Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testamentes von Nichtehegatten – OLG Hamm 15 W 379/95

November 29, 2020

Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testamentes von Nichtehegatten – OLG Hamm 15 W 379/95

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Ein Erblasser und seine Lebensgefährtin hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet,

in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und eine Schlusserbeneinsetzung zugunsten einer Stiftung vornahmen.

Das Testament war unwirksam, da die beiden zum Zeitpunkt der Errichtung nicht verheiratet waren.

Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Lebensgefährtin die Einziehung des Erbscheins, der auf gesetzlicher Erbfolge beruhte,

und machte geltend, dass das Testament als Einzeltestament des Erblassers umgedeutet werden könne.

Entscheidung des OLG Hamm:

Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testamentes von Nichtehegatten – OLG Hamm 15 W 379/95

Das OLG Hamm hob die Entscheidung des Landgerichts auf und wies das Nachlassgericht an, einen neuen Erbschein zu erteilen, der die gesetzliche Erbfolge widerspiegelt.

Begründung:

Das OLG Hamm führte aus, dass eine in einem gemeinschaftlichen Testament von Nichtehegatten getroffene Verfügung nicht im Wege der Umdeutung als Einzeltestament aufrechterhalten werden kann,

wenn sie im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu der Verfügung des anderen steht, die ihrerseits nicht den Formerfordernissen eines Einzeltestaments entspricht.   

Zentrale Argumente des Gerichts:

  • Unwirksames gemeinschaftliches Testament: Das gemeinschaftliche Testament war unwirksam, da die Testierenden nicht verheiratet waren.
  • Wechselbezüglichkeit: Die gegenseitigen Erbeinsetzungen im Testament waren wechselbezüglich, d.h. sie waren voneinander abhängig.
  • Keine Umdeutung: Eine Umdeutung des gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament war ausgeschlossen, da die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen dem entgegensteht.
  • Gemeinschaftlicher Wille: Das Wesen des gemeinschaftlichen Testaments liegt in der Gemeinschaftlichkeit des Testierwillens. Dieser entfällt, wenn das Testament unwirksam ist.
  • Keine Aufrechterhaltung: Die Verfügung des Erblassers konnte nicht als Einzeltestament aufrechterhalten werden, da sie nur im Zusammenhang mit der Verfügung seiner Lebensgefährtin Sinn ergab.
  • Gesetzliche Erbfolge: Da das Testament unwirksam war, trat die gesetzliche Erbfolge ein.

Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testamentes von Nichtehegatten – OLG Hamm 15 W 379/95

Fazit:

Das OLG Hamm hat entschieden, dass das gemeinschaftliche Testament nicht als Einzeltestament des Erblassers umgedeutet werden konnte.

Die Entscheidung verdeutlicht die Grenzen der Umdeutung von gemeinschaftlichen Testamenten.

Allgemein:

Die Umdeutung von Testamenten ist ein komplexes Thema im Erbrecht, das dazu dient, den Willen des Erblassers möglichst zu erhalten, auch wenn das Testament Formfehler aufweist oder aus anderen Gründen unwirksam ist.

Hier sind einige wichtige Punkte zur Umdeutung von Testamenten:

Grundlagen der Umdeutung:

  • § 140 BGB: Diese Vorschrift ermöglicht die Umdeutung eines nichtigen Rechtsgeschäfts in ein anderes wirksames Rechtsgeschäft, wenn anzunehmen ist, dass die Geltung des wirksamen Rechtsgeschäfts bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.
  • Ziel der Umdeutung: Die Umdeutung zielt darauf ab, den Willen des Erblassers zu erfüllen, selbst wenn Formvorschriften nicht eingehalten wurden oder gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.
  • Voraussetzungen: Eine Umdeutung ist nur möglich, wenn das unwirksame Testament die Voraussetzungen eines anderen wirksamen Testaments erfüllt.

Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testamentes von Nichtehegatten – OLG Hamm 15 W 379/95

Anwendungsfälle der Umdeutung:

  • Gemeinschaftliches Testament:
    • Ein unwirksames gemeinschaftliches Testament kann in ein Einzeltestament umgedeutet werden, wenn nur ein Ehegatte unterschrieben hat und feststeht, dass die Verfügung auch unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten soll.
    • Fehlt die Unterschrift eines Ehegatten, kommt eine Umdeutung in ein eigenhändiges Testament desjenigen in Betracht, der die letztwillige Verfügung errichtet hat.
  • Nacherbschaft:
    • Eine unwirksame Regelung zur Nacherbenauswahl kann in eine bedingte Nacherbeneinsetzung umgedeutet werden.
  • Weitere Fälle:
    • Umdeutung einer Auflage in ein Vermächtnis.
    • Umdeutung einer Bedingung in eine Auflage.

Beispiele aus der Rechtsprechung:

  • OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 31.05.2011 (20 W 75/11): Ein nur von einem Ehegatten geschriebenes und unterschriebenes gemeinschaftliches Testament wurde in ein Einzeltestament zugunsten des anderen Ehegatten umgedeutet.
  • OLG München, Urteil vom 23.04.2014: Ein unwirksames gemeinschaftliches Testament konnte nicht in ein Einzeltestament umgedeutet werden, da die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des Vermögens auf die beiden Familien dadurch nicht erreicht worden wäre.
  • OLG München, Beschluss vom 17.07.2019: Die unwirksame Befugnis zur Auswahl des Nacherben durch den Vorerben wurde in eine bedingte Nacherbeneinsetzung umgedeutet.

Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testamentes von Nichtehegatten – OLG Hamm 15 W 379/95

Wichtige Hinweise:

  • Die Umdeutung von Testamenten ist ein komplexer Vorgang, der im Einzelfall sorgfältig geprüft werden muss.
  • Es ist ratsam, sich bei der Erstellung eines Testaments anwaltlich beraten zu lassen, um Formfehler und Unwirksamkeiten zu vermeiden.
  • Im Zweifel sollte das Testament notariell beurkundet werden, um die Wirksamkeit zu gewährleisten.

Zusätzliche Informationen:

  • Die Umdeutung von Testamenten ist in der Regel nur dann möglich, wenn der Wille des Erblassers eindeutig erkennbar ist.
  • Die Gerichte sind bei der Umdeutung von Testamenten zurückhaltend und prüfen sorgfältig, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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