Tariflicher Sonderkündigungsschutz

August 24, 2017

Tariflicher Sonderkündigungsschutz

– Tarifvorrang

– Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine vertragliche Einheitsregelung

BAG 2 AZR 405/16

RA und Notar Krau

Die Klägerin war seit 1981 bei der Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, beschäftigt.

Eine Betriebsvereinbarung (BV) sah vor, dass Mitarbeiter mit mehr als 20 Jahren Betriebszugehörigkeit nur aus wichtigem Grund kündbar sind.

Die Beklagte kündigte der Klägerin betriebsbedingt.

Die Klägerin klagte gegen die Kündigung und berief sich auf die BV.

Kernaussage des Urteils:

Tariflicher Sonderkündigungsschutz

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies die Revision der Klägerin zurück.

Das BAG entschied, dass die BV wegen Verstoßes gegen den Tarifvorrang unwirksam war und die Kündigung daher das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat.

Begründung des Gerichts:

  • Tarifvorrang:
    • Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dürfen Betriebsvereinbarungen keine Arbeitsbedingungen regeln, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden.
    • Ein Verstoß gegen diese Regelungssperre führt zur Unwirksamkeit der BV.
  • Unwirksamkeit der BV:
    • Die BV verstieß gegen den Tarifvorrang, da der Manteltarifvertrag (MTV) für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken bereits einen Sonderkündigungsschutz für langjährig Beschäftigte regelte.
    • Die BV war daher unwirksam.
  • Keine Umdeutung in Gesamtzusage:
    • Eine Umdeutung der unwirksamen BV in eine Gesamtzusage kam nicht in Betracht.
    • Es fehlten besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigten, dass sich die Beklagte unabhängig von der Wirksamkeit der BV auf jeden Fall zur Gewährung eines Sonderkündigungsschutzes verpflichten wollte.
  • Keine betriebliche Übung:
    • Auch eine betriebliche Übung zum Sonderkündigungsschutz lag nicht vor.
    • Es fehlte an einem entsprechenden Verhalten der Beklagten, das die Arbeitnehmer als Angebot auf einen Sonderkündigungsschutz hätten verstehen können.
  • Kein Vertrauensschutz:
    • Die Klägerin konnte sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
    • Die Beklagte hatte die Klägerin nicht über die Unwirksamkeit der BV getäuscht.
  • Zulässigkeit der Kündigung:
    • Die Kündigung war nach § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt.
    • Dringende betriebliche Erfordernisse lagen vor.
    • Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin war nicht möglich.
    • Die Sozialauswahl war nicht zu beanstanden.

Tariflicher Sonderkündigungsschutz

Fazit:

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung des Tarifvorrangs im Arbeitsrecht. Betriebsvereinbarungen dürfen keine Arbeitsbedingungen regeln, die bereits durch Tarifvertrag geregelt sind.

Ein Verstoß gegen diese Regelungssperre führt zur Unwirksamkeit der BV.

Zusätzliche Informationen:

    • Das Urteil hat Bedeutung für die Praxis, da es die Grenzen der betrieblichen Mitbestimmung im Bereich des Kündigungsschutzes aufzeigt.
    • Arbeitgeber sollten bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen darauf achten, dass diese nicht gegen den Tarifvorrang verstoßen.
    • Arbeitnehmer sollten sich bei der Geltendmachung von Rechten aus Betriebsvereinbarungen über die Grenzen der betrieblichen Mitbestimmung informieren.
RA und Notar Krau

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