ArbG Gera, Urteil vom 12.10.2021 – 3 Ca 31/21

Dezember 6, 2021

ArbG Gera, Urteil vom 12.10.2021 – 3 Ca 31/21

Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Entgelt für den Monat September 2020 in Höhe von 1927 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Überstundenvergütung in Höhe von 399,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2020 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 737,14 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2020 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Coronaprämie in Höhe von 1.125 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2020 auszuzahlen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 13 % und die Beklagte zu 87 % zu tragen.

6. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.188,89 € festgesetzt.

7. Soweit die Berufung nicht kraft Gesetzes statthaft ist, wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand
Die Klägerin war bei der Beklagten als Pflegefachkraft in der Zeit vom 15.02.2017 bis zum 31.10.2020 beschäftigt. Es war ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.927 € brutto und ein Jahresurlaub von 26 Urlaubstagen vereinbart. Weiterhin war ein Arbeitszeitkonto vereinbart. Wegen der einzelnen Vertragsbedingungen wird auf den Arbeitsvertrag vom 01.02.2017 nebst Nachtrag vom 15.07.2019 sowie auf die Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto vom 01.02.2017 verwiesen.

Die Klägerin arbeitete durchschnittlich 30 Stunden pro Woche bei der Beklagten. Die Beklagte zahlte der Klägerin für den Monat Juni 2020 2.076,14 € brutto, für Juli 2020 1.854,32 € brutto und für August 2020 2.058,79 € brutto. Auf die Lohnabrechnungen in Anlage K 14, Bl. 60 ff wird verwiesen.

Das Arbeitszeitkonto der Klägerin betrug Ende Juli 2020 ein Guthaben von 30,75 Stunden auf. Die Klägerin arbeitete entsprechend den Planungen der Beklagten am 01.08, 02.08., 06.08 und 07.08.2021. Für 03.08., 04.08. und 05.08. war seitens der Beklagten für die Klägerin “arbeitsfrei” geplant. In der Zeit vom 10.08.2020 bis 19.08.2020 gewährte die Beklagte der Klägerin Urlaub in natura. Seit dem 20.08.2020 erbrachte die Klägerin der Beklagten keine Arbeitsleistung mehr.

Der Auszug des von der Beklagten vorgelegten Überstundenkontos weist für den Monat August 6,25 Minusstunden und daraus resultierend unter Verrechnung des Guthabens aus dem Vormonat einen Guthabenstand von 24,5 Überstunden aus. Für den Monat September weist er weitere 32,25 Fehlstunden und daraus resultierend einen negativen Kontostand von 7,75 Stunden aus. Gleichzeitig ist der Zeitraum vom 20.08.2020 bis Ende September als “krank” markiert. (vgl. Anlage B 01, Bl. 35 d.A.).

Mit Schreiben vom 25.11.2020 machte die Klägerin einen Entgeltfortzahlungsanspruch für den Monat September 2020 i.H.v. 1.927 € brutto, einen Anspruch auf Vergütung von 30,75 Überstunden aus dem Arbeitszeitkonto i.H.v. 399,75, der Abgeltung von restlichen 11 Urlaubstagen i.H.v. 978,32 € und der Zahlung einer Corona-Prämie i.H.v. 1.500,- € geltend.

Mit Schreiben vom 09.12.2020 rechnete die Beklagte gegenüber den geltend gemachten Ansprüchen mit einer Gegenforderung auf Rückzahlung von Ausbildungsvergütung i.H.v. insgesamt 5.944,46 € auf.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe ihr für den gesamten Monat September 2020 das regelmäßige Entgelt fortzuzahlen. Dazu behauptet sie, sie sei seit dem 20.08.2020 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe der Beklagten für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis 30.09.2020 entsprechende ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen übermittelt. Dazu verweist sie auf die in Anlage K 12 in Kopie eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und die Bescheinigung der AOK vom 18.06.2020, (vgl. Bl. 55-58 d.A.). Auch schulde ihr die Beklagte als Ausgleich ihres Arbeitszeitkontos die Vergütung ihres Guthabens von 30,75 Stunden zu einem Durchschnittsstundenlohn von 13,00 €. Im August und September 2020 seien keine Minusstunden angefallen. Weiterhin seien restliche 8 Urlaubstage abzugelten. Entsprechend ihrer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Wochenstunden sei ihr anteilig eine Corona-Prämie zu zahlen. Eine aufrechenbare Gegenforderung habe nicht bestanden.

Nach teilweiser Klagerücknahme des Urlaubsabgeltungsanspruchs um 3 Urlaubstage i.H.v. 241,18 € und des Anspruchs auf Corona-Prämie i.H.v. 375 € nebst Verzugszinsen beantragt die Klägerin nunmehr:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Entgelt für den Monat September 2020 in Höhe von 1927 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Überstundenvergütung in Höhe von 399,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2020 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 737,14 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2020 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Coronaprämie in Höhe von 1.125 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2020 auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, das Arbeitszeitkonto der Klägerin habe zuletzt einen negativen Saldo ausgewiesen.

Gründe
I. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung von Entgeltfortzahlung für September 2020 i.H. ihres vereinbarten Bruttogehaltes von 1.927,- € gemäß §§ 3,4 EFZG i.V.m. dem Arbeitsvertrag. Die Klägerin war in der Zeit vom 20.08.2020 bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses am 31.10.2020 arbeitsunfähig erkrankt, wie sie durch die Kopien ihrer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und die Bescheinigung ihrer Krankenkasse belegt hat. Der 6-wöchige Entgeltfortzahlungszeitraum endete erst mit Ablauf des 30.09.2020.

Ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 EFZG besteht nicht, da die Klägerin ihren Obliegenheitspflichten zur Nachweisführung ihrer Arbeitsunfähigkeit spätestens mit Vorlage der Kopien der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und der Bescheinigung ihrer Krankenkasse in ausreichendem Maß nachgekommen ist. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte die Arbeitsunfähigkeit auch im Arbeitszeitkonto markiert hat, erscheint das Bestreiten der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zudem als unzureichend pauschal.

Die Forderung ist nicht durch Aufrechnung vom 09.12.2020 gemäß § 389 BGB erloschen. Die Beklagte hat eine aufrechenbarer Gegenforderung i.S.d. § 387 BGB nicht vorgetragen. Zudem findet gemäß § 394 BGB keine Aufrechnung statt, soweit die Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist.

II. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Ausgleich ihres Arbeitszeitkontos. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2020 kann der Saldo nicht mehr in Freizeit ausgeglichen werden, weshalb sich das Wahlrecht der Arbeitgeberin auf den Zahlungsanspruch reduziert.

Ende Juli 2020 wies das Arbeitszeitkonto unstreitig ein Guthaben von 30,75 Überstunden auf. Dieses Guthaben konnte in den Monaten August und September 2020 nicht mehr reduziert werden, da die Klägerin zu Beginn des Monats August dienstplangerecht ihrer Arbeit nachkam, anschließend Urlaub erhielt und seit dem 20.08.2020 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt war. Wie die Beklagte zu den in dem von ihr vorgelegten Auszug des Arbeitszeitkontos auf im Monat August 2020 ausgewiesene 6,25 Fehlstunden und im September 2020 auf ausgewiesene 32,25 Fehlstunden kommt, trägt sie nicht vor. Möglicherweise resultieren sie aus der unzutreffenden Annahme, die Klägerin sei im Krankheitszeitraum unentschuldigt der Arbeit fern geblieben.

Ausgehend von einem Grundlohn von 13,00 € pro Stunde ergibt multipliziert mit 30,75 Guthabenstunden errechnet sich der zugesprochene Betrag.

Die Forderung ist nicht durch Aufrechnung vom 09.12.2020 gemäß § 389 BGB erloschen. Die Beklagte hat eine aufrechenbarer Gegenforderung i.S.d. § 387 BGB nicht vorgetragen. Zudem findet gemäß § 394 BGB keine Aufrechnung statt, soweit die Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist.

III. Die Klägerin hat gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Abgeltung von 8 Urlaubstagen, welche ihr während ihres Arbeitsverhältnisses nicht in natura gewährt werden konnten.

Ausgehend von dem Durchschnitt des Bruttoentgelts der Monate Juni 2020 bis August 2020 i.H.v. 1.996,42 € brutto hat die Klägerin einen Anspruch i.H.v. 737,14 € brutto.

IV. Die Klägerin hat entsprechend den Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150 a Abs. 7 SGB IX über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Corona-Virus-SARS-COV-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen (Prämien-Festlegungen Teil 1) vom 29.05.2020 Anspruch auf Zahlung einer steuer- und sozialabgabenfreien Sonderleistung (Corona-Prämie) i.H.v. anteilig entsprechend ihrer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Wochenstunden i.H.v. 1.125 €. Im Bemessungszeitraum vom 01.03.2020 bis 31.10.2020 war die Klägerin durchgehend für die Beklagte und somit mehr als drei Monate ohne Unterbrechung als Pflegefachkraft beschäftigt.

V. Die zugesprochenen Zinsansprüche folgen aus Verzug gemäß § 286,288 Abs. 1 BGB.

VI. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes bemisst sich nach dem Gesamtwert der zur Entscheidung gestellten Hauptforderungen.

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 2.Alt ZPO. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war dies als Unterliegensanteil der Klägerin zu werten, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

VIII. Mangels Berufungszulassungsgründen gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG war die Berufung nicht gemäß § 64 Abs. 2 a) ArbGG zuzulassen. Unberührt von dieser Entscheidung ist die Statthaftigkeit der Berufung nach dem Beschwerdewert, § 64 Abs. 2 b) ArbGG.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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