Stufenzuordnung im Tarifvertrag – BAG Urteil vom 29/04/2021 – 6 AZR 232/17
Kontext und Hintergrund
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bezieht sich auf die Stufenzuordnung im Entgeltsystem des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) bei der Berücksichtigung von Berufserfahrungszeiten aus vorherigen Arbeitsverhältnissen in anderen EU-Mitgliedstaaten.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, arbeitete von 1997 bis 2014 als Lehrerin in Frankreich. Im September 2014 trat sie in den Schuldienst des beklagten Bundeslandes ein.
Die Berufserfahrung aus Frankreich wurde von dem beklagten Land anerkannt, und sie wurde in Stufe 3 der Entgeltgruppe 11 TV-L eingruppiert.
Die Klägerin forderte jedoch die Zuordnung zur Stufe 5, was das Land ablehnte.
Argumente der Klägerin
Die Klägerin argumentierte, dass die Beschränkung der Anrechnung einschlägiger Berufserfahrungszeiten aus anderen Mitgliedstaaten gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV verstoße.
Entscheidungen der Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht gab der Klägerin recht, das Landesarbeitsgericht hingegen wies die Klage ab.
Die Klägerin legte Revision ein, und der BAG bat den EuGH um eine Vorabentscheidung zur Auslegung von Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011.
Urteil des EuGH
Der EuGH entschied, dass die Begrenzung der Anrechnung einschlägiger Berufserfahrungszeiten aus anderen EU-Mitgliedstaaten auf drei Jahre gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoße und somit nicht anwendbar sei.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Das BAG schloss sich der Auffassung des EuGH an und entschied, dass die in § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L vorgesehene Begrenzung auf drei Jahre nicht mit Art. 45 AEUV vereinbar sei.
Daher seien sämtliche Berufserfahrungszeiten aus anderen Mitgliedstaaten voll anzurechnen.
Begründung des Urteils
Unanwendbarkeit der Begrenzung: Die Begrenzung der Anrechnung einschlägiger Berufserfahrungszeiten aus anderen EU-Mitgliedstaaten ist aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 45 AEUV unanwendbar.
Volle Anrechnung der Berufserfahrung: Im Anwendungsbereich des Unionsrechts sind alle einschlägigen Berufserfahrungszeiten voll zu berücksichtigen.
Die Klägerin hätte daher ab ihrer Einstellung in die Stufe 5 eingruppiert werden müssen.
Geltung des Unionsrechts:
Das Unionsrecht hat Vorrang und jede Regelung, die dieser widerspricht, ist unangewendet zu lassen.
Konsequenzen des Urteils
Für Wanderarbeitnehmer: Berufserfahrungszeiten, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU erworben wurden, sind uneingeschränkt zu berücksichtigen.
Dies führt zu einer Gleichstellung mit Zeiten, die beim selben Arbeitgeber im Inland erworben wurden.
Für Inländer:
Die Begrenzung der Anrechnung einschlägiger Berufserfahrungszeiten bleibt für rein innerstaatliche Arbeitsverhältnisse bestehen, da diese keine Bezug zum Unionsrecht haben und somit nicht unter die Freizügigkeitsregelungen fallen.
Kostenentscheidung
Das beklagte Land hat die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen.
Fazit
Dieses Urteil stellt sicher, dass im Anwendungsbereich des Unionsrechts die Arbeitnehmerfreizügigkeit gewahrt bleibt und Wanderarbeitnehmer nicht durch tarifvertragliche Regelungen benachteiligt werden.
Berufserfahrungszeiten, die in anderen EU-Mitgliedstaaten erworben wurden, müssen vollständig anerkannt und bei der Stufenzuordnung berücksichtigt werden.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.