Steuerklassenbestimmung bei der Erstausstattung von Familienstiftungen
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.09.2024 – 4 K 1138/24
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (4. Senat) hat mit Urteil vom 27. September 2024 (Az.: 4 K 1138/24) entschieden, dass bei der erstmaligen Vermögensausstattung einer Familienstiftung die
schenkungsteuerliche Steuerklasse gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG allein nach dem Verwandtschaftsverhältnis des Stifters zu den (potenziellen) Bezugsberechtigten der Stiftung zu bestimmen ist.
Die Verwandtschaftsverhältnisse zu etwaigen Anfallsberechtigten im Falle der Auflösung der Stiftung sind dabei unbeachtlich.
Die Klägerin ist eine rechtsfähige Familienstiftung des privaten Rechts, die im Jahr 2021 von den Eheleuten A. und B. errichtet wurde.
Zweck der Stiftung ist die Förderung der Stifter sowie deren leiblicher und gesetzlicher Abkömmlinge.
Das Stiftungsvermögen besteht aus dem Grundstockvermögen der Stifter (80.000 Euro) sowie aus Zuwendungen und Erträgen.
Die Satzung sieht vor, dass im Falle der Auflösung der Stiftung das Vermögen zunächst an die lebenden Stifter zurückfällt und nach deren Ableben an deren Erben in gesetzlicher Erbfolge.
Sollten keine Nachkommen mehr vorhanden sein, bestimmt der Stiftungsvorstand einstimmig die Anfallsberechtigten.
Das Finanzamt setzte gegen die Stiftung Schenkungsteuer für die Übertragung des Grundstockvermögens durch die Stifter fest,
wobei es jeweils einen hälftigen Anteil des Grundstockvermögens (40.000 Euro) als steuerpflichtigen Erwerb ansah.
Bei der Steuerklassenbestimmung wandte das Finanzamt die Steuerklasse III an, da es berücksichtigte, dass im Falle der Auflösung der Stiftung auch familienfremde Dritte als Anfallsberechtigte in Betracht kämen.
Entsprechend setzte das Finanzamt jeweils nur einen Freibetrag von 20.000 Euro an und berechnete die Schenkungsteuer mit einem Steuersatz von 30 Prozent, was zu einer Steuer von jeweils 6.000 Euro führte.
Die Stiftung legte Einspruch ein und argumentierte, dass für die Steuerklassenbestimmung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG allein das Verwandtschaftsverhältnis der Stifter zu den Bezugsberechtigten maßgeblich sei.
Da die Bezugsberechtigten ausschließlich Abkömmlinge der Stifter seien, die der Steuerklasse I unterfielen, sei ein Freibetrag von 100.000 Euro anzuwenden, wodurch keine Schenkungsteuer anfalle.
Das Finanzamt wies den Einspruch zurück.
Das Finanzgericht gab der Klage der Stiftung statt und hob die Schenkungsteuerbescheide sowie die Einspruchsentscheidungen auf.
Es stellte fest, dass der steuerpflichtige Erwerb unter Anwendung eines Freibetrags von jeweils 100.000 Euro zu berechnen und die Schenkungsteuer auf 0 Euro herabzusetzen sei.
In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG bei einer Familienstiftung für die schenkungsteuerliche Behandlung der erstmaligen Vermögensausstattung das
Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zum Schenker maßgeblich ist.
Dabei seien entgegen der Auffassung des Finanzamts nur die potenziellen Bezugsberechtigten und nicht auch die potenziellen Anfallsberechtigten im Falle der Auflösung der Stiftung zu berücksichtigen.
Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin eine Familienstiftung sei, da sie wesentlich im Interesse der Familie der Stifter errichtet wurde
und der Kreis der Bezugsberechtigten sich ausschließlich auf die Stifter und deren Abkömmlinge erstreckte.
Der Begriff des „Berechtigten“ im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG umfasse alle Personen, die nach der Stiftungssatzung Vermögensvorteile aus der Stiftung erlangen können.
Eine Unterscheidung zwischen sofort und später Berechtigten sei der Norm nicht zu entnehmen. Entscheidend sei, wer nach der Stiftungsurkunde als potenziell Begünstigter festgelegt ist.
Das Gericht argumentierte, dass eine systematische Auslegung des Erbschaftsteuergesetzes dafür spreche, zwischen der Steuerklassenbestimmung für Bezugsberechtigte (§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG) und
der Regelung für Anfallsberechtigte (§ 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG) klar zu trennen.
Der Vermögensanfall bei Auflösung der Stiftung stelle einen eigenständigen Erwerbsvorgang dar, der erst bei Eintritt des Auflösungsfalles relevant werde.
Solange die Stiftung bestehe, werde der Anfallsberechtigte nicht begünstigt.
Auch eine historische Auslegung der Vorschriften unterstütze diese Auffassung.
Die Gesetzgebungsmaterialien zur Einführung des § 15 Abs. 2 ErbStG zeigten die Intention des Gesetzgebers,
bei der Erstausstattung einer Familienstiftung allein auf den Kreis der Bezugsberechtigten abzustellen.
Die Berücksichtigung potenzieller Anfallsberechtigter, die möglicherweise nicht mit dem Stifter verwandt seien, würde dem Zweck der Vorschrift,
die steuerliche Belastung bei der Errichtung von Familienstiftungen im Interesse der Familie zu mildern, zuwiderlaufen.
Schließlich spreche auch die teleologische Auslegung gegen die Berücksichtigung der Anfallsberechtigten bei der Steuerklassenbestimmung für die Erstausstattung.
Ziel der Regelung sei es, die finanzielle Versorgung nachfolgender Generationen zu erleichtern und höhere Freibeträge zu ermöglichen, wenn die Begünstigung auch weiter entfernte Abkömmlinge umfasse.
Dies würde unterlaufen, wenn allein aufgrund der Möglichkeit, dass im Falle der Auflösung der Stiftung familienfremde Dritte Anfallsberechtigte werden könnten,
stets die ungünstigste Steuerklasse III und der geringste Freibetrag angewendet würden.
Da im vorliegenden Fall die Bezugsberechtigten ausschließlich Abkömmlinge der Stifter seien, die der Steuerklasse I angehören, war ein Freibetrag von 100.000 Euro anzuwenden.
Dieser Freibetrag überstieg den jeweiligen hälftigen Anteil des Grundstockvermögens (40.000 Euro), sodass keine Schenkungsteuer festzusetzen war.
Das Finanzgericht ließ die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zu.
Hinweis:
Gegen dieses Urteil ist die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen II R 33/24 eingelegt worden.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.