Stufenklage wegen Pflichtteil Auskunft Wertermittlung

August 19, 2017

Stufenklage wegen Pflichtteil Auskunft Wertermittlung

OLG Hamm I-10 U 97/09

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht Hamm hatte in diesem Fall über die Reichweite der Auskunftspflicht im Rahmen einer Stufenklage wegen Pflichtteilsansprüchen zu entscheiden.

Insbesondere ging es um die Frage, ob Schenkungen des Erblassers,

die vor der Geburt der Pflichtteilsberechtigten erfolgt sind, bei der Auskunftserteilung und der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen sind.

Sachverhalt:

Stufenklage wegen Pflichtteil Auskunft Wertermittlung

Die Kläger, Enkel des Erblassers, machten gegen die Beklagte, ihre Großmutter und Erbin des Erblassers, Pflichtteilsansprüche geltend.

Sie verlangten von der Beklagten Auskunft über den Nachlass, einschließlich aller Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hatte.

Streitig war insbesondere, ob die Beklagte auch Auskunft über Schenkungen erteilen muss, die der Erblasser vor der Geburt der Kläger getätigt hatte.

Rechtliche Grundlagen:

  • § 2314 BGB: Auskunftspflicht des Erben
  • § 2325 BGB: Pflichtteilsergänzung bei Schenkungen
  • § 2050 BGB: Ausgleichung von Ausstattungen

Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, wonach die Beklagte zur umfassenden Auskunft verpflichtet ist, einschließlich der Schenkungen, die vor der Geburt der Kläger erfolgt sind.

Begründung:

Stufenklage wegen Pflichtteil Auskunft Wertermittlung

  • Umfang der Auskunftspflicht: Die Auskunftspflicht nach § 2314 BGB umfasst auch den fiktiven Nachlass, also Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat.
  • Schenkungen vor der Geburt: Entgegen der Ansicht der Beklagten und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) erstreckt sich die Auskunftspflicht auch auf Schenkungen, die vor der Geburt der Pflichtteilsberechtigten erfolgt sind.
  • Wortlaut und Entstehungsgeschichte: Der Wortlaut des § 2325 BGB und seine Entstehungsgeschichte sprechen gegen eine Beschränkung der Auskunftspflicht auf Schenkungen nach der Geburt.
  • Verfassungsrechtliche Bedenken: Eine Beschränkung der Auskunftspflicht würde zu einer Ungleichbehandlung der Pflichtteilsberechtigten führen und wäre mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) nicht vereinbar.
  • Objektiver Zweck des § 2325 BGB: Der objektive Zweck des § 2325 BGB ist es, den nächsten Angehörigen des Erblassers eine Mindestteilhabe am Nachlass zu sichern. Dies spricht für eine umfassende Berücksichtigung aller Schenkungen.
  • Vermeidung von Folgeproblemen: Eine Beschränkung der Auskunftspflicht würde zu Folgeproblemen bei der Berechnung des Pflichtteils führen.
  • Gleichberechtigte Teilhabe: Die umfassende Berücksichtigung aller Schenkungen gewährleistet eine gleichberechtigte Teilhabe der Abkömmlinge am Nachlass.

Fazit:

Das OLG Hamm hat in diesem Urteil die Auskunftspflicht im Erbrecht erweitert und klargestellt,

dass auch Schenkungen, die vor der Geburt der Pflichtteilsberechtigten erfolgt sind, bei der Auskunft und der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen sind.

Stufenklage wegen Pflichtteil Auskunft Wertermittlung

Wichtige Punkte des Urteils in Stichpunkten:

  • Auskunftspflicht umfasst alle Schenkungen des Erblassers.
  • Auch Schenkungen vor der Geburt sind zu berücksichtigen.
  • Dies dient der gleichberechtigten Teilhabe der Abkömmlinge am Nachlass.

Zusätzliche Hinweise:

  • Das Urteil stärkt die Rechte von Pflichtteilsberechtigten.
  • Es erhöht die Transparenz im Nachlass und erleichtert die Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen.
  • Im Zweifel sollten sich Erben und Pflichtteilsberechtigte anwaltlich beraten lassen, um ihre Rechte und Pflichten zu kennen.
RA und Notar Krau

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