Testamentarische Schiedsanordnung des Erblassers

April 19, 2020

Testamentarische Schiedsanordnung des Erblassers – BGH Beschluss 8.11.2018 – I ZB 21/18

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

In einem Testament wurde eine Schiedsklausel aufgenommen, die den Testamentsvollstrecker als Einzelschiedsrichter für alle Streitigkeiten zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker einsetzte.

Die Alleinerbin beantragte beim Oberlandesgericht die Feststellung der Unzulässigkeit dieses schiedsrichterlichen Verfahrens.

Rechtliche Fragestellung:

Ist eine solche Schiedsklausel wirksam, die den Testamentsvollstrecker selbst zum Schiedsrichter in Streitigkeiten mit den Erben bestimmt?

Entscheidung des BGH:

Der BGH entschied, dass die Schiedsklausel unwirksam ist, soweit sie den Testamentsvollstrecker als Einzelschiedsrichter auch über Streitigkeiten zwischen den Erben und ihm selbst entscheiden lässt.

Testamentarische Schiedsanordnung des Erblassers

Begründung:

  • Zulässigkeit des Antrags: Der BGH stellte zunächst klar, dass der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens zulässig ist, obwohl die Alleinerbin das Schiedsgericht bereits angerufen hatte. Es sei prozessual zulässig, sich zunächst an das Schiedsgericht zu wenden und dann vor dessen Konstituierung die Zulässigkeit durch das staatliche Gericht überprüfen zu lassen.
  • Unwirksamkeit der Schiedsklausel: Eine in einem Testament angeordnete Schiedsklausel ist nach Ansicht des BGH unwirksam, wenn sie den Testamentsvollstrecker als Einzelschiedsrichter auch über Streitigkeiten zwischen den Erben und ihm selbst entscheiden lässt. Dies verstoße gegen den Grundsatz, dass niemand in eigener Sache Richter sein kann.
  • § 2220 BGB: Der BGH führte weiter aus, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker nicht von seinen grundlegenden Pflichten (z.B. Rechnungslegung, Haftung) befreien kann. Streitigkeiten über diese Pflichten können daher nicht durch eine Schiedsklausel der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen werden.
  • Teilweise Wirksamkeit: Die Schiedsklausel könne auch nicht teilweise für weniger bedeutsame Streitigkeiten aufrechterhalten werden, da der Testamentsvollstrecker in jedem Fall als Schiedsrichter ausgeschlossen sei.

Folgen der Entscheidung:

Die Alleinerbin kann ihre Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker vor den ordentlichen Gerichten geltend machen. Die Schiedsklausel ist insoweit unwirksam.

Testamentarische Schiedsanordnung des Erblassers

Fazit:

Der Beschluss des BGH verdeutlicht die Grenzen der testamentarischen Schiedsgerichtsbarkeit.

Der Erblasser kann zwar Streitigkeiten zwischen den Erben einem Schiedsgericht zuweisen, nicht aber Streitigkeiten zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker, wenn dieser selbst als Schiedsrichter fungieren soll.

Dies widerspricht dem Grundsatz der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Richters.

Zusätzliche Erläuterungen:

  • Schiedsklausel: Eine Schiedsklausel ist eine Vereinbarung, in der sich die Parteien verpflichten, Streitigkeiten einem Schiedsgericht statt den ordentlichen Gerichten zu unterwerfen.
  • Testamentsvollstrecker: Ein Testamentsvollstrecker ist eine vom Erblasser ernannte Person, die den Nachlass verwaltet und den Willen des Erblassers durchsetzt.
  • Schiedsgericht: Ein Schiedsgericht ist ein privates Gericht, das Streitigkeiten auf der Grundlage einer Schiedsvereinbarung entscheidet.
  • § 1032 ZPO: Diese Vorschrift regelt das Verfahren zur Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens.
  • § 1066 ZPO: Diese Vorschrift erklärt die Vorschriften der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren für entsprechend anwendbar, wenn ein Schiedsgericht in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige Verfügung angeordnet wird.
  • § 2220 BGB: Diese Vorschrift schränkt die Verfügungsmacht des Erblassers über die Pflichten des Testamentsvollstreckers ein.

Testamentarische Schiedsanordnung des Erblassers

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Der BGH hat in seinem Beschluss klargestellt, dass eine testamentarische Schiedsklausel unwirksam ist, wenn sie den Testamentsvollstrecker als Einzelschiedsrichter in Streitigkeiten mit den Erben einsetzt.

Dies verstößt gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit des Richters und ist daher mit den Grundprinzipien des Rechtsstaats nicht vereinbar.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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