Sozialhilferegress Erbverzicht und Ausschlagung eines hilfebedürftigen Erben

Juli 21, 2017

Sozialhilferegress Erbverzicht und Ausschlagung eines hilfebedürftigen Erben

Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII

Bayerisches LSG L 8 SO 146/15 B ER

Beschluss vom 30. Juli 2015,

RA und Notar Krau

Der Antragsgegner, ein Sozialhilfeträger, leitete den Erbanspruch eines psychisch erkrankten Leistungsempfängers gegen die Erbengemeinschaft seiner Eltern auf sich über.

Der Leistungsempfänger hatte die Erbschaft ausgeschlagen.

Die Erbengemeinschaft (Antragstellerinnen) legte Widerspruch gegen die Überleitung ein und beantragte beim Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

Das Sozialgericht lehnte den Antrag ab.

Sozialhilferegress Erbverzicht und Ausschlagung eines hilfebedürftigen Erben

Problem:

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) musste entscheiden, ob die Beschwerde der Erbengemeinschaft

gegen die Entscheidung des Sozialgerichts begründet ist und ob die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen ist.

Lösung:

Das LSG wies die Beschwerde zurück.

Begründung:

  • Wirksamkeit der Überleitung: Für die Wirksamkeit der Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII genügt es, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt. Es ist nicht erforderlich, dass der Anspruch tatsächlich besteht.
  • Negativevidenz: Eine Negativevidenz liegt nur dann vor, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Fall war die Sittenwidrigkeit der Erbausschlagung nicht offensichtlich, so dass die Überleitung nicht von vornherein sinnlos war.

Sozialhilferegress Erbverzicht und Ausschlagung eines hilfebedürftigen Erben

  • Ausschlagung und Erbverzicht: Die Maßstäbe für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Erbausschlagung sind nicht identisch mit denen eines Erbverzichts. Bei einem Erbverzicht weiß der Verzichtende nicht, wie hoch das Erbe sein wird und ob er zum Zeitpunkt des Erbfalls hilfebedürftig sein wird.
  • Zulässigkeit des Erbverzichts: Der BGH hatte in einer früheren Entscheidung die Sittenwidrigkeit eines Erbverzichts eines behinderten Sozialhilfeempfängers verneint. Diese Entscheidung bezog sich jedoch auf einen anderen Sachverhalt und ist nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar.
  • Ermessensentscheidung: Die Überleitungsentscheidung des Antragsgegners war ermessensfehlerfrei. Es waren keine familiären oder sozialen Belange ersichtlich, die der Überleitung entgegenstanden.
  • Interessenabwägung: Die Interessenabwägung ergab, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Überleitung überwog. Es waren keine besonderen privaten Interessen der Antragstellerinnen ersichtlich.
  • Streitwert: Der Streitwert wurde auf 5.000 Euro festgesetzt. Ein Abschlag vom Auffangstreitwert war nicht vorzunehmen.

Fazit:

Der Beschluss verdeutlicht die Voraussetzungen für die Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII.

Es genügt, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt.

Sozialhilferegress Erbverzicht und Ausschlagung eines hilfebedürftigen Erben

Eine Negativevidenz liegt nur dann vor, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich ausgeschlossen ist.

Die Sittenwidrigkeit einer Erbausschlagung ist nicht ohne weiteres mit der Sittenwidrigkeit eines Erbverzichts gleichzusetzen.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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