Teilungsversteigerung und Fairnessgebot

Oktober 24, 2025

Teilungsversteigerung und Fairnessgebot

BGH Beschluss vom 18.7.2024 – V ZB 43/23

Die Teilungsversteigerung ist ein Verfahren, das darauf abzielt, eine Gemeinschaft an einem Grundstück (z.B. nach einer Scheidung oder Erbschaft), aufzulösen, indem das Grundstück öffentlich versteigert wird.

Die gesetzliche Grundlage hierfür ist das Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG), insbesondere § 180 I ZVG.

Im Kern geht es darum, einen möglichst hohen Preis für das Grundstück zu erzielen, der dann unter den Miteigentümern aufgeteilt wird.

Das Fairnessgebot und die Zuschlagsversagung

Das deutsche Recht verlangt, dass das Verfahren fair und rechtsstaatlich abläuft. Dieses sogenannte Fairnessgebot leitet sich aus der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 1 GG) ab. Es soll verhindern, dass Vermögenswerte „verschleudert“ werden und gewährleistet, dass das Grundstück zu einem seinem wahren Wert möglichst entsprechenden Gebot zugeschlagen wird.

Nach § 83 Nr. 6 ZVG kann der Zuschlag versagt werden, wenn die Versteigerung oder ihre Fortsetzung aus sonstigen Gründen unzulässig ist. Hier greift das Fairnessgebot als Auffangtatbestand:

Manipulatives Verhalten:

Ein Verstoß gegen das Fairnessgebot liegt vor, wenn ein Miteigentümer durch unlauteres oder manipulatives Verhalten im Versteigerungstermin andere Bieter gezielt von der Abgabe von Geboten abhält, um das Grundstück selbst zu einem zu niedrigen Preis zu erwerben.

Kein Rechtsmissbrauch bei legitimer Interessenwahrnehmung:

Es ist zwar erlaubt, als Miteigentümer mitzubieten oder berechtigte Anträge (wie Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO) zu stellen, selbst wenn dies Bieter abschrecken kann. Die Grenze zum Rechtsmissbrauch ist jedoch überschritten, wenn die Handlungen falsch sind oder die wahre Sachlage verzerren und primär dazu dienen, die Bieterkonkurrenz zu stören und den Preis zu drücken.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 18.7.2024 – V ZB 43/23)

Der Sachverhalt

In dem vom BGH entschiedenen Fall betrieben geschiedene Eheleute die Teilungsversteigerung eines noch nicht fertiggestellten Einfamilienhauses, dessen Verkehrswert auf 452.000 EUR festgesetzt war.

Der Ex-Ehemann (Bet. zu 1) gab in der Versteigerung das Meistgebot ab, das nur knapp über dem geringsten Gebot lag. Weitere Gebote gab es nicht.

Während des Versteigerungstermins führte der Ex-Ehemann eine Reihe von Handlungen durch, die in der Gesamtschau als manipulativ bewertet wurden:

Er stellte einen „bedingt“ gestellten Vollstreckungsschutzantrag (§ 765a ZPO) und legte Erinnerung (§ 766 ZPO) ein, beides verzögernde Rechtsbehelfe, die er nach Ende der Bietzeit sofort wieder zurücknahm.

Er legte Mietverträge (für Wohnraum und Gewerbe) vor und erklärte, dort ein Gewerbe zu betreiben. Er betonte zusätzlich, die Vermietung sei auch an „Ausländer“ erfolgt, was nach Ansicht des Gerichts die Befürchtung von Problemen bei der Beendigung der Mietverträge schüren sollte.

Teilungsversteigerung und Fairnessgebot

Er wies auf seinen Pflegegrad III hin. Sein Anwalt wies auf die Zahlungsverpflichtung dinglicher Zinsen für eine bestehen gebliebene Grundschuld hin und bezifferte die zu erwartende Zahlungspflicht wegen der Zerstrittenheit der Parteien unrealistisch hoch (auf 200.000 EUR), um die Bieter zu verunsichern.

Die Wertung der Gerichte

Das Vollstreckungsgericht und das Landgericht sahen in diesen Handlungen eine Manipulation der Bieterkonkurrenz und versagten dem Ex-Ehemann den Zuschlag gemäß § 83 Nr. 6 ZVG.

Der BGH bestätigte diese Entscheidung:

Gesamtschau entscheidend:

Auch wenn einzelne Handlungen (wie ein zulässiger Vollstreckungsschutzantrag oder der Hinweis auf die Zinspflicht) für sich genommen nicht ausreichen würden, rechtfertigt die Gesamtschau des Verhaltens den Schluss auf eine Manipulation.

Zweck:

Die Gerichte waren überzeugt, dass die Handlungen darauf abzielten, die Bieter zu verunsichern und von der Abgabe höherer Gebote abzuschrecken, um das Grundstück selbst günstig zu ersteigern.

Auswirkung (Kausalität):

Für die Versagung des Zuschlags ist nicht der positive Nachweis erforderlich, dass die Manipulation ursächlich war. Es reichen Anhaltspunkte dafür aus, dass sich das Verhalten nachteilig auf die Abgabe von Geboten ausgewirkt hat.

Anhaltspunkte im Fall:

Der BGH sah diese Anhaltspunkte darin, dass der Saal zwar voll war und ein weiterer Interessent Sicherheit geleistet hatte, aber letztlich nur ein einziges, niedriges Gebot (durch den Miteigentümer) abgegeben wurde – und das, obwohl für vergleichbare Objekte in dieser Zeit deutlich höhere Preise erzielt wurden.

Die vom Miteigentümer bewusst geschürte Verunsicherung konnte durch die Hinweise des Rechtspflegers nicht mehr beseitigt werden.Ergebnis

Der BGH wies die Rechtsbeschwerde des Miteigentümers zurück. Der Zuschlag wurde zu Recht versagt, weil das Vorgehen des Miteigentümers in seiner Gesamtheit gegen das Gebot der fairen Verfahrensführung verstieß, da es darauf abzielte, die Bieterkonkurrenz auszuschalten.

RA und Notar Krau

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