Umfang der behördlichen Ermittlungstätigkeit zur Abwendung einer Vertreterbestellung nach Artikel 233 § 2 III 1 EGBGB
Dieser Zusammenfassung liegt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) vom 15. Mai 2014 (Az. OVG 70 A 11.13) zugrunde. Es befasst sich mit der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens, wenn der im Grundbuch eingetragene Eigentümer verstorben und die Erben nicht zweifelsfrei feststellbar sind.
Das Urteil dreht sich um die Frage, ob der Landkreis als zuständige Behörde einen gesetzlichen Vertreter für die unbekannten Erben einer verstorbenen Miteigentümerin bestellen muss, um ein Flurbereinigungsverfahren (ein Verfahren zur Neuordnung ländlicher Grundstücke, oft nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern) fortführen zu können.
Die gesetzliche Grundlage dafür ist Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche). Diese Vorschrift soll in den neuen Bundesländern die Abwicklung von Bodenordnungsverfahren vereinfachen und beschleunigen, insbesondere, wenn die Eigentumsverhältnisse aufgrund alter Grundbucheinträge und fehlender Erbnachweise unklar sind.
Ziel dieser Regelung ist es, zeitaufwändige Ermittlungen durch die Behörden zu vermeiden und die Überlastung der Gerichte zu verhindern.
Im Flurbereinigungsverfahren Vierraden war eine Frau R. als Miteigentümerin in einer Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen. Sie verstarb 2010. Der Kläger (ein anderer Beteiligter im Verfahren) beantragte beim Landkreis die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für die unbekannten Erben der Frau R., da das Verfahren ohne Vertretung nicht weitergehen konnte.
Der Landkreis fragte beim Nachlassgericht an (ohne Erfolg) und forderte den Ehemann sowie die ermittelten Kinder der Verstorbenen auf, einen Erbschein oder ein Testament vorzulegen. Diese reagierten jedoch nicht schriftlich. Lediglich eine Tochter äußerte sich telefonisch, dass weder ein Erbschein noch ein Testament existierten.
Der Landkreis lehnte den Antrag ab. Er begründete dies damit, dass die gesetzlichen Erben (Ehemann und Kinder) ermittelt worden seien und daher die Voraussetzung für die Bestellung eines Vertreters („Eigentümer nicht feststellbar“) nicht gegeben sei. Er berief sich auf den Amtsermittlungsgrundsatz.
Das Gericht gab dem Kläger recht und verpflichtete den Landkreis zur Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für die Erben.
Das OVG legte dar, dass die Anforderungen an die Nichtfeststellbarkeit des Eigentümers nicht zu hoch sein dürfen, um den Zweck des Gesetzes (Verfahrensvereinfachung und Beschleunigung) zu erfüllen.
Ist das Grundbuch wegen des Todes des eingetragenen Eigentümers offensichtlich unrichtig, sind die Erben nur dann hinreichend sicher feststellbar, wenn der Nachweis der Rechtsnachfolge durch öffentliche Urkunden (wie ein Erbschein oder ein notarielles Testament) lückenlos erbracht wird.
Die bloße Annahme, dass der Ehemann und die Kinder wahrscheinlich die gesetzlichen Erben sind, reicht dem Gericht nicht aus. Private Ermittlungen durch die Behörde können die verbindliche Feststellung des Erbrechts durch das Nachlassgericht (die Grundlage des Erbscheins) nicht ersetzen.
Die behördliche Ermittlungspflicht ($ 24 VwVfG) beschränkt sich auf naheliegende, alsbaldigen Erfolg versprechende Aufklärungsbemühungen, wie die Einsicht ins Grundbuch, Anfragen bei Nachlassgerichten und ggf. Einwohnermeldeämtern. Der Gesetzgeber wollte keine zeitraubenden, tiefgehenden Nachforschungen zur Bedingung für die Vertreterbestellung machen.
Auch die zweite Voraussetzung, das Bedürfnis zur Sicherstellung der Vertretung, bejahte das Gericht. Da die Erben am Flurbereinigungsverfahren als Teilnehmer beteiligt sind und wichtige Verfahrensschritte (wie die Zustellung des Flurbereinigungsplans) anstehen, ist ihre rechtliche Vertretung zur Fortführung des Verfahrens und zur Wahrung ihrer eigenen Rechte zwingend erforderlich.
Wann wird ein Vertreter bestellt? Wenn bei Grundstücken in den neuen Bundesländern der im Grundbuch eingetragene Eigentümer verstorben ist (Grundbuch unrichtig) und die Erben nicht durch amtliche Dokumente (wie Erbschein) sicher nachgewiesen werden können.
Der Erbschein ist der entscheidende, rechtlich verbindliche Nachweis der Erbenstellung. Ohne ihn ist der Erbe für die Behörde „nicht feststellbar“, selbst wenn die gesetzlichen Erben (z. B. Ehepartner und Kinder) bekannt sind.
Die Behörde muss nur einfache, schnelle Ermittlungen anstellen (Grundbuch, Nachlassgericht, Meldeamt). Findet sie dabei keinen sicheren Erbnachweis, muss sie einen gesetzlichen Vertreter bestellen, um das Flurbereinigungsverfahren nicht aufzuhalten. Das Gesetz priorisiert hier die Verfahrensbeschleunigung vor einer langwierigen, unsicheren Ermittlung der Erben durch die Verwaltungsbehörde.
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