unwirksame (gestaltende) Zuordnung einer Baufläche durch einen öffentlich-rechtlichen (Vergleichs-) Vertrag

November 1, 2025

unwirksame (gestaltende) Zuordnung einer Baufläche durch einen öffentlich-rechtlichen (Vergleichs-) Vertrag

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof 5. Senat
Entscheidungsdatum: 21.10.2025
Aktenzeichen: 5 A 2395/21.Z
Dokumenttyp: Beschluss

Gerne fasse ich den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 21. Oktober 2025 (Az.: 5 A 2395/21.Z) zusammen.

Zusammenfassung des Gerichtsbeschlusses

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag einer Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen abgelehnt. Damit bleibt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Ablehnung einer Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus zu bestätigen, bestehen.

Worum ging es?

Die Klägerin, Eigentümerin eines Grundstücks, das Teil eines ehemaligen Parkgeländes ist, wollte dort ein Einfamilienhaus bauen und beantragte eine Baugenehmigung. Das Grundstück liegt außerhalb eines Bebauungsplans und ist im Flächennutzungsplan als „Grünanlage/Parkanlage“ ausgewiesen.

Der Kern des Problems:

Es musste geklärt werden, ob das geplante Bauvorhaben als Bebauung im Innenbereich (§ 34 Baugesetzbuch – BauGB) oder im Außenbereich (§ 35 BauGB) rechtlich zu beurteilen ist. Im Innenbereich ist Bauen leichter möglich, im Außenbereich nur in Ausnahmefällen (privilegierte Vorhaben).

Historie:

Bereits 2016 hatte das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin abgewiesen, da das Grundstück im Außenbereich liege und das Vorhaben unzulässig sei.

Der Vergleichsvertrag und seine Unwirksamkeit

Im Zuge des folgenden Berufungszulassungsverfahrens vor dem VGH schlossen die Klägerin, die Beklagte (die Stadt) und eine Beigeladene einen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag.

unwirksame (gestaltende) Zuordnung einer Baufläche durch einen öffentlich-rechtlichen (Vergleichs-) Vertrag

Darin wurde vereinbart, dass die Stadt das gemeindliche Einvernehmen gemäß § 34 BauGB (Innenbereich) für den Bau des Einfamilienhauses zusichert.

Das Gericht stellte fest:

Lage im Außenbereich:

Das Gericht kam nach umfassender Prüfung der örtlichen Gegebenheiten (Luftbilder, Karten, Umgebungsbebauung) zu dem Schluss, dass das Grundstück tatsächlich im Außenbereich liegt. Es setzt den vorhandenen Bebauungszusammenhang nicht fort (keine „Baulücke“), sondern stellt sich als Teil der ehemaligen Parkanlage dar. Der Abstand zur nächsten Bebauung ist teils sehr groß (ca. 100 m).

Unzulässigkeit des Bauvorhabens:

Da das Grundstück im Außenbereich liegt und es sich beim geplanten Einfamilienhaus nicht um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB handelt und es den Darstellungen im Flächennutzungsplan (Grünanlage) widerspricht, ist das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig nach § 35 Abs. 2 BauGB.

Nichtigkeit des Vertrages:

Der Vergleichsvertrag, der das Grundstück als dem Innenbereich zugehörig behandeln sollte, ist unwirksam (nichtig).

Verstoß gegen Gesetze:

Die Vertragspartner (Stadt und Landkreis) sind nicht befugt, außerhalb eines regulären Bebauungsplanverfahrens eine verbindliche „gestaltende“ Zuordnung einer Fläche zum Innen- oder Außenbereich vorzunehmen. Eine solche vertragliche Umgehung des zwingenden Bauplanungsrechts ist ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 59 Abs. 1 HVwVfG i.V.m. § 134 BGB).

Keine Ungewissheit:

Für einen wirksamen Vergleichsvertrag müsste eine Unsicherheit hinsichtlich der Rechtslage oder des Sachverhalts bestanden haben. Diese lag hier aber nicht vor, da die Stadt die Lage im Außenbereich bereits in früheren Bescheiden korrekt dargelegt hatte. Das Prozessrisiko allein reicht nicht aus.

Fazit des Gerichts

Da das Bauvorhaben im Außenbereich unzulässig ist und der Vergleichsvertrag, der eine Innenbereichsbehandlung festlegen sollte, nichtig ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung.

Die vom Gericht geprüften Zulassungsgründe für eine Berufung (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten, Verfahrensmängel) wurden von der Klägerin nicht überzeugend dargelegt. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde daher abgelehnt.

Leitsatz (Kernaussage)

Ein öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag, der eine Fläche im Außenbereich fälschlicherweise als Innenbereich behandelt, obwohl die tatsächliche und rechtliche Lage klar war, ist unwirksam.

RA und Notar Krau

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