Sonderausgabenabzug für vom Erben nachgezahlte Kirchensteuer
Das Urteil des Finanzgerichts Hessen vom 26.09.2013 (Az. 8 K 649/13) befasst sich mit einer wichtigen steuerrechtlichen Frage im Erbfall: Darf ein Erbe die für den verstorbenen Erblasser nachträglich gezahlte Kirchensteuer von seiner eigenen Einkommensteuer als Sonderausgabe abziehen?
Grundsätzlich sind gezahlte Kirchensteuern nach §10 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abziehbar. Sonderausgaben sind private Ausgaben, die die steuerliche Bemessungsgrundlage (das zu versteuernde Einkommen) mindern und so die Steuerlast reduzieren.
Im vorliegenden Fall war die Klägerin Miterbin ihres Vaters. Nach dessen Tod änderte sich rückwirkend die steuerliche Behandlung eines Verkaufsgeschäfts des Vaters, was zu einer Nachforderung von Kirchensteuer für ein Jahr führte, in dem der Vater noch lebte (2007). Gleichzeitig gab es Erstattungen für andere Jahre (2008 und 2009). Die Erbin beglich ihren Anteil an dieser Nachforderung und wollte diesen Betrag in ihrer eigenen Einkommensteuererklärung als Sonderausgabe geltend machen.
Das Finanzamt lehnte dies ab, mit der Begründung, es handle sich um eine Schuld des Vaters, die lediglich das geerbte Vermögen mindere, den Erben aber nicht wirtschaftlich belaste im Sinne des Einkommensteuerrechts. Es verwies auf die Rechtsprechung zur Vererblichkeit von Verlustvorträgen, bei denen der Erbe einen Verlust des Erblassers nicht abziehen darf.
Das Finanzgericht Hessen gab der Klage der Erbin statt. Es bejahte den Sonderausgabenabzug für die nachgezahlte Kirchensteuer.
Das Gericht stützte sich auf das sogenannte Abflussprinzip (§11 Abs. 2 EStG). Dieses besagt, dass Ausgaben in dem Jahr steuerlich berücksichtigt werden, in dem sie tatsächlich gezahlt wurden.
Da die Klägerin als Erbin in die Rechtsposition ihres Vaters eintrat und die Kirchensteuer aus ihrem Vermögen (dem geerbten Vermögen, das mit dem Tod des Vaters in ihr Eigentum überging) zahlte, war sie nach Ansicht des Gerichts wirtschaftlich belastet.
Die Richter folgten der langjährigen Rechtsprechung, wonach es für den Sonderausgabenabzug der Kirchensteuer auf den reinen Zahlungsvorgang ankommt. Die Kirchensteuer des Erblassers stellte somit keinen nicht abziehbaren „Drittaufwand“ dar.
Das Gericht sah keinen Widerspruch zur neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die den Übergang von Verlustvorträgen des Erblassers auf den Erben ablehnt.
Der Verlustvortrag (Verluste des Erblassers, die in späteren Jahren seine Einkünfte mindern sollten) sei ein höchstpersönlicher Umstand des Erblassers. Er gehe nicht auf den Erben über.
Die Zahlung der Kirchensteuer hingegen ist eine tatsächliche Ausgabe, die beim Erben eine wirtschaftliche Belastung auslöst und daher nach dem Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit abziehbar sein müsse.
Hinzu kam im konkreten Fall ein weiteres wichtiges Argument: Die Kirchensteuernachforderung beruhte auf der eigenen Entscheidung der Erben. Die Erben hatten eine Verkaufsvereinbarung des Vaters im Jahr 2009 geändert, was rückwirkend eine andere steuerliche Behandlung für das Jahr 2007 zur Folge hatte. Da die Nachzahlung somit durch eine Willensentscheidung der Erben ausgelöst wurde, sah das Gericht die wirtschaftliche Belastung zusätzlich als gegeben an.
Die gezahlte Kirchensteuernachforderung musste um die ebenfalls im gleichen Jahr (2011) erstatteten Kirchensteuerbeträge aus den Jahren 2008 und 2009 gekürzt werden. Nur die Netto-Zahlung durfte als Sonderausgabe angesetzt werden, da nur diese eine endgültige wirtschaftliche Belastung darstellte.
Das Finanzgericht Hessen entschied, dass die Klägerin den auf sie entfallenden Anteil der für ihren verstorbenen Vater nachgezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe von ihrer eigenen Einkommensteuer abziehen durfte.
Das Gericht ließ aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Falls die Revision (Berufung) zum Bundesfinanzhof (BFH) zu. Der BFH hat diese Rechtsauffassung in seinem späteren Urteil vom 21.07.2016 (X R 43/13) bestätigt und die Revision des Finanzamts zurückgewiesen. Damit ist die Rechtslage heute klar:
Zahlungen auf offene Kirchensteuerschulden des Erblassers durch den Erben sind beim Erben im Jahr der Zahlung als Sonderausgabe abziehbar.
Eventuelle Erstattungen aus anderen Steuerjahren des Erblassers müssen damit verrechnet werden.
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