BAG 6 AZR 662/06

April 5, 2021

BAG 6 AZR 662/06

Urteil vom 25.10.2007

Sonderkündigungsrecht nach § 12 KSchG

RA und Notar Krau

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 25. Oktober 2007 entschieden, dass ein Arbeitnehmer,

der während eines Kündigungsschutzprozesses eine selbstständige Tätigkeit aufnimmt, kein Sonderkündigungsrecht nach § 12 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) hat.

Der Fall:

Ein Steuerberater war bei einer Steuerberatungsgesellschaft angestellt.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit einer Änderungskündigung, die der Arbeitnehmer nicht akzeptierte.

BAG 6 AZR 662/06

Er erhob Kündigungsschutzklage.

Während des laufenden Kündigungsschutzprozesses machte sich der Arbeitnehmer selbstständig und eröffnete eine eigene Steuerberatungspraxis.

Nach dem erstinstanzlichen Urteil, das die Kündigung für unwirksam erklärte, erklärte der Arbeitnehmer unter Berufung

auf § 12 KSchG die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für beendet, da er inzwischen eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen habe.

Die Entscheidung:

Das BAG entschied, dass § 12 KSchG nicht auf die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit anwendbar ist.

Die Vorschrift setzt voraus, dass der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist.

Begründung:

BAG 6 AZR 662/06

  • Wortlaut: Der Wortlaut des § 12 KSchG spricht gegen eine analoge Anwendung auf die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Das Gesetz verwendet den Begriff „Arbeitsverhältnis“ und nicht den allgemeineren Begriff „Erwerbstätigkeit“.
  • Systematik: Der systematische Zusammenhang zwischen § 12 KSchG und § 11 KSchG zeigt, dass der Gesetzgeber bewusst nur bei der Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses ein Sonderkündigungsrecht gewähren wollte. § 11 KSchG regelt die Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes, den der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist erzielt hat. Dies umfasst auch Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit.
  • Interessenlage: Die Interessenlage eines Arbeitnehmers, der ein neues Arbeitsverhältnis eingeht, unterscheidet sich von der eines Arbeitnehmers, der sich selbstständig macht. Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ist in der Regel langfristig angelegt und mit erheblichen finanziellen Investitionen verbunden. Ein Arbeitnehmer, der sich selbstständig macht, wird daher typischerweise nicht nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess sein altes Arbeitsverhältnis fortsetzen wollen.

Konsequenzen:

Da der Arbeitnehmer kein Sonderkündigungsrecht hatte, endete das Arbeitsverhältnis nicht mit seiner Erklärung, sondern erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.

BAG 6 AZR 662/06

Der Arbeitnehmer hatte daher keinen Anspruch auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte Karenzentschädigung für die Zeit vor Ablauf der Kündigungsfrist.

Zusätzliche Entscheidung:

Das BAG entschied außerdem, dass der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer Auskunft über die in der Zeit der selbstständigen Tätigkeit erzielten Honorare verlangen kann.

Der Arbeitnehmer hatte gegen das im Arbeitsvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen und war daher zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet.

Fazit:

Das Urteil des BAG verdeutlicht, dass das Sonderkündigungsrecht nach § 12 KSchG eng auszulegen ist und nur bei der Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses greift.

Arbeitnehmer, die sich während eines Kündigungsschutzprozesses selbstständig machen, haben dieses Recht nicht.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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