Stellenbesetzung – Verbindung mit Agentur für Arbeit

Juni 13, 2025

Stellenbesetzung – Verbindung mit Agentur für Arbeit

RA und Notar Krau

Worum es in dem Fall 8 AZR 123/24 geht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 27. März 2025 entschieden, dass ein schwerbehinderter Bewerber keinen Anspruch auf Entschädigung wegen Diskriminierung hatte, obwohl der Arbeitgeber gegen die Pflicht zur Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit verstoßen hat. Der Kernpunkt des Urteils ist, dass eine Diskriminierung ausgeschlossen ist, wenn die Stelle bereits besetzt war, bevor die Bewerbung des schwerbehinderten Menschen überhaupt eingegangen ist.


Die Situation des Klägers und die Klage

Ein schwerbehinderter Mann bewarb sich am 23. August 2021 online auf eine Stelle als „Scrum Master / Agile Coach“ bei einem IT-Sicherheitsunternehmen. Er wies in seiner Bewerbung auf seine Schwerbehinderung hin. Die Firma bestätigte den Eingang seiner Bewerbung am 24. August 2021 um 12:30 Uhr.

Allerdings hatte das Unternehmen bereits am selben Tag, dem 24. August 2021, um 11:09 Uhr – also vor dem Eingang der Bewerbung des Klägers – entschieden, einen anderen Bewerber einzustellen. Dieser andere Bewerber erhielt noch am 24. August 2021 einen Vertragsentwurf. Der endgültig unterzeichnete Arbeitsvertrag ging der Firma spätestens am 3. September 2021 zu. Erst an diesem Tag wurde dem Kläger mitgeteilt, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden konnte. Die Stellenanzeige blieb bis zum 3. September 2021 online.

Der Kläger war der Meinung, er sei wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden. Er stützte seinen Anspruch auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und argumentierte, die Beklagte habe gegen ihre Pflicht verstoßen, frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen, um zu prüfen, ob die Stelle mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann (§ 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Seiner Ansicht nach war die Stelle zum Zeitpunkt seiner Bewerbung noch nicht endgültig besetzt. Er forderte eine Entschädigung in Höhe von mindestens 8.752,50 Euro.

Stellenbesetzung – Verbindung mit Agentur für Arbeit


Die Entscheidung des Gerichts

Die frühere Instanzen und die Revision

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage des Mannes ab. Der Kläger legte daraufhin Revision beim Bundesarbeitsgericht ein.

Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Revision des Klägers zurück.

  1. Pflicht zur Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit: Das BAG stellte klar, dass Arbeitgeber nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX verpflichtet sind, frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Verbindung aufzunehmen, wenn sie offene Stellen haben, um zu prüfen, ob diese mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Das Gericht betonte, dass dies nicht nur das bloße Einstellen einer Anzeige in die Jobbörse der Agentur für Arbeit bedeutet. Vielmehr ist ein ausdrücklicher Vermittlungsauftrag nötig, damit die Agentur für Arbeit geeignete schwerbehinderte Bewerber vorschlagen kann. Wenn ein Arbeitgeber dies nicht tut, kann dies ein Indiz für eine Diskriminierung sein. Im vorliegenden Fall hatte das beklagte Unternehmen keinen solchen Vermittlungsauftrag erteilt, sondern die Stelle nur in die Jobbörse eingestellt. Damit lag ein Verstoß gegen § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX vor, was grundsätzlich eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung vermuten lässt.
  2. Widerlegung der Diskriminierungsvermutung: Obwohl das BAG einen Verstoß des Arbeitgebers gegen die Pflicht zur Kontaktaufnahme feststellte, kam es zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber die Vermutung der Diskriminierung widerlegt hatte. Der Arbeitgeber konnte nämlich beweisen, dass die Entscheidung zur Besetzung der Stelle bereits getroffen war, bevor die Bewerbung des Klägers eingegangen ist.
    • Das Gericht stellte fest, dass der Divisionsleiter des Unternehmens die endgültige Einstellungsentscheidung für den Mitbewerber bereits am 24. August 2021 um 11:09 Uhr getroffen hatte. Die Bewerbung des Klägers ging aber erst um 12:30 Uhr an diesem Tag ein.
    • Der Umstand, dass die Stellenanzeige noch bis zum 3. September 2021 online war und die Absage an den Kläger erst zu diesem Zeitpunkt erfolgte, war für das Gericht unerheblich. Nach der internen Vorgehensweise des Unternehmens wurden eingehende Bewerbungen nach der Einstellungsentscheidung nicht mehr geprüft („Freeze“). Eine weitere Online-Stellung der Anzeige diente lediglich dazu, bessere Voraussetzungen für eine eventuelle Neueröffnung des Verfahrens zu schaffen, falls der ausgewählte Kandidat den Vertrag doch nicht unterschrieben hätte. Da die Entscheidung zur Besetzung der Stelle aber schon vor Eingang der Bewerbung des Klägers gefallen war, konnte dessen Schwerbehinderung die Ablehnung nicht beeinflusst haben.

Fazit des Urteils

Das Urteil macht deutlich, dass die Pflicht von Arbeitgebern, mit der Agentur für Arbeit Kontakt aufzunehmen, ernst zu nehmen ist und einen aktiven Vermittlungsauftrag erfordert. Ein Verstoß dagegen kann eine Diskriminierung vermuten lassen. Diese Vermutung kann der Arbeitgeber aber widerlegen, wenn er beweisen kann, dass die Entscheidung, eine Stelle zu besetzen, bereits vor dem Eingang der Bewerbung des schwerbehinderten Menschen getroffen wurde. In solchen Fällen liegt keine Diskriminierung vor, da die Schwerbehinderung des Bewerbers die Auswahlentscheidung nicht beeinflusst haben konnte.


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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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