Unzulässigkeit der Ablehnung eines Richters wegen Prozessverschleppung
Datum: 19.11.2008
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper: 2. Zivilsenat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 2 W 114/08
Dieser Fall dreht sich um den Versuch einer Partei, das Gerichtsverfahren durch wiederholte Anträge zur Ablehnung von Richtern in die Länge zu ziehen, und die Entscheidung des Gerichts, diesem Vorgehen Einhalt zu gebieten.
In dem ursprünglichen Verfahren vor dem Landgericht B. (Aktenzeichen 11 O 56/07) gab es einen Rechtsstreit, in dem ein Beklagter (derjenige, der verklagt wurde) durch sein Verhalten auffiel.
Der Beklagte hatte bereits in der Vergangenheit versucht, Richter abzulehnen. Im aktuellen Fall ging es um seinen Antrag, eine Richterin am Landgericht, Frau H., abzulehnen. Dieser Antrag wird als Ablehnungsgesuch bezeichnet.
Das ist der formelle Antrag einer Partei, einen Richter vom Fall auszuschließen, weil man befürchtet, er sei befangen, also nicht unparteiisch. Nach dem Gesetz (§ 42 ZPO) liegt eine Besorgnis der Befangenheit vor, wenn aus der Sicht einer vernünftigen Partei ein Grund vorliegt, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln.
Das Landgericht B. hatte das Ablehnungsgesuch des Beklagten bereits abgelehnt (durch Beschluss vom 19. September 2008). Der Beklagte legte dagegen sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Köln ein.
Das ist ein Rechtsmittel, um eine schnelle Überprüfung einer Entscheidung (hier: die Ablehnung des Richters) durch ein höheres Gericht zu erwirken.
Das Oberlandesgericht Köln wies die sofortige Beschwerde des Beklagten zurück (Beschluss vom 19. November 2008 – 2 W 114/08). Das bedeutet, das OLG bestätigte die Entscheidung des Landgerichts: Die Richterin bleibt im Amt.
Die Hauptbegründungen des OLG waren:
Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte das Ablehnungsgesuch nicht aus berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit der Richterin gestellt hatte, sondern um das Verfahren zu verschleppen.
Eine Partei versucht, das Verfahren absichtlich zu verlangsamen oder zu verhindern.
Wenn eine Partei ein gesetzlich vorgesehenes Recht (wie das Ablehnungsrecht) nur dazu nutzt, um andere unrechtmäßig zu behindern oder das Verfahren zu verzögern.
Das Gericht begründete die Verschleppungsabsicht mit einer detaillierten Auflistung des gesamten früheren Prozessverhaltens des Beklagten, das stets auf eine Verzögerung hinauslief, z.B.:
Er beantragte mehrmals Fristverlängerungen für seine Klageerwiderung.
Er reichte wichtige Schriftsätze (wie eine sogenannte Drittwiderklage) extrem spät, kurz vor Verhandlungsterminen, ein, um eine Verhandlung zu verhindern.
Er lehnte bereits frühere Richter mit fragwürdigen Begründungen ab, die später als unbegründet abgewiesen wurden.
Er benannte selbst Fristen für seine Äußerungen, nur um am letzten Tag neue Anträge (z.B. auf Akteneinsicht) zu stellen und so die Entscheidung weiter hinauszuzögern.
Das OLG sah das erneute Ablehnungsgesuch als Teil dieser rechtsmissbräuchlichen Taktik. Das Recht zur Richterablehnung ist kein Instrument, um Verfahrensfehler zu überprüfen oder um die Verfahrensleitung zu kritisieren.
Auch in der Sache fand das Gericht keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Richterin.
Die Richterin hatte den Vorwurf, sie habe bestimmte Hinweise nicht erteilt oder den Termin nicht ausreichend vorbereitet, widerlegt oder das Gericht sah die Kritik als unberechtigt an.
Dass ein Richter eine andere Rechtsansicht vertritt als eine Partei, ist kein Ablehnungsgrund.
Die Richterin musste einen sehr spät, erst am Verhandlungstag, eingereichten umfangreichen Schriftsatz des Beklagten (17 Seiten) nicht sofort im Termin lesen. Dies sei eine „Unsitte“, die auf eine Missachtung des Gerichts hinweise.
Dass die Richterin nicht sofort über einen Antrag des Beklagten (auf Aussetzung des Verfahrens) entschieden, sondern einen späteren Verkündungstermin angesetzt hatte, war zulässig und sachgerecht.
Auch die Entscheidung der Richterin, keine Güteverhandlung durchzuführen, war angesichts des bisherigen streitlustigen Verhaltens des Beklagten zulässig, da sie als aussichtslos erscheinen konnte.
Das Gericht lehnte es ab, die Entscheidung noch weiter hinauszuschieben, um dem Beklagten noch mehr Zeit für weiteren Vortrag oder neue Akteneinsicht zu geben.
Der Kläger (die Gegenseite) habe ein Recht auf eine zügige Entscheidung.
Das europäische Recht (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, der das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren schützt) gebiete es, nunmehr zu entscheiden.
Das OLG Köln hat klargestellt, dass das Recht, einen Richter wegen Befangenheit abzulehnen, nicht dazu missbraucht werden darf, ein Gerichtsverfahren absichtlich zu verzögern. Die Beschwerde wurde zurückgewiesen, und der Beklagte musste die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen.
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