlich berücksichtigt werden, in dem sie tatsächlich gezahlt wurden.

Da die Klägerin als Erbin in die Rechtsposition ihres Vaters eintrat und die Kirchensteuer aus ihrem Vermögen (dem geerbten Vermögen, das mit dem Tod des Vaters in ihr Eigentum überging) zahlte, war sie nach Ansicht des Gerichts wirtschaftlich belastet.

Die Richter folgten der langjährigen Rechtsprechung, wonach es für den Sonderausgabenabzug der Kirchensteuer auf den reinen Zahlungsvorgang ankommt. Die Kirchensteuer des Erblassers stellte somit keinen nicht abziehbaren „Drittaufwand“ dar.

Abgrenzung zum Verlustabzug

Das Gericht sah keinen Widerspruch zur neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die den Übergang von Verlustvorträgen des Erblassers auf den Erben ablehnt.

Der Verlustvortrag (Verluste des Erblassers, die in späteren Jahren seine Einkünfte mindern sollten) sei ein höchstpersönlicher Umstand des Erblassers. Er gehe nicht auf den Erben über.

Sonderausgabenabzug für vom Erben nachgezahlte Kirchensteuer

Die Zahlung der Kirchensteuer hingegen ist eine tatsächliche Ausgabe, die beim Erben eine wirtschaftliche Belastung auslöst und daher nach dem Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit abziehbar sein müsse.

Zusätzliches Argument: Eigene Entscheidung der Erben

Hinzu kam im konkreten Fall ein weiteres wichtiges Argument: Die Kirchensteuernachforderung beruhte auf der eigenen Entscheidung der Erben. Die Erben hatten eine Verkaufsvereinbarung des Vaters im Jahr 2009 geändert, was rückwirkend eine andere steuerliche Behandlung für das Jahr 2007 zur Folge hatte. Da die Nachzahlung somit durch eine Willensentscheidung der Erben ausgelöst wurde, sah das Gericht die wirtschaftliche Belastung zusätzlich als gegeben an.

Verrechnung der Erstattungen

Wichtig ist der Schlusspunkt:

Die gezahlte Kirchensteuernachforderung musste um die ebenfalls im gleichen Jahr (2011) erstatteten Kirchensteuerbeträge aus den Jahren 2008 und 2009 gekürzt werden. Nur die Netto-Zahlung durfte als Sonderausgabe angesetzt werden, da nur diese eine endgültige wirtschaftliche Belastung darstellte.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Finanzgericht Hessen entschied, dass die Klägerin den auf sie entfallenden Anteil der für ihren verstorbenen Vater nachgezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe von ihrer eigenen Einkommensteuer abziehen durfte.

Das Gericht ließ aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Falls die Revision (Berufung) zum Bundesfinanzhof (BFH) zu. Der BFH hat diese Rechtsauffassung in seinem späteren Urteil vom 21.07.2016 (X R 43/13) bestätigt und die Revision des Finanzamts zurückgewiesen. Damit ist die Rechtslage heute klar:

Zahlungen auf offene Kirchensteuerschulden des Erblassers durch den Erben sind beim Erben im Jahr der Zahlung als Sonderausgabe abziehbar.

Eventuelle Erstattungen aus anderen Steuerjahren des Erblassers müssen damit verrechnet werden.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Apartmenthaus Wohnungseigentum

Formelle Anforderungen an die Betriebskostenabrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten

November 14, 2025
Formelle Anforderungen an die Betriebskostenabrechnung bei Gebäuden mit mehreren WohneinheitenDies ist eine Zusammenfassung eines wichtigen Geri…
Apartmenthaus Wohnungseigentum

Unwirksame Schönheitsreparaturklausel

November 14, 2025
Unwirksame SchönheitsreparaturklauselGericht: AG Hamburg Entscheidungsdatum: 24.10.2025 Rechtskraft: ja Aktenzeichen: 49 C 518/24 Dokumenttyp: U…
paragraph

Von Aktionären der Wirecard AG angemeldete Ansprüche sind keine einfachen Insolvenzforderungen

November 14, 2025
Von Aktionären der Wirecard AG angemeldete Ansprüche sind keine einfachen InsolvenzforderungenBGH Urteil vom 13. November 2025 – IX ZR 127/24…