Testierunfähigkeit aufgrund krankhafter Wahnvorstellungen – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 124/00

November 7, 2020

Testierunfähigkeit aufgrund krankhafter Wahnvorstellungen – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 124/00

RA und Notar Krau

Der Fall „Testierunfähigkeit aufgrund krankhafter Wahnvorstellungen“ (Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 124/00)

behandelt die Frage, ob eine Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahr 1991 testierfähig war, trotz einer später diagnostizierten Geisteskrankheit.

Die Erblasserin, die 1995 verstarb, war ledig und hatte keine Kinder.

Zu den gesetzlichen Erben gehörten ihr Bruder (Beteiligter zu 1) sowie weitere Verwandte, darunter die Beteiligte zu 2, die Nichte der Erblasserin.

Der Nachlass der Verstorbenen beinhaltete Grundstücke im Wert von etwa 375.000 DM. Im Jahr 1992 war die Erblasserin aufgrund einer psychotischen Erkrankung, die sich durch Wahnvorstellungen manifestierte, in ein Bezirkskrankenhaus eingewiesen worden.

Sie glaubte, von Asylanten und Zigeunern in ihrem Haus bedroht und bestohlen zu werden.

Am 9. September 1991 hatte die Erblasserin ein handgeschriebenes Testament verfasst, in dem sie ihre Nichte (Beteiligte zu 2) als Alleinerbin bestimmte.

Testierunfähigkeit aufgrund krankhafter Wahnvorstellungen – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 124/00

Diese beantragte nach dem Tod der Erblasserin einen Erbschein, was vom Nachlassgericht zunächst befürwortet wurde.

Der Bruder der Erblasserin (Beteiligter zu 1) legte jedoch Einspruch ein und argumentierte, dass das Testament nicht vollständig eigenhändig geschrieben sei

und dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung aufgrund ihrer geistigen Verfassung nicht mehr testierfähig gewesen sei.

Das Nachlassgericht ließ eine medizinische Begutachtung der Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung durchführen.

Der Gutachter stellte eine globale Hirnatrophie und die Folgen eines älteren Hirninfarkts fest, die auf eine fortschreitende hirnorganische Störung hinwiesen, die schon vor 1991 begonnen haben könnte.

Zudem wurden Wahnvorstellungen bei der Erblasserin dokumentiert, die möglicherweise ihre Willensbildung beeinträchtigt haben könnten.

Das Landgericht Landshut folgte dem Gutachten und hob den Vorbescheid des Nachlassgerichts auf, indem es feststellte, dass die Erblasserin im September 1991 testierunfähig gewesen sei.

Es argumentierte, dass die psychischen Störungen und hirnorganischen Schäden schon länger vorgelegen hätten und die Erblasserin daher keinen rechtlich relevanten Willen mehr habe bilden können.

Testierunfähigkeit aufgrund krankhafter Wahnvorstellungen – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 124/00

Gegen diese Entscheidung legte die Beteiligte zu 2 Beschwerde ein, die vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht Erfolg hatte.

Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte fest, dass das Landgericht den Begriff der Testierunfähigkeit verkannt habe, da die bloße Diagnose einer Geisteskrankheit nicht automatisch die Testierunfähigkeit bedeute.

Entscheidend sei, ob die Wahnvorstellungen oder hirnorganischen Störungen konkret die Willensbildungsfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung beeinflusst hätten.

Das Bayerische Oberste Landesgericht hob die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Es betonte, dass die Auswirkungen der Krankheit auf die konkrete Willensbildung zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung umfassender geprüft werden müssten.

Inhaltsverzeichnis RA und Notar Krau

  1. Einleitung
    • Überblick über den Fall
    • Relevanz krankhafter Wahnvorstellungen für die Testierfähigkeit
  2. Sachverhalt
    • Todesfall der Erblasserin und gesetzliche Erben
    • Lebensumstände und medizinische Vorgeschichte der Erblasserin
    • Testament vom 9. September 1991
  3. Verfahren vor dem Vormundschaftsgericht
    • Unterbringung der Erblasserin im Bezirkskrankenhaus
    • Bestellung der Beteiligten zu 2 als Betreuerin
    • Einholung und Ergebnisse medizinischer Gutachten
  4. Nachlassverfahren
    • Eröffnung des handgeschriebenen Testaments
    • Antrag der Beteiligten zu 2 auf Erteilung eines Erbscheins
    • Einwände des Beteiligten zu 1 gegen die Gültigkeit des Testaments
  5. Entscheidung des Nachlassgerichts
    • Vorbescheid zur Erteilung eines Erbscheins
    • Begründung des Nachlassrichters zur Testierfähigkeit der Erblasserin
  6. Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht
    • Beschwerde des Beteiligten zu 1
    • Einholung weiterer Gutachten und Zeugenaussagen
    • Entscheidung des Landgerichts vom 24. Juli 2000
  7. Weitere Beschwerde vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht
    • Zulässigkeit der weiteren Beschwerde
    • Begründung und Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts
  8. Rechtliche Würdigung der Testierfähigkeit
    • Begriff und Kriterien der Testierfähigkeit nach § 2229 Abs. 4 BGB
    • Bedeutung und Einfluss von Geisteskrankheiten und Wahnvorstellungen
    • Kritische Prüfung der Sachverständigengutachten
  9. Zusammenfassung und Ausblick
    • Kernaussagen des Beschlusses
    • Konsequenzen für zukünftige Nachlassverfahren

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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