Unternehmensanteile im Nachlassinsolvenzverfahren
RA und Notar Krau
Wenn jemand stirbt und Unternehmensanteile hinterlässt, wird es manchmal kompliziert, besonders wenn der Nachlass – also das gesamte Vermögen des Verstorbenen – zahlungsunfähig ist und ein sogenanntes Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. Die große Frage ist dann: Fallen die Unternehmensanteile selbst in die Insolvenzmasse und können vom Insolvenzverwalter verkauft werden, oder bekommt der Nachlass nur einen Geldbetrag dafür, dass der Erbe aus dem Unternehmen ausscheidet? Dieser Text erklärt das auf verständliche Weise.
Kapitalgesellschaften (GmbH, AG)
Bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) oder der AG (Aktiengesellschaft) ist die Sache relativ klar:
- Vererbung: Stirbt ein Gesellschafter (Anteilseigner), gehen seine Anteile (z.B. Aktien oder Geschäftsanteile) automatisch auf seine Erben über, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sagt etwas anderes.
- Insolvenz des Nachlasses: Wird über den Nachlass ein Insolvenzverfahren eröffnet, fallen diese Anteile direkt in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter kann sie dann verkaufen, um die Schulden des Nachlasses zu begleichen.
- Verkauf trotz Einschränkungen: Manchmal gibt es im Gesellschaftsvertrag Klauseln, die den Verkauf von Anteilen erschweren (z.B. Vinkulierungsklauseln, die eine Zustimmung der Gesellschaft erfordern). Solche Klauseln gelten aber nicht bei einem Zwangsverkauf im Rahmen einer Insolvenz. Das Recht der Gläubiger, sich aus den Anteilen zu befriedigen, hat hier Vorrang.
- Kündigung als Option: Falls der Anteil nicht frei verkauft werden kann, zum Beispiel weil der Gesellschaftsvertrag die Übertragbarkeit stark einschränkt, kann der Insolvenzverwalter unter Umständen auch die Mitgliedschaft des Erben kündigen. Ziel ist es dann, den Abfindungsanspruch für diesen Anteil zu erhalten und in die Insolvenzmasse zu überführen.
Unternehmensanteile im Nachlassinsolvenzverfahren
Personengesellschaften (GbR, OHG, KG)
Bei Personengesellschaften wie der GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) oder der OHG (Offene Handelsgesellschaft) ist die Situation etwas anders, besonders nach den Änderungen durch das MoPeG (Modernisierung des Personengesellschaftsrechts), das 2024 in Kraft getreten ist:
- Grundsätzliches Ausscheiden: Stirbt ein Gesellschafter einer GbR oder OHG, scheidet er normalerweise aus der Gesellschaft aus. In den Nachlass fällt dann nur ein Abfindungsanspruch – also ein Geldbetrag für seinen Anteil.
- Ausnahme Kommanditist und Nachfolgeklauseln: Bei einer KG (Kommanditgesellschaft) geht der Anteil eines Kommanditisten im Normalfall auf die Erben über. Oftmals gibt es auch in GbR- und OHG-Verträgen sogenannte Nachfolgeklauseln, die festlegen, dass der Erbe in die Gesellschaft eintreten soll.
- Der Erbe bleibt Gesellschafter: Wenn ein Nachlassinsolvenzverfahren über den Nachlass eines Gesellschafters einer Personengesellschaft eröffnet wird, der aufgrund einer Nachfolgeklausel oder als Kommanditist Gesellschafter geworden ist, bleibt der Erbe Gesellschafter. Das ist ein wichtiger Unterschied zur Situation, wenn der Gesellschafter selbst insolvent wäre.
- Keine Analogie zum Ausscheiden: Die Regeln, die besagen, dass ein insolventer Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden muss, gelten hier nicht analog für den solventen Erben. Der Grund: Es geht nicht darum, die Mitgesellschafter vor einem „aufgedrängten“ Insolvenzverwalter als neuem Gesellschafter zu schützen. Der solvente Erbe bleibt ja der Gesellschafter. Der Insolvenzverwalter hat dann die Aufgabe, den geerbten Anteil zu verwerten, aber nicht selbst in die Gesellschaft einzutreten.
- Verwertungsmöglichkeiten des Nachlassinsolvenzverwalters:
- Freigabe an den Erben: Der Insolvenzverwalter kann den Anteil gegen eine Zahlung des Erben an die Insolvenzmasse an diesen „freigeben“. Das bedeutet, der Erbe behält seinen Anteil und zahlt dafür einen Betrag in die Insolvenzmasse.
- Verkauf an Dritte: Wenn der Gesellschaftsvertrag den Verkauf der Anteile an Dritte erlaubt, kann der Insolvenzverwalter diese auch an externe Käufer veräußern.
- Kündigung und Abfindung: Falls der Anteil nicht frei verkäuflich ist oder kein Dritter ihn kaufen möchte, kann der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft im Namen des Nachlasses kündigen. Ziel ist es dann, den dadurch entstehenden Abfindungsanspruch für den Anteil in die Insolvenzmasse zu bekommen.
Fazit
Im Nachlassinsolvenzverfahren können Unternehmensanteile auf verschiedene Weisen verwertet werden, je nachdem, ob es sich um Anteile an einer Kapital- oder einer Personengesellschaft handelt. Bei Kapitalgesellschaften fallen die Anteile direkt in die Insolvenzmasse und können vom Insolvenzverwalter verkauft werden, auch wenn der Gesellschaftsvertrag den Verkauf normalerweise einschränkt. Bei Personengesellschaften bleibt der Erbe, sofern er Gesellschafter geworden ist, auch im Nachlassinsolvenzverfahren Gesellschafter. Der Insolvenzverwalter verwertet den Anteil dann entweder durch Freigabe an den Erben gegen Zahlung, durch Verkauf an Dritte oder durch Kündigung der Mitgliedschaft, um den Abfindungsanspruch zu erhalten. Das übergeordnete Ziel ist immer, den Wert dieser Anteile für die Gläubiger des Nachlasses nutzbar zu machen.