Umfassende Sachzuwendungen als Alleinerbeneinsetzung

Juni 12, 2018

Umfassende Sachzuwendungen als Alleinerbeneinsetzung

OLG Düsseldorf Beschluss 27.03.2015 – I-3 Wx 197/14 –

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf befasste sich in seinem Beschluss vom 27. März 2015 mit der Auslegung eines Testaments

und der Frage, ob die Beteiligte zu 1. als Alleinerbin eingesetzt wurde.

Der Erblasser hinterließ ein handschriftliches Testament, in dem er sämtliche Sachgüter in seiner Wohnung sowie sein Bargeld in Höhe von 49.000 Euro der Beteiligten zu 1. vermachte.

Das Gericht entschied, dass dieses Schriftstück formwirksam als Testament anzusehen ist und die Beteiligte zu 1. als Alleinerbin einzusetzen ist.

Obwohl der Wortlaut des Testaments eher auf ein Vermächtnis hindeutet, deutete das Gericht aufgrund der fehlenden juristischen Vorbildung des Erblassers

sowie der umfassenden Zuwendung des Nachlasses an die Beteiligte zu 1. das Testament als Erbeinsetzung.

Dabei fand die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB keine Anwendung, da der Erblasser den gesamten Nachlass der Beteiligten zu 1. zuwandte.

Umfassende Sachzuwendungen als Alleinerbeneinsetzung

Das Gericht stellte zudem fest, dass der Begriff „Wohnung” im Testament auch den PKW des Erblassers umfasse, der in einem Garagenstellplatz untergebracht war.

Der Begriff „Bargeld” sei im wirtschaftlichen Sinne als liquide Vermögenswerte, einschließlich Geldanlagen, zu verstehen.

Obwohl das tatsächliche Vermögen des Erblassers möglicherweise geringer war als die angegebene Summe, wurde dies als unerheblich angesehen,

da der Erblasser offensichtlich eine Zuwendung in dieser Größenordnung beabsichtigte.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. hatte Erfolg, und das Nachlassgericht wurde angewiesen, den entsprechenden Erbschein auszustellen.

Eine Kostenentscheidung wurde nicht getroffen, da die Gerichtskosten nur aufgrund der Erbscheinbeantragung entstanden waren

und die besonderen Umstände des Todes des Erblassers berücksichtigt wurden.

Umfassende Sachzuwendungen als Alleinerbeneinsetzung

Allgemeiner Hinweis:

Die Auslegung einer umfassenden Sachzuwendung als Alleinerbeneinsetzung.

Hier geht es darum, wie der Wille des Erblassers zu interpretieren ist, wenn er einem Erben einen bestimmten Vermögensgegenstand oder einen Großteil seines Vermögens zuwendet,

ohne explizit von einer Erbeinsetzung zu sprechen.

Grundsatz:

Grundsätzlich wird eine letztwillige Verfügung so ausgelegt, wie sie der wirkliche Wille des Erblassers war (§ 133 BGB).

Dabei ist nicht nur der Wortlaut der Verfügung zu berücksichtigen, sondern auch die Begleitumstände und die mutmaßliche Absicht des Erblassers.

Auslegung als Alleinerbeneinsetzung:

Wenn der Erblasser einem Erben eine umfassende Sachzuwendung zukommen lässt, die nahezu sein gesamtes Vermögen umfasst, kann dies als konkludente Alleinerbeneinsetzung ausgelegt werden.

Das bedeutet, dass der Erbe nicht nur den konkreten Gegenstand erhält, sondern auch zum Alleinerben des gesamten Nachlasses wird.

Indizien für eine Alleinerbeneinsetzung:

  • Umfang der Zuwendung: Je umfassender die Sachzuwendung ist, desto eher spricht dies für eine Alleinerbeneinsetzung.
  • Formulierungen im Testament: Wendungen wie „alles was ich besitze“ oder „mein gesamtes Vermögen“ deuten auf eine Erbeinsetzung hin.
  • Verhältnis zum Erblasser: Ein enges persönliches Verhältnis zum Erblasser spricht eher für eine Alleinerbeneinsetzung.
  • Ausschluss anderer Erben: Hat der Erblasser andere potenzielle Erben explizit ausgeschlossen, stärkt dies die Annahme einer Alleinerbeneinsetzung.

Beispiel:

Der Erblasser vermacht in seinem Testament seiner Lebensgefährtin „mein Haus, mein Auto und mein gesamtes Bankguthaben“.

Obwohl er sie nicht explizit als Erbin bezeichnet, kann diese Zuwendung als konkludente Alleinerbeneinsetzung ausgelegt werden, wenn sie nahezu sein gesamtes Vermögen umfasst.

Folgen der Auslegung:

Wird die umfassende Sachzuwendung als Alleinerbeneinsetzung ausgelegt, hat dies folgende Folgen:

  • Der Erbe erhält nicht nur den zugewendeten Gegenstand, sondern erbt den gesamten Nachlass.
  • Er haftet für alle Nachlassverbindlichkeiten.
  • Er muss die Pflichtteilsansprüche anderer Berechtigter erfüllen.

Wichtige Hinweise:

  • Die Auslegung letztwilliger Verfügungen ist eine komplexe Aufgabe und erfordert juristische Expertise.
  • Im Zweifelsfall entscheidet das Nachlassgericht über die Auslegung des Testaments.
  • Es ist ratsam, sich bei der Testamentserrichtung von einem Rechtsanwalt oder Notar beraten zu lassen, um Unklarheiten und spätere Auslegungsprobleme zu vermeiden.

Zusätzliche Informationen:

  • § 133 BGB: Regelt die Auslegung von Willenserklärungen.
  • § 2087 BGB: Regelt die Auslegung letztwilliger Verfügungen.
  • Rechtsprechung: Es gibt zahlreiche Gerichtsentscheidungen zur Auslegung von umfassenden Sachzuwendungen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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