Der Kläger und die Beklagte sind die beiden Kinder des Erblassers.
Der Erblasser hatte in einem gemeinschaftlichen Testament mit seiner Ehefrau die beiden Kinder als Schlusserben eingesetzt
und sie mit einem Vermächtnis hinsichtlich zweier Immobilien bedacht.
Stufenklage des Pflichtteilsberechtigten Auskunft über lebzeitige Zuwendungen
Der Kläger schlug die Erbschaft aus allen Berufungsgründen aus und verlangte von der Beklagten als Erbin Auskunft über den Nachlass.
Das Landgericht gab der Klage statt.
Problem:
Das OLG Schleswig musste entscheiden, ob der Kläger trotz der Ausschlagung der Erbschaft aus allen Berufungsgründen
pflichtteilsberechtigt ist und ob ihm ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zusteht.
Lösung:
Das OLG Schleswig wies die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurück und bestätigte den Auskunftsanspruch des Klägers.
Begründung:
Stufenklage des Pflichtteilsberechtigten Auskunft über lebzeitige Zuwendungen
- Pflichtteilsberechtigung: Der Kläger war trotz Ausschlagung der Erbschaft pflichtteilsberechtigt, da er als Erbe durch das Vermächtnis beschwert war (§ 2306 BGB).
- Ausschlagung aus allen Berufungsgründen: Die Ausschlagung aus allen Berufungsgründen schließt den Pflichtteilsanspruch nicht aus. Ein Pflichtteilsverzicht ist nur wirksam, wenn er ausdrücklich erklärt wird.
- Keine Beschränkung des Auskunftsanspruchs: Der Auskunftsanspruch des Klägers ist nicht auf Schenkungen der letzten zehn Jahre beschränkt, da er sich auch auf anrechnungs- und ausgleichungspflichtige Zuwendungen bezieht.
- Kein Nachweis von Schenkungen erforderlich: Der Kläger muss keine Anhaltspunkte für Schenkungen des Erblassers nachweisen, um Auskunft zu verlangen.
- Präzisierung des Auskunftsanspruchs: Der Auskunftsanspruch hinsichtlich der Schenkungen an Dritte ist auf zehn Jahre vor dem Erbfall zu begrenzen.
Fazit:
Das Urteil verdeutlicht den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben.
Stufenklage des Pflichtteilsberechtigten Auskunft über lebzeitige Zuwendungen
Auch wenn die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen wird, besteht der Pflichtteilsanspruch fort, wenn der Erbe durch ein Vermächtnis oder eine Auflage beschwert ist.
Der Auskunftsanspruch bezieht sich auch auf anrechnungs- und ausgleichungspflichtige Zuwendungen und ist nicht auf Schenkungen der letzten zehn Jahre beschränkt.