BAG 4 AZR 549/08
Grundsatz der Tarifeinheit – Rechtsprechungsänderung – Wahrung der Ausschlussfrist nach § 70 BAT durch schriftliche Geltendmachung per E-Mail
Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar. Diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung wird nicht dadurch verdrängt, dass für den Betrieb kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse derselben Art im Falle der Tarifbindung eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag – sogenannte Tarifpluralität (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, BAG 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – BAGE 67, 330).
vorgehend ArbG Mannheim, 31. Juli 2007, Az: 12 Ca 120/07, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 22. Januar 2008, Az: 14 Sa 87/07, Urteil
vorgehend BAG, 27. Januar 2010, Az: 4 AZR 549/08 (A)
vorgehend BAG, 23. Juni 2010, Az: 10 AS 3/10
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Die Parteien streiten über einen tariflichen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines Aufschlags zur Urlaubsvergütung.
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Der Kläger, Mitglied des Marburger Bundes, war vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2007 als Arzt in der Weiterbildung bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). Dem Arbeitsverhältnis liegt der am 12. März 2004 geschlossene Arbeitsvertrag zugrunde, in dessen § 2 es heißt:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für die Arbeitgeberin jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und bezirklichen Regelungen Anwendung. …“ |
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Der Marburger Bund hatte 1994 mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft(DAG) eine Vereinbarung über eine tarifliche Zusammenarbeit geschlossen, in der diese ua. zum Abschluss von Tarifverträgen bevollmächtigt wurde. Auf dieser Grundlage erfolgten auch Tarifabschlüsse durch die Rechtsnachfolgerin der DAG, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Im Verlauf der Tarifvertragsverhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Jahre 2005 widerrief der Marburger Bund gegenüber der Gewerkschaft ver.di die zum Abschluss von Tarifverträgen erteilte Vollmacht und forderte zugleich die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zu Tarifvertragsverhandlungen über einen Tarifvertrag für Ärzte auf. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA) wurde ua. von der Gewerkschaft ver.di und der VKA nach Zugang des Widerrufs der Vollmacht am 13. September 2005 unterzeichnet und trat am 1. Oktober 2005 in Kraft. Der Marburger Bund kündigte den BAT zum 31. Dezember 2005. Der später zwischen dem Marburger Bund und der VKA geschlossene Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) trat nach § 40 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA am 1. August 2006 in Kraft.
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Die Beklagte leitete den Kläger zum 1. Oktober 2005 gemäß dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(vom 13. September 2005, TVÜ-VKA) in das Tarifrecht des TVöD über. Der Kläger widersprach bereits mit Schreiben vom 26. September 2005 der ihm mitgeteilten Überleitung. Im Zeitraum vom 15. bis zum 31. Oktober 2005 nahm der Kläger Erholungsurlaub in Anspruch. Die Beklagte zahlte ihm für diese Zeit keinen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT. Bis zum Monat September 2005 hatte sie auf Grundlage dieser Tarifregelung dem Kläger einen Aufschlag von 57,16 Euro je Urlaubstag gezahlt. Mit Schreiben vom 5. Mai 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Anspruch nicht bestehe, weil sein Arbeitsverhältnis unter den Bedingungen des TVöD noch keine drei volle Monate bestanden habe. Mit Schreiben vom 6. Februar 2007 macht der Marburger Bund für den Kläger die Zulage iHv. insgesamt 628,76 Euro brutto erfolglos geltend.
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Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. Der Anspruch ergebe sich aufgrund seiner Mitgliedschaft im Marburger Bund kraft unmittelbarer beiderseitiger Tarifbindung an den BAT nach dessen § 47 Abs. 2. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Klägers von einer rechtmäßigen Überleitung in den TVöD ausgehen würde, sei sein Anspruch nach § 21 TVöD in Höhe von 552,40 Euro begründet, so wie es die Beklagte hilfsweise berechnet habe.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 628,76 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13. April 2007 zu zahlen. |
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit sei allein der speziellere TVöD anwendbar. Die Voraussetzungen der Nachfolgeregelung des § 47 Abs. 2 BAT in § 21 TVöD seien nicht erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe im Oktober 2005 noch keinen vollen Kalendermonat bestanden. Arbeitsverhältnisse iSd. § 21 TVöD seien nur solche unter der Geltung des betreffenden Tarifvertrages. Beschäftigungszeiträume vor dem 1. Oktober 2005 blieben daher unberücksichtigt.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Kläger hat nach gerichtlichem Hinweis des Senats weiter vorgetragen, er habe neben dem Schreiben des Marburger Bundes vom 6. Februar 2007 bereits mit einer E-Mail vom 1. Januar 2006 und mit einer weiteren E-Mail vom 31. Januar 2006 seine Ansprüche schriftlich geltend gemacht. Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Januar 2010 an den Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts eine Divergenzanfrage gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gerichtet. Der Zehnte Senat hat mit Beschluss vom 23. Juni 2010 (- 10 AS 3/10 -) über die Anfrage des erkennenden Senats entschieden.
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Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Kläger den Aufschlag zum Urlaubsentgelt nach § 47 Abs. 2 BAT zu Recht zugesprochen. Der zwischen den Parteien im Streitzeitraum unmittelbar und zwingend geltende BAT wird nicht durch den TVöD nach dem Grundsatz der Tarifeinheit aufgrund einer bei der Beklagten bestehenden Tarifpluralität verdrängt.
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Für das Arbeitsverhältnis galt der BAT unmittelbar und zwingend nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, da der Kläger im Streitzeitraum Mitglied des Marburger Bundes und die Beklagte Mitglied im KAV war. Für die elf in Anspruch genommenen Urlaubstage ergibt dies nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT den eingeklagten Betrag. Nach den durch das Landesarbeitsgericht gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte dem Kläger im Kalenderjahr 2005 bis einschließlich des Monats September einen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT auf Grundlage des Kalenderjahres 2004(vgl. BAG 13. Februar 1996 – 9 AZR 798/93 – AP BAT § 47 Nr. 19) in Höhe von 57,16 Euro brutto je Urlaubstag gezahlt.
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In einem solchen Fall ist nach der genannten Rechtsprechung die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und die „potentielle Möglichkeit“ ausreichend, dass ein der vertragsschließenden Gewerkschaft angehörender Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt ist(BAG 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 24. Januar 1990 – 4 AZR 561/89 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; s. auch BAG 24. September 1975 – 4 AZR 471/74 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11; 29. November 1978 – 4 AZR 304/77 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 2).
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Der Vierte Senat(s. dazu BAG 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 5. September 1990 – 4 AZR 59/90 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5; 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hat den Grundsatz der Tarifeinheit im Wesentlichen – wenn auch mit Nuancen in den einzelnen Entscheidungen – damit begründet, dass dieses letztlich auf dem Ordnungsgedanken beruhende Prinzip zwar im Tarifvertragsgesetz keinen Niederschlag gefunden habe; der Grundsatz folge aber aus den übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Das Tarifvertragsgesetz enthalte keine Regelungen für diesen Fall, weshalb eine Regelungslücke bestehe. Bei dem Grundsatz der Tarifeinheit handele es sich um ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip. Die Gewerkschaft des spezielleren Tarifvertrages könne wegen der größeren Sachnähe das stärkere Recht für sich in Anspruch nehmen. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge nebeneinander führe zu rechtlichen und tatsächlichen Unzuträglichkeiten, die durch den Grundsatz der Tarifeinheit vermieden würden. Der betriebseinheitliche Vorrang des spezielleren Tarifvertrages ermögliche „eine rechtlich klare und tatsächlich praktikable Lösung“. Zudem werde die problematische, rein tatsächlich auch nicht immer durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages (§ 3 Abs. 1 und 2 TVG) vermieden.
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Die Folgen der Verdrängung eines allgemeineren Tarifvertrages mit dem vollständigen Verlust des Tarifschutzes der hieran gebundenen Arbeitnehmer sei im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinzunehmen. Die betroffenen Arbeitnehmer könnten durch den Beitritt zu der anderen Gewerkschaft tariflichen Schutz erlangen. Die Situation unterscheide sich nicht von der nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG, der bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausschließe und insoweit auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer erfasse. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit schütze nur den Kernbereich des Tarifvertragssystems. Die Verdrängung eines Tarifvertrages berühre diesen nicht. Schließlich könne die betroffene Koalition einen noch spezielleren Tarifvertrag abschließen, für ihn werben und sich entsprechend betätigen.
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Der Umstand, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 TVG an verschiedene Tarifverträge gebunden sein können, hindert die unmittelbare und zwingende Wirkung nach § 4 Abs. 1 TVG nicht. Damit ist es nach dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertragsgesetzes möglich, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten(Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379). Tarifpluralität ist im System des Tarifvertragsgesetzes angelegt (s. nur Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 229; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 375 f.; Konzen RdA 1978, 146, 150; Kraft RdA 1992, 161, 166).
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(1) Eine Lücke im Tarifvertragsgesetz lässt sich nicht anhand der Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes begründen(statt vieler Franzen ZfA 2009, 297, 305; Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 736; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; sowie ausf. Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 64 ff.). Die Annahme, der Gesetzgeber habe eine Tarifpluralität wegen der Entwicklung der Gewerkschaften zu Einheitsgewerkschaften als nicht regelungsbedürftig angesehen und eine abweichende Entwicklung nicht gesehen (so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff.; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 386; s. auch Oetker NZA 2010 Beil. Nr. 1, S. 13, 26), weshalb man nicht davon ausgehen könne, er habe eine Tarifpluralität durch § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG „abgesegnet“ (Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8), lässt sich auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes nicht stützen.
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Der „Stuttgarter Entwurf“ des Arbeitsrechtsausschusses des Länderrates vom Juli 1948 kann entgegen der früheren Senatsrechtsprechung(BAG 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hierzu nicht herangezogen werden. Soweit dieser in § 8 eine Kollisionsregel für den Fall vorgeschlagen hatte, dass „ein Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge fällt“ (Materialien zur Entstehung des TVG abgedruckt in ZfA 1973, 129 ff.), behandelt er eine Tarifkonkurrenz. Die im Verlauf der Gesetzgebung getroffene Erwägung, eine nähere Ausgestaltung der Konkurrenzproblematik der Wissenschaft und der Rechtsprechung zu überlassen, bezieht sich auf diese Tarifkonkurrenz und gerade nicht auf die der Rechtsprechung und Wissenschaft schon damals bekannte (dazu ausf. etwa Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 376 f.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 159) Frage der Tarifpluralität (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 378 f.; Franzen ZfA 2009, 296, 305; Jacobs aaO S. 374 ff. mwN in Fn. 250; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20).
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Der historische Gesetzgeber ist auch nicht davon ausgegangen, dass eine Tarifpluralität im Betrieb ohnehin nicht eintreten werde, weil sie durch das „Ordnungsprinzip der Gewerkschaften“ ausgeschlossen sei(so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff., 9). Dem steht schon entgegen, dass die DAG bereits im Jahre 1945 gegründet worden war, der Deutsche Gewerkschaftsbund aber erst am 13. Oktober 1949, mithin mehr als ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des TVG. Damit war das angeführte Ordnungsprinzip der Gewerkschaften bereits auf die Möglichkeit von Tarifpluralität angelegt (vgl. zB Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371).
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(2) Auch die gesetzliche Systematik spricht gegen die Annahme einer Gesetzeslücke. Das folgt auch aus § 3 Abs. 2 TVG, selbst wenn man der Regelung einen „(sehr verhaltenen) Hinweis auf eine Tarifeinheit im Betrieb“(so Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379) entnehmen wollte. § 3 Abs. 2 TVG spricht gerade dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, Individualnormen aus unterschiedlichen Tarifverträgen fänden in einem Betrieb nebeneinander Anwendung. Denn nur dann ist es erforderlich, für die Betriebsnormen, bei denen es eine fortbestehende Tarifpluralität nicht geben kann, eine notwendig betriebseinheitliche Regelung vorzusehen (s. nur Franzen ZfA 2009, 297, 305). Gleiches gilt für die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen nach § 3 Abs. 2 TVG (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379; Kraft FS Zöllner 1998 S. 831, 836; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 538; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 688).
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(3) Schließlich hat der Gesetzgeber an dieser Unterscheidung zwischen Individualnormen iSd. § 1, § 3 Abs. 1 TVG und Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen nach § 3 Abs. 2 TVG bei den zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des Tarifvertragsgesetzes(idF der Bekanntmachung vom 25. August 1969 [BGBl. I S. 1323], zuletzt geändert Artikel 223 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 [BGBl. I S. 2407]) festgehalten, weshalb auch nicht von einer sekundären oder nachträglichen Gesetzeslücke ausgegangen werden kann (s. nur Franzen ZfA 2009, 279, 306; aA Hromadka NZA 2008, 384, 385 f., 389; Oetker NZA 2010 Beil. 1, S. 13, 26; Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8 f.).
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(4) Der Gesetzgeber geht zudem, wie § 613a Abs. 1 BGB zeigt, davon aus, dass zwei verschiedene Tarifverträge im Betrieb Anwendung finden können. Die Ablösung der nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierten Regelungen(dazu BAG 22. April 2009 – 4 AZR 100/08 – Rn. 61 ff., EzA BGB 2002 § 613a Nr. 110) erfordert die kongruente Tarifgebundenheit beider Arbeitsvertragsparteien. Danach kann es durch einen Betriebsübergang zu verschiedenen im Betrieb anwendbaren Tarifverträgen kommen. Ein Ordnungsprinzip der betrieblichen Tarifeinheit steht dem nicht entgegen (BAG 21. Februar 2001 – 4 AZR 18/00 – zu B I 2 b ee [5] der Gründe, BAGE 97, 107). Die Existenz parallel anwendbarer tarifvertraglicher Regelungswerke in einem Betrieb wird dadurch anerkannt (s. dazu auch Kohte SAE 1996, 14, 17: Koexistenz als „gesetzliches Leitbild“; ähnlich Kania DB 1996, 1921, 1923).
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(1) Die für den Grundsatz der Tarifeinheit angeführten „unüberwindlichen praktischen Probleme“(Zusammenstellung der verschiedenen verwendeten Begrifflichkeiten etwa bei Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 393 f. mwN in Fn. 364 ff.) bei der Anwendung verschiedener Tarifverträge im Betrieb können die Verdrängung geltender Tarifnormen nicht begründen. Sie bestehen teilweise nicht oder sind – ggfl. durch die Rechtsprechung – zu lösen.
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(a) Dabei ist schon fraglich, ob die Anwendung von verschiedenen Tarifverträgen in einem Betrieb auch unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts wie etwa der elektronischen Datenverarbeitung bei der Anwendbarkeit der unterschiedlichen Rechtsnormen zu größeren Problemen bei der betrieblichen Durchführung der Bestimmungen führt(s. nur Bayreuther NZA 2007, 187, 188 ff.; Meyer DB 2006, 1271, 1272; Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 283, 287; Reichold RdA 2007, 321, 325; anders Buchner BB 2003, 2121, 2122). Solche werden auch vorliegend von der Beklagten weder angeführt noch sind sie sonst ersichtlich.
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(b) Selbst wenn man bei Aufrechterhaltung einer Tarifpluralität generell von Anwendungs- und Durchführungsproblemen für den Arbeitgeber ausgehen wollte, können diese keine Grundlage für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung sein. Schwierigkeiten bei der Anwendung einer Norm rechtfertigen nicht deren Derogation(BAG 10. März 1987 – 8 AZR 146/84 – zu I 7 a der Gründe, BAGE 54, 232, 240; 26. Januar 1993 – 1 AZR 303/92 – zu II 2 b ee der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 102 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 109). Auch reichen Zweckmäßigkeitsgründe oder das Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers allein nicht aus (Kraft RdA 1992, 161, 166; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277). Eine zweckmäßigere Handhabung vermag auch kein unabweisbares Verkehrsbedürfnis zu begründen.
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(c) Ebenso kann die angeführte „tatsächlich auch nicht durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages“(BAG 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) nicht zur Verdrängung tariflicher Regelungen herangezogen werden.
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Die Trennung der beiden Normbereiche ist in § 3 TVG gesetzlich vorgesehen. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, diese differenzierende gesetzliche Vorschrift anzuwenden(Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 160; Merten BB 1993, 572, 574). Diese wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch wahrgenommen (vgl. etwa 27. April 1988 – 7 AZR 593/87 – zu I 3 b der Gründe, BAGE 58, 183; 26. April 1990 – 1 ABR 84/87 – zu B V der Gründe, BAGE 64, 368). Ein Tarifvertrag kann stets Inhaltsnormen, betriebliche Normen und betriebsverfassungsrechtliche Normen enthalten. Aufgrund der unterschiedlichen Bindungswirkung nach § 3 Abs. 1 TVG und § 3 Abs. 2 TVG (dazu BAG 26. April 1990 – 1 ABR 84/87 – zu B V 2 a der Gründe, aaO) ist für jede Tarifnorm getrennt zu prüfen, um welche Art von Norm es sich handelt (BAG 21. Januar 1987 – 4 AZR 486/86 – AP GG Art. 9 Nr. 46). Das gilt schon für Betriebe, in denen der Arbeitgeber nur an einen Tarifvertrag gebunden ist. Auch dann muss aufgrund der unterschiedlichen Gebundenheit nach § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 TVG festgestellt werden, welche Art von tariflicher Regelung vorliegt. Das Erfordernis würde in gleicher Weise im Falle eines nach dem Grundsatz der Tarifeinheit verdrängten Tarifvertrages bestehen, weil für die an ihn gebundenen Arbeitnehmer festgestellt werden müsste, welche Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen des anderen Tarifvertrages im Verhältnis zu ihnen normativ gelten und welche Normen dieses Tarifvertrages, weil es sich um Inhaltsnormen handelt, nicht ohne Weiteres.
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(2) Die unzulässige Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei der Einstellung(dazu BAG 2. Juni 1987 – 1 AZR 651/85 – BAGE 54, 353; 28. März 2000 – 1 ABR 16/99 – BAGE 94, 169) führt im Falle einer Tarifpluralität nicht zu „tatsächlichen Unzuträglichkeiten“.
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Die Gewerkschaftsmitgliedschaft ist stets von Bedeutung, wenn der Arbeitnehmer tarifliche Leistungspflichten des Arbeitgebers kraft unmittelbarer Tarifgeltung beansprucht(s. nur Wank Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 9). Auch im Falle der Auflösung der Tarifpluralität durch Verdrängung eines Tarifvertrages wäre zu ermitteln, wer an den spezielleren Tarifvertrag gebunden ist (Wiedemann/Arnold ZTR 1994, 443, 445). Selbst wenn man trotz des Schutzes durch § 612a BGB (dazu Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20) eine Offenbarungspflicht im laufenden Arbeitsverhältnis nicht anerkennt, bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, zunächst nur diejenigen Leistungen zu erbringen, die den Nicht- oder Andersorganisierten zustehen (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 162; Danne SAE 1998, 111, 115; Bayreuther BB 2005, 2633, 2640 m. Fn. 68). Im Streitfalle ist der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Grundsätzen gehalten, seine Tarifgebundenheit darzulegen und ggf. zu beweisen, wenn er tarifvertragliche Rechte geltend macht (s. nur jüngst Nebeling/Gründel NZA 2009, 1003, 1004). Nichts anderes gilt im Übrigen im Recht der schwerbehinderten Menschen. Soweit dort einschlägige Rechte oder Ansprüche geltend gemacht werden, sind auch in diesem Rechtsbereich keine Unzuträglichkeiten angemahnt worden (Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 407).
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(3) Der Grundsatz der Tarifeinheit in Fällen einer Tarifpluralität kann als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nicht deshalb gerechtfertigt werden, weil sonst durch drohende „ständige kaum sinnvoll handhabbare Tarifauseinandersetzungen und ständige Streiks mit verheerenden Auswirkungen“(Hromadka NZA 2008, 383, 387) eine Funktionsunfähigkeit des Tarifvertragssystems eintrete. Allein ein als möglich angesehener „Überbietungswettbewerb“ der Gewerkschaften oder Funktionsverlust der Friedenspflicht bei nicht abgestimmten Tarifverhandlungen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005, S. 384, 388; ähnlich Meyer DB 2006, 1271, 1272 f.; ders. NZA 2006, 1387, 1390; Otto FS Konzen 2006 S. 663 ff.; s. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Jahresgutachten 2007/2008 [2007] S. 36 ff.) oder eine befürchtete Vervielfachung von Arbeitskämpfen (Giesen NZA 2009, 11, 15 f., 17; s. auch Feudner RdA 2008, 104, 105) sind keine hinreichenden Gesichtspunkte, die die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung legitimieren könnten.
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(a) Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich Anhaltspunkte für einen Funktionsverlust des Tarifvertragssystems aus den vorgebrachten Besorgnissen gefolgert werden können, handelt es sich hierbei um Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts, nicht aber um solche des Tarifrechts zur Auflösung einer möglichen Tarifpluralität.
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Der Arbeitskampf gehört zu den verfassungsrechtlich geschützten Mitteln, weil von ihm die Verfolgung eines wesentlichen Koalitionszwecks, der Abschluss von Tarifverträgen, abhängt. Arbeitskampfmaßnahmen werden jedenfalls insoweit vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit geschützt, als sie allgemein erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen(BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212; BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143). Schon aufgrund dieser Funktionsbezogenheit des Arbeitskampfrechts folgt nicht das Tarifrecht dem Arbeitskampfrecht, sondern vielmehr das Arbeitskampfrecht dem Tarifrecht (ebenso Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540; Deinert NZA 2009, 1176, 1182 mwN in Fn. 101; Franzen ZfA 2009, 297, 311; wohl auch Bayreuther NZA 2008, 12, 15 ff.). Etwaige Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts infolge einer bestehenden Tarifpluralität sind in diesem Rechtsbereich zu lösen (s. im hiesigen Zusammenhang etwa die Beiträge von Bayreuther NZA 2008, 12 ff.; Giesen NZA 2009, 11, 14 ff.; Hirdina NZA 2009, 997 ff.; Jacobs FS Buchner 2009 S. 342 ff.; Meyer FS Adomeit 2008 S. 459 ff.; von Steinau-Steinrück/Glanz NZA 2009, 113 ff.). Sie sind nicht geeignet, die Auflösung einer Tarifpluralität durch Verdrängung der Regelungen eines vollwirksamen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu rechtfertigen.
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Deshalb muss der Senat vorliegend auch nicht darüber befinden, ob die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit überhaupt geeignet wäre, die angeführten Szenarien zu verhindern oder ob er nicht vielmehr zunächst einmal Tarifpluralität, also den Abschluss mehrerer Tarifverträge über denselben Regelungsgegenstand, gerade voraussetzt(so BAG 14. Dezember 2004 – 1 ABR 51/03 – Rn. 63, BAGE 113, 82; s. auch BAG 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – zu B II 2 b der Gründe, BAGE 67, 330, wonach es der Koalition unbenommen ist, sich um den Abschluss eines spezielleren, den konkurrierenden Tarifvertrag verdrängenden Tarifvertrages zu bemühen). Es kann weiterhin dahinstehen, ob einer konkurrierenden Koalition im Hinblick auf das nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit die Befugnis zur im Zweifel kampfweisen Durchsetzung eines Tarifvertrages tatsächlich abgesprochen werden kann (ablehnend Bayreuther NZA 2006, 642, 646 f.; Deinert NZA 2009, 1176, 1180 f., 1182; Franzen ZfA 2009, 297, 311 mwN in Fn. 78; Jacobs NZA 2008, 325, 329; deutlich Reichold RdA 2007, 321, 327: „waghalsige, dogmatisch mehrfach unschlüssige Konstruktion“; s. auch die Fallgestaltung in BAG 26. Oktober 1971 – 1 AZR 113/68 – zu A II 3 b der Gründe, BAGE 23, 484).
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(b) Es ist derzeit auch nicht ersichtlich, dass das geltende Tarifvertragssystem seine Funktion im Falle von Tarifpluralitäten, zu denen es tatsächlich schon gekommen ist und die auch tatsächlich praktiziert werden, nicht mehr wahrnehmen kann, so dass eine Rechtsfortbildung nach den genannten Grundsätzen vorliegend auch deshalb ausscheidet.
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(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts schützt das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG zum einen den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu verlassen. Geschützt ist zum anderen auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen(s. nur BVerfG 6. Februar 2007 – 1 BvR 978/05 – zu II 2 a der Gründe mwN, NZA 2007, 394; BAG 19. Juni 2007 – 1 AZR 396/06 – Rn. 11 mwN, BAGE 123, 134). Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht (BVerfG 4. Juli 1995 – 1 BvF 2/86 ua. – zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; 29. Dezember 2004 – 1 BvR 2283/03 ua. – zu C II 3 a der Gründe, AP AEntG § 3 Nr. 2; 10. September 2004 – 1 BvR 1191/03 – zu B II 1 der Gründe mwN, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136; BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143). Beim Abschluss von Tarifverträgen sollen die Gewerkschaften frei sein (BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212). Sie können daher selbst bestimmen, mit wem, für welchen Arbeitnehmerkreis und für welche Unternehmen oder welchen Betrieb sie im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit einen Tarifvertrag abschließen möchten. Sie sind nicht auf einen Kernbereich unerlässlicher koalitionsspezifischer Maßnahmen und damit möglicherweise auf den Abschluss speziellerer Tarifverträge beschränkt.
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In diese Grundrechtsposition der Gewerkschaften greift die Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit ein, da sie die unmittelbare und zwingende Wirkung des weniger speziellen Tarifvertrages außer Kraft setzt. Die Verdrängung eines nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltenden Tarifvertrages zur Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit stellt einen Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit dar(so auch BVerfG 24. April 1996 – 1 BvR 712/86 – zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 94, 268, im Falle des § 57a HRG, der die Nr. 1 und 2 SR 2y BAT außer Kraft setzte; weiterhin BVerfG 3. April 2001 – 1 BvL 32/97 – zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293, zur Regelung in § 10 BUrlG aF; sowie BVerfG 10. Januar 1995 – 1 BvF 1/90 ua. – zu B II 1 c aa der Gründe, BVerfGE 92, 26, zu § 21 Abs. 4 Satz 3 FlRG; BAG 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 – zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 91, 210). Durch die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit wird in das durch das Tarifvertragsgesetz bereits ausgestaltete Grundrecht der Koalitionsfreiheit (zur Ausgestaltung von Art. 9 Abs. 3 GG durch das TVG s. nur BVerfG 18. November 1954 – 1 BvR 629/52 – zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96, 106), von dem die Tarifvertragsparteien durch den Abschluss eines Tarifvertrages bereits Gebrauch gemacht haben, dergestalt eingegriffen, dass die konkrete Rechtsposition – die Geltung des Tarifvertrages – nur aufgrund der Koalitionsrechtsausübung einer anderen konkurrierenden Gewerkschaft wieder entzogen wird (Engels RdA 2008, 331, 334 f. mwN in Fn. 75; Burkiczak Grundgesetz und Deregulierung des Tarifvertragsrechts 2006 S. 171, 253 ff.; Franzen ZfA 2009, 297, 304, 309; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 689; Hromadka NZA 2008, 384, 387; Buchner BB 2003, 2121, 2128; die lediglich eine Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit annehmen).
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Damit wird ein von den Tarifvertragsparteien erstrittenes Verhandlungsergebnis zulasten der Gewerkschaft abgeändert und ihr Erfolg nachträglich bei einem Firmentarifvertrag ganz oder bei einem Flächentarifvertrag zumindest teilweise entwertet. Der Abschluss von Tarifverträgen für alle bei einer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer ist aber zentraler Bestandteil ihrer Koalitionsfreiheit(BVerfG 10. Januar 1995 – 1 BvF 1/90 ua. – zu B II 1 c bb der Gründe, BVerfGE 92, 26). Die Entwertung dieser ihrer Koalitionsrechtsausübung kann ihre Verhandlungsposition für die Zukunft ebenso schwächen wie ihre Attraktivität, Mitglieder zu werben oder zu erhalten. Durch solche Folgen wird die Tarifautonomie beeinträchtigt (BVerfG 3. April 2001 – 1 BvL 32/97 – zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293). Durch die Verdrängung derjenigen tariflichen Regelungen, die gegenüber einem bereits für den Arbeitgeber geltenden Tarifvertrag nicht spezieller sind, kann der Zugang zu einem bestimmten Betrieb, Unternehmen, uU zu einem ganzen Wirtschaftszweig versperrt werden (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277), wodurch auch die Koalitionsbestandsgarantie betroffen werden kann. Denn die Erhaltung und der Ausbau des Mitgliederbestandes sind als bestandssichernde Maßnahmen vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit erfasst (BVerfG 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 – zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 93, 352).
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(2) Die Auflösung einer Tarifpluralität greift zudem in die individuelle positive Koalitionsfreiheit der Mitglieder derjenigen Gewerkschaft ein, die den verdrängten Tarifvertrag geschlossen hat(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 442 mwN in Fn. 646; so schon Konzen RdA 1978, 145, 148: „Verkürzung des Tarifschutzes“). Die individuelle Koalitionsfreiheit umfasst nicht nur das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen und sich für sie zu betätigen, sondern – als Hauptzweck der Mitgliedschaft – den Schutz der von der ausgewählten Koalition geschlossenen Tarifverträge in Anspruch nehmen zu können.
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Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass Einschränkungen der verfassungsrechtlich garantierten Betätigungsfreiheit der Koalitionen nur dann mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar sind, wenn sie entweder dem Schutz des jeweiligen Koalitionspartners und damit gerade der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie oder dem Schutz der Grundrechte Dritter dienen oder sie durch die Rücksicht auf andere Rechte mit Verfassungsrang gerechtfertigt sind(BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – zu C I 3 a der Gründe, aaO; 24. April 1996 – 1 BvR 712/86 – zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 94, 368).
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(1) Die Notwendigkeit der Auflösung einer Tarifpluralität kann nicht damit begründet werden, es handele sich bei dem Grundsatz der Tarifeinheit um einen „richtungweisenden Maßstab rechtlicher Normierung“, der vor Art. 9 Abs. 3 GG bestehen könne(Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005 S. 383, 393; anders bereits Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20). Weiterhin kann auch nicht eine „verfassungsrechtlich anerkannte Ordnungsfunktion des Tarifwesens“ als mögliche Grundlage herangezogen werden (so aber Hanau RdA 2008, 98, 99). Weder dem Tarifvertragsgesetz noch dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG kann eine rechtlich verbindliche Vorgabe der betriebseinheitlichen Geltung von denjenigen Tarifnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, entnommen werden. Die mit dem Koalitionsgrundrecht verbundene Zielvorstellung der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ beinhaltet keine rechtlich vorgegebene Ordnung, wonach tarifliche Normen betriebseinheitlich gelten müssten, die vorliegend eine Einschränkung der grundrechtlichen Freiheiten rechtfertigen könnte. Die Ordnungsfunktion von Tarifverträgen ist entsprechend der von Verfassungs wegen vorgegebenen mitgliedschaftlichen Struktur der Koalitionen nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die unmittelbar Tarifgebundenen beschränkt.
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(a) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dem von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im einzelnen durch Tarifverträge autonom zu regeln(BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – zu B II 1 b bb der Gründe, BVerfGE 44, 322; grdl. BVerfG 18. November 1954 – 1 BvR 629/52 – zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96; weiterhin etwa BVerfG 6. Mai 1964 – 1 BvR 79/62 – zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 18, 18; 1. März 1979 – 1 BvR 532/77 ua. – zu C IV 1, 2 b cc der Gründe, BVerfGE 50, 290; 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I der Gründe, BVerfGE 58, 233; 2. März 1993 – 1 BvR 1213/85 – zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 88, 103; 4. Juli 1995 – 1 BvF 2/86 – zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365). Bei dieser Zweckverfolgung durch den Abschluss von Tarifverträgen sollen die Vereinigungen nach dem Willen des Grundgesetzes frei sein (BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212).
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Mit dem Tarifvertragsgesetz hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein gesetzlich gesichertes tarifvertragliches Regelungsverfahren in Ausgestaltung der verfassungsrechtlich abgesicherten Tarifautonomie geschaffen(so schon BVerfG 18. November 1954 – 1 BvR 629/52 – zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96). Die Tarifvertragsparteien regeln auf dessen Grundlage (privat-)autonom, mit welchen tarifpolitischen Forderungen (dazu BAG 24. April 2007 – 1 AZR 252/06 – Rn. 99, BAGE 122, 134) sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren.
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Dabei regelt das Tarifvertragsgesetz das Zustandekommen und die Wirkung von Tarifverträgen. Es enthält dafür – gerade anders als § 3 Abs. 2 und 3 TVG für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Rechtsnormen eines Tarifvertrages – keine gesetzlichen Vorgaben, die auf eine bestimmte inhaltliche Ordnung des Tarifvertragssystems iSe. tarifeinheitlichen Regelung der Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen im jeweiligen Betrieb ausgerichtet sind oder eine solche gar rechtlich vorschreiben. Es kann deshalb offenbleiben, ob der einfache Gesetzgeber eine Regelung überhaupt schaffen könnte, die in einer derart weit reichenden Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit eingreift.
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Die Ordnungsfunktion eines Tarifvertrages ist durch die nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die Mitglieder beschränkte Rechtssetzungsmacht der Tarifvertragsparteien begrenzt. Insoweit wird der Tarifvertrag im Hinblick auf die von ihm gesetzten Rechtsnormen – wie jeder Vertrag – seiner Ordnungsfunktion gerecht(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 374, 393 f.; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 277 ff., 281). Eine über die Ordnung der Vertragsbeziehungen seiner Mitglieder hinausgehende Ordnungsfunktion des Tarifvertrages, namentlich in Richtung auf eine „sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens“ dergestalt, die Arbeitsverhältnisse im Betrieb einheitlich zu regeln, ist durch das Tarifvertragsgesetz rechtlich nicht vorgegeben (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 153; Däubler in ders. [Hrsg.] TVG 2. Aufl. Rn. 81; Dieterich AuR 2001, 390, 391; ders. Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539 ff.; Jacobs aaO; Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG 4. Aufl., Einl. Rn. 99; Konzen RdA 1978, 146, 153; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 283; Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371, 377 f.: „korrespondiert kein rechtlich fundierter Grundsatz“; ähnlich Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740).
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(b) Der Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit ist auch kein verfassungsrechtliches Element der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie, welches die Verdrängung von Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, begründen könnte.
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Der Annahme einer von Verfassungs wegen vorgesehenen notwendigen tarifeinheitlichen Regelung für den jeweiligen Betrieb steht bereits entgegen, dass die Koalitionsfreiheit in erster Linie als Freiheitsgrundrecht strukturiert(s. nur BVerfG 4. Juli 1995 – 1 BvF 2/86 – zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) und auf einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Koalitionen angelegt ist. Art. 9 Abs. 3 GG überlässt es den tariffähigen Koalitionen, in Ausübung ihrer kollektiven Privatautonomie im Rahmen der Verfahrensregelungen des Tarifvertragsrechts autonom durch Tarifverträge die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu regeln. Dieses Zurücktreten des Staates zugunsten der Tarifparteien gewinnt seinen Sinn ebenso sehr aus dem Gesichtspunkt, dass die unmittelbar Betroffenen besser wissen und besser aushandeln können, was ihren beiderseitigen Interessen und dem gemeinsamen Interesse entspricht, als der demokratische Gesetzgeber, wie aus dem Zusammenhang mit dem für die Gestaltung nicht öffentlich-rechtlicher Beziehungen charakteristischen Prinzip der Privatautonomie, im Grunde also der Entscheidung des Grundgesetzes zugunsten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats (BVerfG 27. Februar 1973 – 2 BvL 27/69 – zu B II 4 a der Gründe, BVerfGE 34, 307). Dabei hat der Gesetzgeber den Koalitionen im Tarifvertragsgesetz das Mittel des Tarifvertrages an die Hand gegeben, damit sie die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen können (BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – zu B II 1 b aa der Gründe, BVerfGE 44, 322).
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Dies erfolgt auch im Wettbewerb mit anderen Koalitionen(BVerfG 6. Mai 1964 – 1 BvR 79/62 – zu B III 2 c der Gründe, BVerfGE 18, 18; 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74 ua. – zu B II 2 c der Gründe, BVerfGE 55, 7). Zu dem durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionspluralismus gehört, dass die Koalitionen in Konkurrenz treten (BAG 31. Mai 2005 – 1 AZR 141/04 – Rn. 31, BAGE 115, 58). Dieser Wettbewerb wird auch im Rahmen der durch das Tarifvertragsgesetz ausgestalteten kollektiven Privatautonomie ausgetragen. Tarifpluralität ist deshalb Folge des verfassungsrechtlich vorgesehenen und geschützten Koalitionspluralismus (s. dazu nur Franzen ZfA 2009, 297, 307 f.; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539; Kraft RdA 1992, 159, 168; Konzen RdA 1978, 146, 154).
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Der in frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ steht diesem Verständnis nicht entgegen. Die sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens ist „einer der Zwecke des Tarifvertragssystems“(BVerfG 18. November 1954 – 1 BvR 629/52 – zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), nicht aber eine verfassungsrechtlich verbindliche Vorgabe, die den Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit rechtfertigen könnte. Die in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, den von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im Einzelnen durch Tarifverträge „autonom“ zu regeln (oben unter [aa] mwN). Nur insoweit dient die Koalitionsfreiheit der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens (BVerfG 1. März 1979 – 1 BvR 532/77 ua. – zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 50, 290; zu dieser Rechtsprechung des BVerfG s. auch Richardi FS Buchner 2008 S. 731, 739 f.). Auf welchem Wege die Koalitionen die verfassungsrechtliche Erwartung der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen, ist im Rahmen der rechtlichen Ausgestaltung des Tarifvertragswesens ihnen überlassen und fordert von Verfassungs wegen keine betriebseinheitlichen Tarifregelungen.
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(2) Soweit weiterhin angenommen wird, die „Kartellfunktion“ des Tarifvertrages und das Ziel einer „regelmäßigen Ordnung“ der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erforderten funktionell, dass am Ende des Koalitionswettbewerbs eine tarifeinheitliche Regelung für das konkrete betriebliche Arbeitsfeld bestehe(Kempen FS Hromadka 2008 S. 177, 185 ff.; s. auch ders. FS 50 Jahre BAG 2005 S. 729 f., 733; ebenso Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 ff.; ähnlich Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 58b), ist dies in dem Art. 9 Abs. 3 GG konkretisierenden Tarifvertragsgesetz für die hier ausschließlich infrage stehenden Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht geregelt. Die sogenannte Kartellfunktion, die in der Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen liegt, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, beruht als solche nicht auf einer normativen Festlegung durch das geltende Tarifvertragsrecht (Däubler in ders. [Hrsg.] TVG Rn. 83, so auch Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG Einl. I Rn. 103; Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 145; abl. auch Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540 f.). Ein solches funktionelles Erfordernis kann aus den bereits genannten Gründen (unter [a] [bb]) dem Koalitionsgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG nicht entnommen werden. Eine mögliche Kartellwirkung ergibt sich lediglich über § 4 Abs. 1 TVG auf der Ebene der an den einzelnen Tarifvertrag Gebundenen und auch hier nur hinsichtlich der Geltung von Mindestarbeitsbedingungen (§ 4 Abs. 3 TVG).
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(3) Die angeführten Zweckmäßigkeits- oder Praktikabilitätserwägungen stellen keine mit der Koalitionsfreiheit kollidierenden Rechtsgüter des Arbeitgebers von gleichermaßen verfassungsrechtlichem Rang(zu diesem Erfordernis BVerfG 6. Februar 2007 – 1 BvR 978/05 – zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394) dar, die nach den genannten Maßstäben einen Eingriff in die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit rechtfertigen können (s. nur Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Engels RdA 2008, 331, 335; Jacobs NZA 2008, 325, 329). Ein Ordnungsziel der betriebseinheitlichen Tarifgeltung wäre allein auf den einzelnen Betrieb bezogen und betriebswirtschaftlich ausgerichtet (Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439). Ebenso wenig können etwaige „Effizienzgewinne tarifvertraglich installierter allgemeiner Arbeitsbedingungen“ (Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 12) eine Einschränkung des Koalitionsgrundrechts begründen; allein ordnungspolitische Vorstellungen, die nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen (oben unter [3]), können eine solche nicht rechtfertigen (in diese Richtung aber Buchner BB 2003, 2121, 2127; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 392: „Tarifeinheit … ist geeignet, eine sinnvolle Ordnung im Betrieb herzustellen“).
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(4) Es sind auch derzeit keine Anzeichen dafür erkennbar, dass ein solcher Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie(zu diesem Kriterium als mögliche Rechtfertigung eines Eingriffs BVerfG 4. Juli 1995 – 1 BvF 2/86 ua. – zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365) erforderlich wäre. Soweit angeführt wird, im Falle einer Tarifpluralität könne das Tarifvertragssystem seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 383, 394, unter Hinweis auf die Gefahr „ständiger Tarifverhandlungen und Streiks“, dazu oben unter dd [2] [a] [cc]; Buchner BB 2003, 2121, 2128; Feudner BB 2007, 2459, 2462; Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 f.; s. auch Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 11: „Gemeinwohlinteresse an einem funktionierenden Tarifsystem zur sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“), ohne die Funktionsunfähigkeit der Tarifautonomie näher zu begründen, wird übersehen, dass Tarifeinheit keine Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist (ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 9 GG Rn. 68a; Reichold RdA 2007, 321, 324; s. auch Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740). Eine Bedrohung des Bestandes der Tarifverträge der Mehrheitsgewerkschaften, die Scholz anlässlich des Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn ausmachen und daraus einen „verfassungsunmittelbaren Konflikt“ auf der Ebene der Koalitionsrechtsgarantie folgern will (FS Buchner 2009 S. 827, 829), ist rechtstatsächlich nicht erkennbar. Auch sind keine schwer überwindbaren Schwierigkeiten für die Gestaltung des Tarifrechts in Richtung auf Tarifklarheit und Rechtssicherheit erkennbar oder absehbar (dazu BVerfG 18. November 1954 – 1 BvR 629/52 – zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), die die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit begründen könnten.
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(5) Für eine Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Gemeinwohlbelange(dazu BVerfG 4. Juli 1995 – 1 BvF 2/86 ua. – zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) durch eine Pluralität tariflicher Regelungen im Betrieb gibt es derzeit keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte.
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5.Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die nach alledem auch weiterhin zu Grunde zu legende Geltung des BAT kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht aufgrund der individualvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien ausgeschlossen. Selbst wenn diese sich – wie die Revision meint – nach Inkrafttreten des TVöD auf diesen erstrecken sollte, bestünde bei dem Kläger keine Tarifkonkurrenz, die zur Verdrängung des BAT führen würde. Die individualvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages führt nicht zu dessen tarifrechtlicher Geltung mit der Folge, dass seine Bestimmungen infolge einer Tarifkonkurrenz nach dem Spezialitätsprinzip verdrängt werden könnten. Es handelt sich vielmehr um eine einzelvertragliche Regelung von Arbeitsbedingungen. Deshalb kann es auch nicht zu einer Konkurrenz kommen, weil nicht zwei Tarifverträge gleichzeitig für das Arbeitsverhältnis des Klägers Geltung beanspruchen (BAG 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 – Rn. 20, BAGE 124, 34, unter Aufgabe von BAG 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – BAGE 114, 186). Ist der Arbeitnehmer an einen Tarifvertrag gebunden, gilt im Verhältnis zu den vertraglichen Regelungen, auch wenn sie tarifvertragliche Bestimmungen zum Gegenstand des Arbeitsvertrages machen, das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 TVG (s. auch BAG 22. Oktober 2008 – 4 AZR 784/07 – Rn. 34, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39), im anderen Fall bleibt es bei der unmittelbaren und zwingenden Wirkung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit.
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Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 23. März 2005(- 4 AZR 203/04 – BAGE 114, 186) geltend gemacht hat, das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei vorliegend nicht anwendbar und sie habe bei Verwendung der Bezugnahmeklausel auf diese Rechtsprechung vertraut, ist dies in mehrfacher Hinsicht ohne Bedeutung. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages am 12. März 2004 auf diese erst später ergangene Entscheidung vertraut haben will. Der Senat hat in der genannten Entscheidung eine Verdrängung des Günstigkeitsprinzips zudem nur für den Fall angenommen, dass beide konkurrierenden Tarifverträge – Verbandstarifvertrag zum einen und Firmentarifvertrag zum anderen – auch vertraglich in Bezug genommen waren und von derselben Gewerkschaft geschlossen wurden (23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – zu I 1 b cc [2] der Gründe, aaO). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Abgesehen davon reicht eine einzelne höchstgerichtliche Entscheidung nicht aus, die Gewährung von Vertrauensschutz zu begründen (BAG 29. August 2007 – 4 AZR 765/06 – Rn. 32, SAE 2008, 365).
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III. Der Kläger hat durch die E-Mail vom 31. Januar 2006 die tarifvertragliche Ausschlussfrist nach § 70 Satz 1 BAT gewahrt. Diese genügte dem Schriftformerfordernis iSd. § 70 BAT.
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„Zu meiner aktuellen Abrechnung bleiben … auf jeden Fall noch zwei Fragen zur Seite 7, die den Monat Oktober 2005 betrifft: | ||
1. | Wann ist mit der Auszahlung der entsprechenden Urlaubsvergütung für die 11 Urlaubstage im Zeitraum vom 15.-31.10. zu rechnen? (kann ich hier dann gleich auf die 3 Urlaubstage vom 01.11. bis 06.11. hinweisen?) | |
… | ||
Mit freundlichen Grüßen | ||
H G | ||
********************************************** | ||
Dr. med H G | ||
Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie | ||
und operative Intensivmedizin | ||
Universitätsklinikum M | ||
… “ |
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Die Beklagte teilte dem Kläger am 4. Januar 2006 gleichfalls durch E-Mail mit, dass seine Fragen zum Urlaubsaufschlag an den Leiter des Entgeltbereichs weitergeleitet würden. Der Kläger fragte am 31. Januar 2006 unter Verwendung der Antwortfunktion des E-Mail-Programms bei der Beklagten nach:
„… möchte ich kurz … nachfragen, | |
a) wann ich mit einer Rückmeldung bezüglich der im Vormonat nicht überwiesenen Urlaubsvergütung (kein Urlaubsgeld) für die 11 Urlaubstage im Zeitraum 15.-31.10.2005 … und der Überweisung des entsprechenden Betrages rechnen kann? | |
… | |
Mit freundlichen Grüßen | |
H G | |
********************************** | |
Dr. med. H G | |
…“ |
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(1) Die Geltendmachung im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist ist keine Willenserklärung, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung(BAG 11. Oktober 2000 – 5 AZR 313/99 – zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 96, 28; 20. Februar 2001 – 9 AZR 46/00 – zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 139; 6. September 2001 – 8 AZR 59/01 – zu 5 b aa der Gründe, EzBAT §§ 22, 23 BAT M Nr. 91; 17. September 2003 – 4 AZR 540/02 – zu III 1 der Gründe, BAGE 107, 304).
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(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das in § 126 BGB vorgesehene Formerfordernis trotz des offenen Wortlauts der Vorschrift auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Auf rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen ist die Bestimmung nicht unmittelbar anzuwenden(BAG 10. März 2009 – 1 ABR 93/07 – Rn. 32, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 – 1 ABR 79/07 – Rn. 27, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; 17. September 2003 – 4 AZR 540/02 – zu III 3 der Gründe, BAGE 107, 304; 11. Juni 2002 – 1 ABR 43/01 – zu B IV 1 b aa der Gründe mwN, BAGE 101, 298; 11. Oktober 2000 – 5 AZR 313/99 – zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 96, 28; Soergel/Hefermehl BGB Bd. 2 13. Aufl. § 126 Rn. 2; Gragert/Wehe NZA 2001, 311, 312; Köhler AcP 182 (1982) 126, 151; Anschütz/Kohte JR 2001, 263, 264; aA Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883; Röger NJW 2004, 1764, 1765; die jedoch alle eine Auslegung der die Schriftform anordnenden Regelung für zulässig erachten). Daran hat die Ergänzung des § 126 BGB um § 126a und § 126b BGB durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542) nichts geändert (aA Röger NJW 2004, 1764, 1765). Auch die neu eingefügten §§ 126a, 126b BGB sind vielmehr wegen des fortbestehenden Sachzusammenhangs mit den Bestimmungen über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte unmittelbar nur auf Willenserklärungen anwendbar. Für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen gelten sie allenfalls entsprechend (BAG 10. März 2009 – 1 ABR 93/07 – Rn. 33, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 – 1 ABR 79/07 – Rn. 27 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; vgl. dagegen BGH 14. März 2006 – VI ZR 335/04 – zu II 1 a aa der Gründe, NJW 2006, 2482: „Vorschriften über das Wirksamwerden von Willenserklärungen gelten im Fall von § 12 Abs. 3 VVG entsprechend“).
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(3) Eine entsprechende Anwendung von § 126 BGB(zu den Voraussetzungen BAG 9. Dezember 2008 – 1 ABR 79/07 – Rn. 36, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11) auf die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist des § 70 BAT ist nicht geboten. Normzweck und Interessenlage verlangen nicht nach einer eigenhändigen Unterzeichnung der schriftlichen Erklärung durch Namensunterschrift des Beschäftigten. Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden müssen, ob und welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden (BAG 11. Oktober 2000 – 5 AZR 313/99 – zu II 2 c der Gründe, BAGE 96, 28). Sinn und Zweck einer Ausschlussfrist erfordern es deshalb nicht, dass bei Anordnung einer schriftlichen Geltendmachung das Schreiben die eigenhändige Namensunterschrift trägt. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Geltendmachungsschreiben die Erhebung bestimmter, als noch offen bezeichneter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch Lesen einer textlichen Nachricht entnommen werden kann.
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Diesem Informations- und Klarstellungszweck genügt eine dem Arbeitgeber zugegangene schriftliche Erklärung auch ohne eigenhändige Namensunterschrift des Beschäftigten. Die Gewährleistung der Identitäts- und die Vollständigkeitsfunktion ist zwar auch für eine Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT unverzichtbar. Sie verlangt aber nicht notwendig nach einer Originalunterschrift. Person und Identität des Erklärenden stehen schon dann fest, wenn dessen Name angegeben wird. Der Arbeitgeber kann dann erkennen, von wem die Erklärung abgegeben wurde. Vollständigkeit und inhaltlicher Abschluss der Erklärung lassen sich durch die Anbringung einer Grußformel, die maschinenschriftliche Namenswiedergabe oder Ähnliches unmissverständlich kenntlich machen(zu § 99 Abs. 3 BetrVG BAG 9. Dezember 2008 – 1 ABR 79/07 – Rn. 40, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11). Damit wird die Identität dessen, der etwas verlangt, ausgewiesen und durch die Abschlusserklärung noch hinreichend legitimiert (nicht eindeutig BAG 17. September 2003 – 4 AZR 540/02 – zu III 4 der Gründe, BAGE 107, 304). Das ohne eine Originalunterschrift möglicherweise geringfügig höhere Fälschungsrisiko einer Geltendmachung durch eine E-Mail, welches zumindest den unberechtigten Zugriff auf die Zugangsberechtigung zur Nutzung des E-Mail-Kontos erfordern würde, kann angesichts der rechtlichen Unschädlichkeit einer falschen Mitteilung (s. auch BAG 9. Dezember 2008 – 1 ABR 79/07 – Rn. 41, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11) und der geringen Wahrscheinlichkeit einer (böswilligen) Wahrnehmung fremder Rechte (Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883) vernachlässigt werden.
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(4) Nach der objektiven Sach- und Interessenlage bei der Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT ist die entsprechende Anwendung von § 126b BGB geboten und ausreichend. Nach dieser Bestimmung muss, wenn eine Textform vorgeschrieben ist, die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Auf diese Weise stellt § 126b BGB auch ohne das Erfordernis eigenhändiger Unterzeichnung sicher, dass die Identitäts- und Vollständigkeitsfunktionen einer schriftlichen Erklärung neben der ohnehin gegebenen Dokumentationsfunktion gewahrt sind(BAG 9. Dezember 2008 – 1 ABR 79/07 – Rn. 45, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11).
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Eine grundsätzliche Bedeutung kann nicht schon dann angenommen werden, dass sich die hier zu entscheidende Rechtsfrage auf eine Vielzahl von Fällen auswirkt. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht bisher für den hinsichtlich der Zulassung der Revision maßgeblichen Begriff der grundsätzlichen Bedeutung in § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG angenommen, diese könne sich auch aus der Anzahl der von einer Rechtsfrage betroffenen Rechtsverhältnisse ergeben(vgl. etwa BAG 26. September 2000 – 3 AZN 181/00 – zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 95, 372). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 45 Abs. 4 ArbGG übertragen werden. Während § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Frage regelt, wann eine vereinheitlichende Entscheidung durch das Revisionsgericht herbeizuführen ist, dient die Vorlage an den Großen Senat dazu, in den besonderen Fällen, in denen eine Entscheidung durch die einzelnen Senate der Bedeutung der Rechtsfrage nicht gerecht wird, eine Klärung herbeizuführen (BAG 28. Juli 2009 – 3 AZR 250/07 – Rn. 24; s. auch Prütting in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 45 Rn. 29 mwN auch zur Gegenauffassung).
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Bepler | Creutzfeldt | Treber | ||||||
Hardebusch | Vorderwülbecke | |||||||
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.