Das Oberlandesgericht (OLG) München entschied, dass bei einer Person, die an einer chronisch-progressiven Demenz leidet,
ein „luzides Intervall“, also ein vorübergehender Zustand der geistigen Klarheit, praktisch ausgeschlossen ist.
Daher war die Erblasserin im vorliegenden Fall bei der Errichtung ihrer Testamente testierunfähig.
Sachverhalt:
Die Erblasserin litt an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, einer chronisch-progressiven Demenz.
Nach dem Tod ihres Ehemannes errichtete sie zwei Testamente, in denen sie ihren Sohn zum Alleinerben einsetzte.
Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag des Sohnes zurück, da die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen sei.
Der Sohn legte Beschwerde ein und argumentierte, dass seine Mutter in einem „luziden Intervall“ testiert habe.
Entscheidung des OLG:
Das OLG wies die Beschwerde zurück.
Begründung:
Testierunfähigkeit: Testierunfähig ist, wer wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung 1 einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Chronisch-progrediente Demenz: Bei einer chronisch-progressiven Demenz ist ein „luzides Intervall“ praktisch ausgeschlossen. Die geistigen Fähigkeiten der Erblasserin waren durch die Krankheit dauerhaft beeinträchtigt.
Gutachten: Das OLG stützte sich auf ein psychiatrisches Gutachten, das die Testierunfähigkeit der Erblasserin feststellte. Die Erblasserin litt an erheblichen kognitiven Einschränkungen, insbesondere im Bereich der Orientierung, der Merkfähigkeit und der Kritikfähigkeit.
Keine „luziden Intervalle“: Die von dem Sohn vorgelegten Privatgutachten und Zeugenaussagen konnten die Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht widerlegen. Die Gutachter verkannten den Begriff der Testierfähigkeit und stützten sich auf die Aussagen von Laien.
Keine Willensfreiheit: Die Erblasserin war nicht in der Lage, ihren Willen frei zu bilden und nach dieser Einsicht zu handeln.
Folgen des Beschlusses:
Der Beschluss des OLG München bestätigt die Rechtsprechung zur Testierunfähigkeit bei chronisch-progressiver Demenz.
„Luzide Intervalle“ sind in diesen Fällen praktisch ausgeschlossen.
Die Gerichte müssen sich bei der Beurteilung der Testierfähigkeit auf fundierte medizinische Gutachten stützen.
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