BAG, 31.01.1985 – 6 ABR 26/82

Mai 4, 2019

BAG, 31.01.1985 – 6 ABR 26/82
Gründe

I.

Die Antragsgegnerin ist ein Versicherungsunternehmen. Aufgrund eines Beschlusses des Betriebsrats, der in der Filialdirektion der Antragsgegnerin in Karlsruhe gebildet ist, hat das Betriebsratsmitglied A vom 20. – 26. Januar 1980 an einer Schulungsveranstaltung der Antragstellerin mit dem Themenbereich “Rationalisierung und Auswirkungen der Rationalisierung” teilgenommen, das eigens für Betriebsräte im Unternehmensbereich der Antragsgegnerin durchgeführt worden ist.

Die Antragsgegnerin weigert sich, diesem Betriebsratsmitglied die entstandenen Schulungskosten zu zahlen. Daraufhin hat dieser seine Forderung in Höhe von 992,80 DM an die Antragstellerin abgetreten.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, 992,80 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat Abweisung des Antrags beantragt.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben das Begehren abgewiesen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts enthält keinen Tatbestand. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Gegen diese Nichtzulassung hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr ursprüngliches Begehren weiter. Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der erkennende Senat hat die Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluß gemäß § 92 a, § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 72 a Abs. 3 ArbGG 1979 zugelassen, weil das Landesarbeitsgericht entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 25, 348; 25, 452, 467 f. = AP Nr. 5, 7 zu § 37 BetrVG 1972, sowie Beschlüsse vom 26. August 1975 – 1 ABR 12/74 -; 21. November 1978 – 6 ABR 10/78 -, AP Nr. 21, 35 zu § 37 BetrVG 1972 und zuletzt vom 5. April 1984 – 6 AZR 495/81 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) verkannt hat, daß es keine gesetzliche Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds gibt, zunächst den Freistellungsanspruch gem. § 37 Abs. 7 BetrVG auszuschöpfen, bevor der Betriebsrat eine Freistellung nach § 37 Abs. 6 BetrVG verlangen kann.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

Der angefochtene Beschluß enthält keinen Tatbestand. Ein solcher von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel führt im Urteilsverfahren grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, selbst wenn die Revision erst durch das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden ist. Denn auch dann findet gegen das Urteil die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO statt (vgl. BAG Urteil vom 22. November 1984 – 6 AZR 103/82 – mit weiteren Nachweisen, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Obwohl § 96 ArbGG für das Beschlußverfahren nur auf die entsprechende Anwendung der §§ 564, 565 ZPO, nicht jedoch auf § 543 ZPO verweist, muß auch im Beschlußverfahren § 543 ZPO entsprechend angewandt werden (so auch Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 91 Rz 3). Denn der Zweck dieser Vorschrift, eine Nachprüfung der Entscheidung der Vorinstanz auf der Grundlage des festgestellten Sach- und Streitgegenstandes zu ermöglichen, gilt im Beschlußverfahren wie im Urteilsverfahren gleichermaßen.

Eine Bezugnahme auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung liegt hier nicht vor. Sie wäre im übrigen auch nur dann zulässig, wenn der Sachverhalt unstreitig ist, in zweiter Instanz nichts Neues vorgetragen worden ist und lediglich um eine Rechtsfrage gestritten wird (vgl. BAG Urteil vom 22. November 1984, aa0). Ein solcher Fall liegt schon deshalb nicht vor, weil zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG gegeben waren.

Dr. Auffarth,
Dr. Jobs,
Dr. Leinemann,
Wendlandt,
Dr. Hoffmann

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

a very tall building with a moon in the sky

Ist Mobbing strafbar?

März 13, 2024
Von RA und Notar Krau:Mobbing kann je nach den Umständen strafbar sein, aber nicht immer.Es gibt kein spezifisches Gesetz, das Mobbing al…
filling cans with freshly brewed beers

Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21

Februar 4, 2024
Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21 – Urteil vom 15.11.2023 – Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit…
man holding orange electric grass cutter on lawn

Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22

Februar 4, 2024
Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22 – Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes …