Tierhalterhaftung – Mitverschulden nach einem Hundebiss

November 1, 2025

Tierhalterhaftung Mitverschulden nach einem Hundebiss

Dieses Urteil des Landgerichts Koblenz (Az.: 5 O 38/21) vom 12.06.2023 befasst sich mit der Tierhalterhaftung und der Frage des Mitverschuldens nach einem Hundebiss, bei dem ein Hundehalter beim Versuch, zwei raufende Hunde zu trennen, verletzt wurde.

Sachverhalt: Der Hundebiss

Der Kläger führte seinen angeleinten Hund auf dem Bürgersteig, als er sich mit dem beklagten Nachbarn (Beklagter zu 1) unterhielt. Der Hund der Beklagtenseite (unangeleint) befand sich in der offenen Garage auf dem Grundstück. Zwischen Garage und Bürgersteig gab es keine Abgrenzung.

Der Hund der Beklagten lief auf den Kläger und dessen Hund zu. Es kam auf dem Bürgersteig zu einem Gerangel zwischen den beiden Hunden.

Der Kläger griff in das Gerangel ein, um die Hunde zu trennen, und wurde dabei von einem der Hunde in die rechte Hand gebissen. Er erlitt eine Bisswunde am Ringfinger mit einer Nervenschädigung und dauerhaften Folgen (Taubheitsgefühl, Bewegungseinschränkung, Narbenbildung).

Der Kläger forderte von den Beklagten (Ehemann als Aufsichtsperson, Ehefrau als Halterin) Schmerzensgeld (mind. 15.000,00 €) und Schadensersatz (Verdienstausfall und Fahrtkosten in Höhe von 7.146,50 €) sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Koblenz gab der Klage teilweise statt, da es eine Haftung der Beklagten bejahte, diese aber wegen eines Mitverschuldens des Klägers um 50 % kürzte.

1. Haftung der Beklagten (Tierhalterhaftung)

Die Beklagten haften als Gesamtschuldner für den Schaden:

Beklagte zu 2 (Ehefrau und Halterin des Hundes):

Sie haftet aufgrund der Tierhalter-Gefährdungshaftung gemäß § 833 BGB. Da es sich um ein sogenanntes Luxustier (nicht zur Berufsausübung genutzt) handelt, haftet der Halter unabhängig von einem eigenen Verschulden für Schäden, die sich aus der typischen Tiergefahr ergeben.

Beklagter zu 1 (Ehemann und Aufsichtsperson):

Er haftet aus § 823 BGB wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht. Er wusste, dass der Hund unangeleint das nicht eingefriedete Grundstück verlassen konnte und er ihn weder durch Zurufe noch körperlich aufhalten konnte.

Tierhalterhaftung – Mitverschulden nach einem Hundebiss

Wichtig:

Es konnte nicht abschließend geklärt werden, welcher der beiden Hunde den Kläger gebissen hat. Das Gericht stellte fest, dass dies unerheblich ist. Die Kausalkette und damit die Tiergefahr wurden durch den Hund der Beklagten in Gang gesetzt, der unkontrolliert auf den angeleinten Hund des Klägers zulief. Eine Mitverursachung durch das Tier der Beklagten reichte aus.

2. Mitverschulden des Klägers

Die volle Haftung der Beklagten wurde um 50 % gemindert, weil dem Kläger ein Mitverschulden angelastet wurde. Der Kläger hat aktiv in das Gerangel der Hunde eingegriffen, um sie zu trennen. Nach Ansicht des Gerichts würde ein „durchschnittlicher und gewissenhafter Hundebesitzer“ in einer solchen angespannten Situation nicht in das Kampfgeschehen eingreifen, da das Verhalten von Tieren in diesem Moment unberechenbar ist.

Dieses Eingreifen war als leichtfertig und riskant bewertet, obwohl es dem Schutz des eigenen Hundes diente. Die durch den eigenen Hund des Klägers ausgehende Tiergefahr war demgegenüber nur minimal, da dieser angeleint und friedlich war, als der Angriff begann.

3. Zugesprochene Beträge

Unter Berücksichtigung der 50 %-Kürzung sprach das Gericht dem Kläger zu:

Schmerzensgeld: 4.000,00 € (ursprünglich geforderte mind. 15.000,00 €).

Begründung:

Die dauerhaften Verletzungen (Taubheitsgefühl, Bewegungseinschränkung) rechtfertigen diesen Betrag, obwohl der Kläger in seinem Berufsleben als Dachdeckermeister nicht massiv eingeschränkt ist.

Schadensersatz (Verdienstausfall und Fahrtkosten):

Verdienstausfall (geschätzt 7.012,50 € – 50 % = 3.506,25 €

Fahrtkosten (geschätzt 268 km x 0,25 €/km = 67,00 € – 50 % = 33,50 €

Gesamtschadensersatz: $3.506,25 € + 33,50 € = 3.539,75 €

Insgesamt zugesprochener Betrag (Schmerzensgeld + Schadensersatz): 7.539,75 € (plus Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten).

4. Feststellung und Kosten

Die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung sämtlicher weiterer materieller Schäden aus dem Unfall wurde zu 50 % festgestellt.

Die Kosten des Rechtsstreits wurden proportional zum Obsiegen/Unterliegen verteilt: Kläger trägt 64 %, Beklagte tragen 36 %.

Fazit

Der Hundehalter (Ehefrau) und der Aufsichtsführende (Ehemann) haften für die Bissverletzung, weil der unkontrollierte Hund des Nachbarn die Kette der Ereignisse in Gang gesetzt hat – selbst wenn nicht bewiesen werden konnte, welcher Hund letztlich zugebissen hat.

Der verletzte Hundehalter muss sich aber ein hohes Mitverschulden (50 %) anrechnen lassen, weil er in die Rauferei der Hunde aktiv eingegriffen hat. Dies wurde als unvorsichtiges und unnötiges Verhalten in einer gefährlichen Situation bewertet, was seine Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz halbiert hat.

RA und Notar Krau

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