Unwirksamkeit eines kurz vor Eheschließung abgeschlossenen Erbvertrags
Das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle) hat mit Beschluss vom 27. Januar 2025 (Az. 6 W 148/24) entschieden,
dass ein kurz vor der Eheschließung abgeschlossener Erbvertrag, in dem sich die künftigen Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, gemäß § 2077 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend
unwirksam ist, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Ehescheidung gegeben waren und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte.
Der im Dezember 2023/Januar 2024 verstorbene Erblasser war seit dem 18. September 2015 mit der Beteiligten zu 1 verheiratet.
Die Beteiligte zu 2 ist seine Tochter aus einer früheren Beziehung.
Vier Tage vor der Eheschließung, am 14. September 2015, schlossen der Erblasser und die Beteiligte zu 1 einen Erbvertrag und einen Ehevertrag vor einem Notar.
Im Erbvertrag widerriefen sie alle bisherigen letztwilligen Verfügungen und setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein.
Die Beteiligte zu 1 setzte ihre behinderte Tochter (nicht die Beteiligte zu 2) mit einem Vermächtnis in Höhe eines Viertels des Nachlasses aus.
Der Erbvertrag enthielt die Klausel, dass er „auch schon vor unserer Eheschließung gelten soll“.
Im Dezember 2021 reichte die Beteiligte zu 1 einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe und Ehescheidung ein, mit der Begründung, die Ehegatten lebten seit dem 23. August 2020 getrennt.
Der anwaltlich vertretene Erblasser erklärte im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren im Januar 2022, dass auch er die Ehe für gescheitert halte und geschieden werden wolle.
Er kündigte an, der Scheidung zuzustimmen oder selbst einen Scheidungsantrag zu stellen.
Der Scheidungsantrag wurde dem Erblasser im März 2022 zugestellt.
Im Scheidungsverfahren machte der Erblasser die Unwirksamkeit des Ehevertrags geltend und beantragte die Regelung von nachehelichem Unterhalt und Zugewinnausgleich.
Die Beteiligte zu 1 focht hilfsweise die Eheschließung an und beantragte die Aufhebung der Ehe.
Der Erblasser beantragte die Zurückweisung dieser Anträge. Zu einem ersten Gerichtstermin im Juni 2023 erschien der Erblasser aus gesundheitlichen Gründen nicht.
Ein neuer Termin wurde auf Februar 2024 anberaumt, den der Erblasser jedoch aufgrund seines Todes nicht mehr erlebte.
Sowohl die Beteiligte zu 1 als auch die Beteiligte zu 2 beantragten jeweils einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist.
Die Beteiligte zu 1 berief sich auf den Erbvertrag, die Beteiligte zu 2 auf die gesetzliche Erbfolge.
Das Amtsgericht Soltau wies den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurück und stellte die für den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 erforderlichen Tatsachen fest.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen diese Entscheidung blieb vor dem OLG Celle erfolglos.
Das OLG Celle bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und führte zur Begründung aus, dass die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 im Erbvertrag gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam sei
und das gesetzliche Erbrecht der Beteiligten zu 1 als Ehegattin gemäß § 1933 Satz 1 BGB ausgeschlossen sei.
Das OLG Celle stellte fest, dass § 2077 BGB auf den vorliegenden Erbvertrag entsprechende Anwendung findet (§ 2279 Abs. 1 BGB). § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass eine letztwillige Verfügung, durch die
der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam ist, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wurde.
Gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB steht der Auflösung der Ehe gleich, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen
für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.
Die Vorschrift des § 2077 BGB trägt einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachten Rechnung und dient als Auslegungsregel für den
mutmaßlichen Willen des Erblassers, wonach eine testamentarische Zuwendung an den Ehegatten regelmäßig nur für den Fall des Bestehens der Ehe gelten soll.
Dies gilt gemäß § 2077 Abs. 2 BGB entsprechend für Zuwendungen an den Verlobten, wenn das Verlöbnis vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wurde.
Das OLG Celle wies darauf hin, dass der vorliegende Fall sich von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) NJW 2024, 2537 unterscheidet.
In dem vom BGH entschiedenen Fall war der Erbvertrag viereinhalb Jahre vor der Eheschließung geschlossen worden und die Beteiligten waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht verlobt.
Im vorliegenden Fall hingegen schlossen der Erblasser und die Beteiligte zu 1 den Erbvertrag nur vier Tage vor der bereits feststehenden Eheschließung,
für die das Aufgebot bestellt war, sodass ein ernstliches Eheversprechen im Sinne einer Verlobung vorlag.
Zudem wurde der Erblasser im Erbvertrag bereits als „Ehemann“ bezeichnet und die Vertragsparteien vereinbarten, dass der Erbvertrag „auch schon vor unserer Eheschließung gelten (soll)“.
Diese Formulierung deutet klar darauf hin, dass der Erbvertrag im Hinblick auf die bevorstehende Eheschließung geschlossen wurde.
Aus der Klausel, dass der Erbvertrag vor der Eheschließung gelten sollte, lässt sich nicht ableiten, dass er auch nach einer Ehescheidung fortbestehen sollte (§ 2077 Abs. 3 BGB).
Der Umstand, dass die Ehegatten am selben Tag auch einen Ehevertrag schlossen, in dem sie gegenseitige Ansprüche für den Fall der Scheidung ausschlossen, ändert daran nichts.
Da es sich um getrennte Urkunden ohne wechselseitige Bezugnahme handelt, kann nicht angenommen werden, dass die Ehegatten bei
Abschluss des Erbvertrags die Möglichkeit der Scheidung bedacht und eine Fortgeltung der gegenseitigen Erbeinsetzung auch für diesen Fall gewollt hätten.
Das OLG Celle stellte fest, dass zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren (§ 1565 Abs. 1 BGB).
Die Ehe war gescheitert, da die Ehegatten seit August 2020 getrennt lebten (§ 1566 Abs. 1 BGB) und die Beteiligte zu 1 die Scheidung beantragt hatte.
Auch die Zustimmung des Erblassers zur Scheidung lag vor.
Er hatte bereits im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren durch seinen Anwalt erklärt, dass auch er die Ehe für gescheitert halte und geschieden werden wolle.
Die Ankündigung der Zustimmung im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens wertete das OLG Celle als vorsorglich vorweg erklärte Verfahrenshandlung.
Es sei nicht erforderlich, dass die Zustimmung ausdrücklich gegenüber dem Familiengericht im Scheidungstermin erklärt wird.
Die Ankündigung der Zustimmung gegenüber dem Gericht durch den anwaltlich vertretenen Erblasser genüge den Anforderungen des § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Der spätere Antrag des Erblassers auf Zurückweisung der Anträge der Beteiligten zu 1 bezog sich lediglich auf den hilfsweise gestellten
Antrag auf Aufhebung der Ehe nach § 1314 BGB und nicht auf den Scheidungsantrag selbst.
Der Erblasser hatte bis zu seinem Tod seine angekündigte Zustimmung zur Scheidung nicht widerrufen.
Der Umstand, dass er Folgesachen wie Unterhalt und Zugewinnausgleich geltend machte, deutete nicht darauf hin,
dass er die Scheidung grundsätzlich nicht mehr wollte, sondern lediglich, dass er die Scheidungsfolgen gleichzeitig regeln wollte.
Eine Scheidung wäre bei Abtrennung der Folgesachen möglich gewesen.
Da die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers gegeben waren und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte,
war gemäß § 1933 Satz 1 BGB auch das gesetzliche Erbrecht der Beteiligten zu 1 als Ehegattin ausgeschlossen.
Das OLG Celle bestätigte, dass ein kurz vor der Eheschließung abgeschlossener Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung gemäß § 2077 Abs. 1 BGB entsprechend unwirksam ist,
wenn die Ehe später scheitert und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hat.
Die Ankündigung der Zustimmung zur Scheidung im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren genügt dabei den Anforderungen des Gesetzes.
Infolgedessen war die Beteiligte zu 1 nicht Erbin aufgrund des Erbvertrags und auch ihr gesetzliches Erbrecht war ausgeschlossen.
Die Beteiligte zu 2 als Tochter des Erblassers war somit die maßgebliche Erbin.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.