Unterscheidung zwischen Vorausvermächtnis und Erbeinsetzung bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments
Gericht: OLG Zweibrücken 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 10.02.2025
Aktenzeichen: 8 W 21/24
Dokumenttyp: Beschluss
Hier ist eine Zusammenfassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken vom 10. Februar 2025 (Az.: 8 W 21/24)
Der Fall drehte sich um die Frage, wer Erbe eines Ehepaares wurde und wie ihre verschiedenen letztwilligen Verfügungen (Erbvertrag und späteres gemeinschaftliches Testament) im Verhältnis zueinander auszulegen sind.
Das Ehepaar hatte zwei überlebende Söhne (Beteiligte 1 und 2) und ein vorverstorbenes drittes Kind (Tochter C.), deren Kinder (u.a. Enkelin T., Beteiligte 4) nach der gesetzlichen Erbfolge deren Platz einnehmen würden.
Das Ehepaar hatte im Laufe der Jahre zwei wichtige Dokumente zur Regelung ihres Nachlasses erstellt:
Erbvertrag von 1995:
Die Eheleute setzten sich gegenseitig als Erben ein.
Nach dem Tod des Längstlebenden sollten die drei Kinder (oder deren Abkömmlinge als Ersatzerben) und die Enkelin T. (Beteiligte 4) zu gleichen Teilen (jeweils 1/4) erben.
Gemeinschaftliches handschriftliches Testament von 2018:
Dieses Testament wurde nach dem Tod der Tochter C. erstellt.
Es hielt fest, dass Sohn B. (Beteiligter 2) bereits zu Lebzeiten ein Haus als Schenkung erhalten hatte.
Es verfügte, dass Sohn M. (Beteiligter 1) nach dem Ableben das zweite Haus („erben“ solle).
Es verfügte, dass Enkelin T. (Beteiligte 4) 2.000 € von ihrem Geld bekommen solle.
Das übrige Geldvermögen (ca. 30.000 € insgesamt, abzüglich 2.000 €) und andere Gegenstände wurden im Testament nicht geregelt.
Die beiden Söhne (Beteiligte 1 und 2) waren der Ansicht, das spätere Testament von 2018 habe den Erbvertrag von 1995 vollständig ersetzt. Sie meinten, es habe den Willen der Eltern ausgedrückt, nur sie beide als Erben einzusetzen (unter Ausschluss der Enkelin T. und der anderen Enkelkinder).
Das OLG Zweibrücken bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanz und wies die Beschwerde der Söhne zurück. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Regelungen im Testament von 2018 keine neue, umfassende Erbeinsetzung der Söhne darstellten, sondern ergänzende Verfügungen zum bestehenden Erbvertrag von 1995.
Das Testament von 2018 regelte nur einzelne Vermögensgegenstände (das Haus für Sohn M. und 2.000 € für Enkelin T.), ließ aber einen großen Teil des restlichen Vermögens (den Großteil des Geldvermögens) ungeregelt. Wenn die Eheleute eine komplette Neuregelung gewollt hätten, hätten sie auch das restliche Geldvermögen klar verteilen müssen. Diese Lücke spricht gegen eine vollständige Aufhebung des Erbvertrages.
Die Zuwendung des Hauses an Sohn M., selbst unter Verwendung des Wortes „erben“, wurde als Vorausvermächtnis ausgelegt.
Ein Vorausvermächtnis ($ 2150 BGB) ist die Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes an einen Erben, der diesen Gegenstand zusätzlich zu seinem Erbteil und ohne Anrechnung erhält.
Eine Erbeinsetzung ist die Zuwendung des gesamten Vermögens oder eines Bruchteils davon (z.B. 1/2 oder 1/4).
Die Zuwendung des Hauses erfolgte als Ausgleich für die bereits erfolgte lebzeitige Schenkung des anderen Hauses an Sohn B. Ziel war die Gleichstellung bei den Immobilien, nicht zwingend die Einsetzung zum Alleinerben. Die Tatsache, dass das Haus den größten Teil des Nachlasses ausmachte, änderte daran nichts.
Da das Testament keine umfassende und abschließende neue Regelung war, blieb der Erbvertrag von 1995 in seinen Hauptpunkten wirksam.
Die Erbfolge richtet sich weiterhin nach dem Erbvertrag von 1995. Das bedeutet:
Die vier Stämme (Sohn M., Sohn B., Tochter C.s Nachkommen, Enkelin T.) erben zu gleichen Teilen (jeweils 1/4).
Die Regelungen im Testament von 2018 (Haus für Sohn M., 2.000 € für Enkelin T.) sind ergänzende Vorausvermächtnisse, die die Erben zusätzlich zu ihrem Erbteil bekommen, wobei die Enkelkinder die Erben der vorverstorbenen Tochter C. sind.
Die Entscheidung bekräftigt, dass, wenn Eheleute ihre Erbfolge umfassend in einem Erbvertrag regeln und später in einem Testament nur einzelne Gegenstände zuweisen, dies in der Regel keine Änderung der Erbeinsetzung ist, sondern nur ein ergänzendes Vermächtnis darstellt – selbst wenn der zugewiesene Gegenstand den Großteil des Vermögens ausmacht. Es muss ein klarer Wille erkennbar sein, die frühere umfassende Regelung zu ersetzen, was hier nicht der Fall war.
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