Überprüfung eines Ablehnungsgesuchs in der Berufungsinstanz (OLG Dresden, 4 U 809/22)
Dieser Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden behandelt die Überprüfung eines Richters wegen Befangenheit in einem Berufungsverfahren, obwohl das Erstgericht (Landgericht, LG) bereits unter seiner Mitwirkung entschieden hatte. Er verdeutlicht die rechtlichen Folgen eines solchen Verfahrensfehlers und die Zulässigkeit einer Feststellungsklage im deutschen Zivilprozessrecht.
Die Parteien, die ehemalige Miteigentümer eines Grundstücks waren, stritten über die Zahlung von Mieteinnahmen. Die Klägerin (Kl.) wollte gerichtlich feststellen lassen, dass bestimmte Mietzahlungen einer von den Parteien gebildeten Miteigentümergemeinschaft zustehen sollten.
Der Fall wurde vor dem LG verhandelt. Die Beklagte (Bekl.) lehnte den Einzelrichter des LG wegen Befangenheit ab, kurz bevor das LG ein Urteil verkündete.
Das LG wies das Ablehnungsgesuch als unzulässig zurück und verkündete gleichzeitig sein Urteil, mit dem es dem Einspruch der Beklagten gegen ein früheres Versäumnisurteil zurückwies.
Die Beklagte legte Berufung ein und rügte, dass das Urteil formell fehlerhaft sei, weil ein erfolgreich abgelehnter Richter mitgewirkt habe. Tatsächlich hatte ein anderes OLG-Verfahren in der Zwischenzeit festgestellt, dass die Besorgnis der Befangenheit des Richters im Parallelverfahren gegeben war.
Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg, jedoch nicht nur wegen des Befangenheitsgrundes, sondern vor allem, weil das Gericht die Klage in der Sache als unzulässig ansah.
Das OLG stellte klar: Wird ein Verfahren in erster Instanz durch Urteil abgeschlossen, ohne dass über das Ablehnungsgesuch rechtskräftig entschieden wurde, kann dieser Ablehnungsgrund als Verfahrensmangel in der Berufungsinstanz überprüft werden (inzidente Überprüfung). Es muss also nicht zuvor eine separate Beschwerde gegen den Ablehnungsbeschluss erfolgt sein.
Das OLG bejahte die Befangenheit des Richters in erster Instanz.
Obwohl die Befangenheit gegeben war, führte dieser Verfahrensfehler allein nicht automatisch zur Aufhebung und Zurückverweisung des Urteils an das LG (§ 538 ZPO). Das Berufungsgericht ist in solchen Fällen der „gesetzliche Richter“ und kann eine eigene Sachentscheidung treffen.
Das OLG wies die Klage ab, weil es die Feststellungsklage der Klägerin für unzulässig hielt.
Für eine Feststellungsklage muss ein Feststellungsinteresse bestehen. Das ist der Fall, wenn dem Kläger eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit über seine Rechte droht und das Urteil diese Gefahr beseitigen kann.
Unzulässigkeit im konkreten Fall: Das OLG verneinte ein solches Interesse:
Die Klägerin verfolgte die Feststellung einer abstrakt formulierten Rechtsfrage (wem die Mieten allgemein zustehen), die den eigentlichen Streit über die Abrechnung nicht auflöst.
Der Klägerin wäre eine Leistungsklage (direkt auf Zahlung der konkreten Mieten) möglich und zumutbar gewesen. Sie hatte alle notwendigen Unterlagen dafür.
Die Klage ist unzulässig, weil sie nur eine unbestimmte Rechtsfrage klären sollte, obwohl die Klägerin konkrete Zahlungsansprüche hätte geltend machen können.
Das OLG stellte zudem fest, dass die Klägerin ihre Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis gegen die Beklagte aufgrund eines früheren rechtskräftigen Urteils (Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags) an den neuen Miteigentümer abgetreten hatte und daher möglicherweise nicht mehr aktivlegitimiert (befugt, den Anspruch geltend zu machen) war.
Die Klägerin hatte ein Wiederaufnahmeverfahren (Restitutionsklage, § 580 ZPO) gegen das Rückabwicklungsurteil angestrengt. Das OLG lehnte es ab, den aktuellen Prozess deshalb auszusetzen (§ 148 ZPO), da die Erfolgsaussichten dieser Klage als gering eingeschätzt wurden und eine Aussetzung zu einer unvertretbaren Verzögerung des Verfahrens geführt hätte.
Das OLG Dresden entschied, dass die Berufung der Beklagten begründet ist, weil die Feststellungsklage der Klägerin unzulässig war. Zwar lag in erster Instanz ein Verfahrensfehler durch die Mitwirkung eines befangenen Richters vor, dieser rechtfertigte aber im konkreten Fall nicht die Aufhebung des Urteils.
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