BAG, Urteil vom 21.05.2008 – 8 AZR 84/07

April 7, 2021

BAG, Urteil vom 21.05.2008 – 8 AZR 84/07

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. Juli 2006 – 4 Sa 268/06 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) ausgesprochenen ordentlichen Kündigung sowie über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers infolge Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.

Der Kläger ist gelernter Elektroinstallateur und war ab dem 13. August 1979 bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten zu 1) beschäftigt, zuletzt bei der P AG & Co. KG (im Folgenden: P) als Prüftechniker (“Inbetriebnehmer”) bei einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 4.962,67 Euro.

Die P hatte von der Beklagten zu 2) eine Lizenz zur Herstellung, Inbetriebnahme und Wartung des digitalen elektronischen Wählsystems “EWSD” erworben und fertigte im Rahmen dieser Lizenz bis 2003 – wie die Beklagte zu 2) – die für EWSD erforderliche Hardware. Außerdem waren beide Beklagten mit Projektierung, Installation und Wartung der mit EWSD ausgestatteten Vermittlungsstellen der Deutschen Telekom AG befasst, und zwar betreute die P 365 (von insgesamt 1.200) und die Beklagte zu 2) 385 Vermittlungsstellen. Die restlichen Vermittlungsstellen wurden von einem Drittunternehmen betreut. Da die EWSD-Vermittlungstechnik Marktanteile verlor, stellte die P 2003 die Hardwarefertigung ein und bezog danach die Komponenten für Hardwareerweiterungen von der Beklagten zu 2), die die Fertigung noch fortsetzte. Unter dem 13. Juli 2004 kündigte die Beklagte zu 2) den Lizenzvertrag mit der P zum 31. Dezember 2005, worauf die Gesellschafter der P Anfang April 2005 beschlossen, den Geschäftsbereich EWSD aufzugeben und die Gesellschaft zum 31. Dezember 2005 aufzulösen.

Darüber wurde der Betriebsrat am 7. April 2005 und die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung am 11. April 2005 unterrichtet. Mit Schreiben vom 12. April 2005, eingegangen bei der Bundesagentur für Arbeit am 14. April 2005, zeigte die P Entlassungen gemäß § 17 KSchG an. Unter dem 21. April 2005 bestätigte der Betriebsrat gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die Angaben der Geschäftsführung in der Massenentlassungsanzeige, die Unterrichtung der Belegschaft über die Lage des Unternehmens und die beschlossene Betriebsschließung und erklärte schließlich, dass sich der Betriebsrat “den angezeigten Entlassungen anschließe”. Seine Mitbestimmungsrechte würden weiterhin gewahrt bleiben, Verhandlungen mit der Geschäftsführung über einen Interessenausgleich und Sozialplan würden aufgenommen.

Nachdem am 20. Mai 2005 Betriebsrat und Geschäftsführung der P Betriebsvereinbarungen zu Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen hatten, wurde am 23. Mai 2005 der Betriebsrat zu den geplanten Entlassungen angehört. Mit selbem Datum kündigte die P ihre Mitgliedschaft im Unternehmerverband Bitkom e. V. zum 31. Dezember 2005. Am 24. Mai 2005 teilte der Betriebsrat der Geschäftsführung mit, dass er beschlossen habe, “gegen die am 23.05.2005 vorgelegte betriebsbedingte Kündigung keine Stellungnahme abzugeben”. Darauf kündigte die P das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger – wie mit allen anderen Arbeitnehmern – am 25. Mai 2005 fristgemäß zum 31. Dezember 2005. Am 8. Juni 2005 wurde noch der Verpflichtungsvertrag mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit gekündigt. Der befristete Mietvertrag für die Betriebsgebäude der P lief vereinbarungsgemäß am 31. Dezember 2005 aus.

Der Kläger hat eine Betriebsstilllegung der P zum 31. Dezember 2005 bestritten und behauptet, diese habe mit der D GmbH einen gemeinsamen Betrieb unterhalten. Wegen der Fülle der noch anstehenden Aufgaben bei den EWSD-Vermittlungsstellen sei jedenfalls davon auszugehen, dass der Betrieb der P nunmehr auf die Beklagte zu 2) als alleiniger Lizenzinhaberin übergegangen sei. Die Beklagte zu 2) habe auch alle wesentlichen Betriebsmittel der P übernommen. Bei der Kündigung durch die P sei die Schriftform nicht eingehalten worden, da die Vertretungsbefugnis der unterzeichnenden Frau S nicht bekannt gemacht worden sei. Hinsichtlich des Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) sei der Betriebsrat weder informiert noch sei dies Gegenstand der Anhörung nach § 102 KSchG gewesen. Auch die Wochenfrist nach Anhörung des Betriebsrats habe die P bei Kündigungsausspruch nicht eingehalten. Schließlich seien weder die Massenentlassungsanzeige noch das Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG ordnungsgemäß erfolgt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die am 27. Mai 2005 zugegangene Kündigung mit Schreiben der Beklagten zu 1) – unter der Firma P AG & Co. KG – vom 25. Mai 2005 nicht zum 31. Dezember 2005 aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus, sodann mit der Beklagten zu 2), ansonsten zu den bisherigen Bedingungen – vollzeitige Tätigkeit des Klägers als Inbetriebnehmer von seinem Wohnort D aus – fortbesteht;

2.

die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihn über den 31. Dezember 2005 hinaus im Arbeitsverhältnis zu ihr, ansonsten zu den bisherigen Bedingungen – vollzeitige Tätigkeit des Klägers als Inbetriebnehmer von seinem Wohnort D aus – bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Die Beklagte zu 1) hat darauf verwiesen, die P habe ihren Geschäftsbetrieb nach Kündigung aller Mitarbeiter zum 31. Dezember 2005 eingestellt und die verbleibenden geringfügigen Garantiearbeiten fremdvergeben. Zwar habe auch die D GmbH im EWSD-Bereich zwei Arbeitnehmer beschäftigt, da aber die Beklagte zu 2) auch diese EWSD-Lizenz zum 31. Dezember 2005 gekündigt habe, seien diese beiden Arbeitnehmer ebenfalls zu diesem Datum entlassen worden. Die Beklagte zu 2) hat bestritten, irgendwelche sächlichen oder immateriellen Betriebsmittel der P übernommen zu haben. Da sie selbst im EWSD-Bereich einen Personalüberhang von 700 Mitarbeitern abbauen müsse, habe sie keine Arbeitnehmer der P eingestellt. Die Betreuung der bisher von der P gewarteten 365 Vermittlungsstellen habe sie nicht übernommen, das führe die Deutsche Telekom AG nunmehr selbst durch und beauftrage die Beklagte zu 2) allenfalls in Notfällen mit Wartungsdiensten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 18. Januar 2007 – 8 AZN 1066/06 – zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Gründe

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der P als Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) vom 25. Mai 2005 hat das Arbeitsverhältnis des Klägers wirksam zum 31. Dezember 2005 aufgelöst. Ein Übergang des Betriebs auf die Beklagte zu 2) erfolgte nicht.

A. Die zur Wirksamkeit der Kündigung nach § 623 BGB erforderliche Schriftform ist gewahrt.

I. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Alleinprokuristin S habe das Kündigungsschreiben nicht lediglich mit einer Paraphe unterzeichnet, ihre Prokura sei im Handelsregister eingetragen und nach § 10 HGB bekannt gemacht worden. Eines die Prokura ausweisenden Zusatzes habe es daher bei der Unterschrift nicht bedurft.

II. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Wird eine Kündigung von einem Prokuristen des Arbeitgebers ausgesprochen, dessen Prokura im Handelsregister eingetragen und vom Registergericht gemäß § 10 Abs. 1 HGB aF bekannt gemacht worden ist, so bedarf es nicht der Vorlage einer Vollmachtsurkunde nach Maßgabe des § 174 Satz 1 BGB. Vielmehr hat der Arbeitgeber in einem solchen Fall die Belegschaft im Sinne des § 174 Satz 2 BGB über die von der Prokura umfasste Kündigungsberechtigung in Kenntnis gesetzt, der Gekündigte muss die Prokuraerteilung gemäß § 15 Abs. 2 HGB gegen sich gelten lassen. Dies gilt auch, wenn der Prokurist entgegen § 51 HGB nicht mit einem die Prokura andeutenden Zusatz zeichnet (BAG 11. Juli 1991 – 2 AZR 107/91 – AP BGB § 174 Nr. 9 = EzA BGB § 174 Nr. 9) .

2. Soweit mit der Revision gegen die Anwendung dieser Rechtsprechung durch das Berufungsgericht eingewendet wird, zur Bekanntmachung der Prokura sei nicht vorgetragen worden, weswegen das Landesarbeitsgericht davon nicht habe ausgehen dürfen, bleibt diese Rüge ohne Erfolg.

§ 10 Abs. 1 HGB lautete in der bis zum 31. Dezember 2006 gültigen Fassung:

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(1)

Das Gericht hat die Eintragungen in das Handelsregister durch den Bundesanzeiger und durch mindestens ein anderes Blatt bekanntzumachen. Soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt, werden die Eintragungen ihrem ganzen Inhalt nach veröffentlicht.”

In der zum Kündigungszeitpunkt gültigen Fassung beinhaltete das Gesetz also einen Befehl für das Registergericht zur Veröffentlichung. Die Beklagte zu 1) hat auch den die Prokura für Frau S enthaltenden Handelsregisterauszug vorgelegt. Unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in den Instanzen, die Schriftform sei wegen einer angeblichen Paraphe und des Fehlens eines Prokurazusatzes bei der Unterschrift nicht gewahrt, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die gesetzeskonforme Bekanntmachung der Handelsregistereintragung als zugestanden angesehen hat.

B. Die Kündigung ist auch nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass der Betrieb der P nicht auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.

I. Das Landesarbeitsgericht hat eine ernsthafte Stilllegungsabsicht der P im Kündigungszeitpunkt bejaht. Dagegen sei nicht festzustellen, dass die Beklagte zu 2) die Dienstleistung der P an 365 der Deutschen Telekom AG gehörenden EWSD-Vermittlungsstellen im Wesentlichen unverändert fortführe. Durch die Kündigung des Lizenzvertrags seitens der Beklagten zu 2) als Lizenzgeberin sei das Nutzungsrecht der P erloschen und nicht auf die Lizenzgeberin “übertragen worden”. Als Lizenzgeberin behalte die Beklagte zu 2) zwar nach wie vor die EWSD-Nutzungsrechte, dies führe jedoch noch nicht zu einer Bearbeitung der Vermittlungsstellen. Dafür sei eine Auftragserteilung durch die Deutsche Telekom AG notwendig. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers zur Auftragserteilung an die Beklagte zu 2) dahingehend gewürdigt, dass er insoweit nur Pauschalbehauptungen aufgestellt habe, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich seien.

Eine Fortführung der bisherigen Geschäftstätigkeit der P durch die Beklagte zu 2) “ergebe sich auch nicht zwangsläufig” aus dem übrigen unstreitigen Tatbestand oder Indiztatsachen. Denn nach dem Käuferverhalten sei das Wählsystem EWSD nicht zukunftsweisend. Vermittlungsstellen mit diesem System würden nicht mehr neu errichtet. Für den Bestand sei erst 2007 der nächste Wechsel der Software fällig. Eine Kundenbeziehung der P habe die Beklagte zu 2) nicht, auch nicht im Zusammenhang mit der Kündigung des Lizenzvertrags, übernommen, vielmehr unterhalte sie schon seit Jahren selbst eine Geschäftsbeziehung zur Deutschen Telekom AG. Sie habe die P auch im Oktober 2005 gebeten, die während der Laufzeit des Kooperationsvertrages überlassenen Informationen und Unterlagen entweder zurückzugeben oder die Vernichtung nachweislich mitzuteilen, woraus deutlich werde, dass die Beklagte zu 2) diese Unterlagen nicht benötigt habe, sondern lediglich die Weitergabe an Dritte verhindern wollte. Unstreitig habe die Beklagte zu 2) Personal der P weder zum überwiegenden noch überhaupt zu einem Teil übernommen. Soweit die Beklagte zu 2) von der Deutschen Telekom AG nunmehr mit Wartungsarbeiten in Notfällen beauftragt werde, indiziere dies keinen Betriebsteilübergang. Denn weder bei der P noch bei der Beklagten zu 2) sei für solche Notfallarbeiten eine organisatorisch selbständige Einheit eingerichtet worden.

II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger, wenn er die Wirksamkeit einer Kündigung mit Berufung auf das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB angreift, die Darlegungs- und Beweislast für einen Betriebsübergang trägt (BAG 5. Dezember 1985 – 2 AZR 3/85 – AP BGB § 613a Nr. 47 = EzA BGB § 613a Nr. 50; 26. April 2007 – 8 AZR 695/05 – AP InsO § 125 Nr. 4, zu B III 2 der Gründe) .

2. Die Kündigung der EWSD-Lizenz durch die Beklagte zu 2) zum 31. Dezember 2005 hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht als Element eines Betriebsübergangs gewürdigt. Die demgegenüber auch mit der Revision noch vertretene Sichtweise, das Ende der Lizenz zum 31. Dezember 2005 stelle eine Übertragung oder “Rückgabe” dar, wäre jedoch nur angebracht und im Rahmen von § 613a BGB von Interesse, wäre die P für die Laufzeit des Kooperationsvertrags die alleinige Lizenzinhaberin gewesen. Unstreitig hat jedoch die Beklagte zu 2) als Lizenzgeberin stets ihr eigenes Nutzungsrecht an der EWSD-Vermittlungstechnik behalten. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht daher festgestellt, dass mit dem Lizenzende für die P – und gleichzeitig für die D GmbH – lediglich der Kreis der Nutzungsberechtigten an EWSD verkleinert worden ist. Ab dem 1. Januar 2006 nutzte die Beklagte zu 2) ihr Patentrecht an dem System EWSD allein weiter. Dieses hatte sie jedoch schon immer inne, es brauchte ihr weder von der P noch von einem Dritten “übertragen” werden.

3. Das Landesarbeitsgericht hat weiter festgestellt, dass keine Kunden- und Lieferantenbeziehungen übernommen worden sind. Dies kann zwar Element eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs sein (BAG 24. August 2006 – 8 AZR 556/05 – AP BGB § 613a Nr. 315 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 59; 14. August 2007 – 8 AZR 803/06 – AP BGB § 613a Nr. 326 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 75). Zu Recht hat aber das Berufungsgericht vorliegend die Übernahme einer Kundenbeziehung verneint, weil die Beklagte zu 2) unstreitig schon immer, auch während der Zeit der Zusammenarbeit mit P, selbst EWSD-Vermittlungsstellen der Deutschen Telekom AG betreut und somit zu dieser eine Kundenbeziehung unterhalten hat. Wenn die Revision demgegenüber darauf abstellt, die Mitarbeiter der P hätten zu den jeweils zuständigen Sachbearbeitern der Deutschen Telekom AG jahrelang in Kontakt gestanden und diese “Kundenbeziehungen” müssten “an die Beklagte zu 2) übermittelt werden, damit diese die Bearbeitung der Vermittlungsstellen übernehmen kann” so wird verkannt, dass derartige Kontakte auf der Arbeitsebene keine Kundenbeziehung im Sinne der Senatsrechtsprechung darstellen. Sie ergeben sich vielmehr zwangsläufig aus der Zusammenarbeit der Beschäftigten zweier Vertragspartner nach Auftragserteilung. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger zur Erteilung von Nachfolgeaufträgen an die Beklagte zu 2) keine Tatsachen vortragen konnte. Vielmehr konnte er bis in die Revisionsinstanz nur die Vermutung äußern, dass die EWSD-Arbeit und die damit zusammenhängende Verwaltungstätigkeit “für die Deutsche Telekom AG fortgeführt werden” müssen. Daher gehe er davon aus, “dass dies tatsächlich im Wege eines – allerdings bislang nicht gem. § 613a Abs. 5 BGB mitgeteilten – Betriebsübergangs auf die Fa. S AG bzw. eine Firma aus dem S-Konzern, die eigens für diese Aufgabe gebildet wird oder gebildet worden ist, erfolgt.” Diesen Vortrag hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler als einer Beweiserhebung nicht zugängliche Pauschalbehauptung qualifiziert. Die Beklagte zu 2) verteidigt sich zu Recht mit dem Hinweis, der Kläger strebe insoweit einen Ausforschungsbeweis an.

4. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht schließlich den weiteren Vortrag des Klägers dahin gewürdigt, dass ihm keine auf einen Betriebsübergang hindeutenden Hilfstatsachen zu entnehmen sind. Die Beklagte zu 2) hat keine Arbeitnehmer der P übernommen oder eingestellt. Außer der pauschalen Behauptung, die Beklagte zu 2) habe “sämtliche wesentlichen Betriebsmittel” der P übernommen, konnte der Kläger keine Tatsachen vortragen, die schlüssig auf einen Betriebsübergang hindeuten. So musste der Kläger einräumen, dass der Bestand an EWSD-Hardwareteilen der P allenfalls an eine Firma C verkauft wurde, die eine Tochterfirma der Deutschen Telekom AG ist. Sein weiteres Vorbringen, nach einer “getroffenen Vereinbarung” zwischen der Beklagten zu 2), der C und der Deutschen Telekom AG liefere die C ab Januar 2006 Hardware an die Beklagte zu 2), die diese bei der weiteren Betreuung der EWSD-Vermittlungsstellen benötige, ist jedoch nicht mit Tatsachen untersetzt. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht solchen Vermutungen nicht weiter nachgegangen, weil selbst ein Verkauf der Hardware-Bestände der P an eine Tochter der Deutschen Telekom AG nicht indiziert, dass die Beklagte zu 2) auf diese Hardwarebestände Zugriff hat oder haben muss. Die Beklagte zu 2) hat die Hardwareproduktion nach 2003 im Gegensatz zur P fortgesetzt, weil die Beklagte zu 2) schon wegen der bisher von ihr selbst betreuten Vermittlungsstellen über entsprechende Hardwarekomponenten verfügen musste. Der Kläger konnte konkrete Tatsachen für eine Auftragsnachfolge der Beklagten zu 2) bei der Deutschen Telekom AG nicht vorbringen.

Im Übrigen indiziert auch der Vortrag des Klägers zu den technischen Dokumentationen für die bis zum 31. Dezember 2005 von der P betreuten EWSD-Vermittlungsstellen keinen Betriebsübergang. Denn auch der Kläger hat nicht behauptet, allein die P sei im Besitz der technischen Aufzeichnungen zu den einzelnen EWSD-Vermittlungsstellen gewesen. Selbst wenn also zugunsten des Klägers unterstellt wird, die Deutsche Telekom AG übernehme die Wartung der bisher von der P betreuten Vermittlungsstellen nicht selbst, sondern vergebe diese Arbeiten ganz oder teilweise an ein Drittunternehmen weiter, so könnte ein solches Drittunternehmen die technischen Unterlagen von der Deutschen Telekom AG erhalten, nicht notwendig aber von der P. Dem entspricht, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend gewürdigt hat, die Bitte der Beklagten zu 2) gegenüber der P, die technischen Unterlagen entweder zurückzugeben oder den Nachweis über ihre Vernichtung zu führen.

C. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Kündigung nicht unter dem Gesichtspunkt eines gemeinsamen Betriebs von P und D GmbH oder einer sich in diesem Zusammenhang fehlerhaft darstellenden Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) für unwirksam befunden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat es dahinstehen lassen, ob die P mit der D GmbH einen gemeinsamen Betrieb unterhalten hat. Denn mit der Aufgabe des Geschäftsbetriebs der P sei jedenfalls einer etwa vorher bestehenden einheitlichen Leitung die Grundlage entzogen und der Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst worden.

II. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.

1. Ein einheitlicher Betrieb mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen liegt vor, wenn diese einen einheitlichen Leitungsapparat zur Erfüllung der in der organisatorischen Einheit zu verfolgenden arbeitstechnischen Zwecke geschaffen haben. Insbesondere müssen die Arbeitgeberfunktionen in den sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen sein (BAG 22. März 2001 – 8 AZR 565/00 – AP GG Art. 101 Nr. 59 = EzA GG Art. 101 Nr. 5) .

2. Der Vortrag des Klägers, formell seien bei der D GmbH zwei Arbeitnehmer mit Auftragsannahme und -vergabe für die betreffenden Vermittlungsstellen im Innendienst in demselben Betriebsgebäude wie die Beklagte zu 1) und unter “einheitlicher Geschäftsleitung” beschäftigt, die die Einsätze dann unmittelbar an die Außendienstler der Beklagten zu 1) vergeben, weswegen also ein Gemeinschaftsbetrieb der Beklagten zu 1) mit der D GmbH bestehe, stellt einen gemeinsamen Betrieb nicht schlüssig im Sinne der angeführten Rechtsprechung dar. Die “einheitliche Geschäftsleitung” wird nur pauschal behauptet, ohne dass Tatsachen vorgetragen wurden, die auf einen einheitlichen Leitungsapparat zur Verfolgung eines bestimmten arbeitstechnischen Zwecks hindeuten oder indizieren, dass die Arbeitgeberfunktionen der P und der D GmbH in den sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell zusammengefasst worden wären.

3. Entgegen der Rechtsauffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend angewendet. Eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl ist nicht nur dann nicht vorzunehmen, wenn ein Gemeinschaftsbetrieb im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr besteht (BAG 13. September 1995 – 2 AZR 954/94 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 72 = EzA KSchG § 1 Nr. 48); gleiches gilt vielmehr auch dann, wenn im Zeitpunkt der Kündigung der eine der Betriebe, die zusammen einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet haben, zwar noch nicht stillgelegt ist, auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung, die bereits greifbare Formen angenommen hat, aber feststeht, dass er bei Ablauf der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers stillgelegt sein wird (BAG 24. Februar 2005 – 2 AZR 214/04 – AP KSchG 1969 § 1 Gemeinschaftsbetrieb Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 59). Kündigungsgrund ist dann das dringende betriebliche Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem stillzulegenden Betrieb nach Ablauf seiner Kündigungsfrist entgegensteht. Dann kommt eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem bis zur Stilllegung des einen Betriebsteils zwischen beiden Unternehmen gebildeten Gemeinschaftsbetrieb nicht mehr in Betracht. Wird, was regelmäßig geschieht, mit der Stilllegung des einen Betriebs auch die gemeinsame Leitungsstruktur beseitigt, so besteht ab dem Stilllegungszeitpunkt nur noch ein Betrieb fort, in dessen Führung durch den Unternehmer, dessen Betrieb stillgelegt worden ist, nicht mehr eingegriffen werden kann. Damit ist der Inhaber des stillzulegenden Betriebs nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung seiner Arbeitnehmer in dem fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmers rechtlich durchzusetzen. Es fehlt für eine Sozialauswahl zwischen den Arbeitnehmern des ursprünglichen Gemeinschaftsbetriebs an der Vergleichbarkeit (BAG 24. Februar 2005 – 2 AZR 214/04 – aaO, zu B II 2 b der Gründe mwN). Abgesehen davon, dass der Kläger schon einen gemeinschaftlichen Betrieb nicht schlüssig dargelegt hat, hat sich das Landesarbeitsgericht also entgegen der Rechtsauffassung der Revision keiner Sachaufklärung entzogen, wenn es die Mitarbeiter der D GmbH für die Frage der Sozialauswahl als irrelevant angesehen hat.

D. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht die Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung des Klägers nach § 102 Abs. 1 BetrVG für ordnungsgemäß befunden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die P habe dem Betriebsrat alle aus ihrer Sicht entscheidenden Gründe für die Kündigung mitgeteilt, insbesondere die Betriebsschließung zum 31. Dezember 2005 und die Liquidation der Gesellschaft ab 1. Januar 2006. Auch sei die Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Zwar sei sie nach der am 23. Mai 2005 erfolgten Anhörung des Betriebsrats binnen der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG am 27. Mai 2005 zugegangen. Jedoch habe der Betriebsrat am 24. Mai 2005 beschlossen, keine Stellungnahme abzugeben und dies der Geschäftsleitung mitgeteilt. Dies sei eindeutig und abschließend gewesen, so dass der Weg für die P frei geworden sei, dem Kläger unter dem 25. Mai 2005 zu kündigen.

II. Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe bleiben ohne Erfolg.

1. Der Arbeitgeber kann Kündigungen dann vor Ablauf der dem Betriebsrat eingeräumten Äußerungsfristen des § 102 Abs. 2 BetrVG aussprechen, wenn der Betriebsrat, ohne sachlich zu der Kündigungsabsicht Stellung zu nehmen, erklärt hat, er werde sich zu der Kündigung nicht äußern und darin eine abschließende Stellungnahme zu sehen ist (BAG 12. März 1987 – 2 AZR 176/86 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 47 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 71; 4. August 1975 – 2 AZR 266/74 – BAGE 27, 209 = AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 14) .

2. Daher musste entgegen der Rechtsauffassung der Revision der Betriebsrat nicht ausdrücklich auf die Anhörungsfrist verzichten. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht die Stellungnahme des Betriebsrats vom 24. Mai 2005 als abschließend im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewürdigt. Denn der Betriebsrat hat der Geschäftsführung der P mitgeteilt, er habe in seiner Sitzung am 24. Mai 2005 “beschlossen, gegen die am 23.05.2005 vorgelegte betriebsbedingte Kündigung keine Stellungnahme abzugeben”.

3. Über eine geplante Weiterführung der Tätigkeiten im EWSD-Bereich ab dem 1. Januar 2006 durch die Beklagte zu 2), insoweit beabsichtigte Vereinbarungen mit der Beklagten zu 2) oder in diesem Zusammenhang erfolgende Übertragungen aller wesentlichen Betriebsmittel auf die Beklagte zu 2), musste die P den Betriebsrat nicht unterrichten, weil dies nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht stattgefunden hat und vom Kläger auch nicht schlüssig dargestellt werden konnte.

E. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht schließlich die Kündigung auch nicht nach § 17 Abs. 1 KSchG in Verb. mit § 134 BGB für rechtsunwirksam befunden.

I. Ausgehend von der neueren Rechtsprechung des EuGH und des BAG, nach der unter Entlassung iSv. § 17 Abs. 1 KSchG die Kündigungserklärung zu verstehen ist, hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass die P die Kündigung des Klägers und alle anderen Kündigungen erst nach Abschluss des Konsultationsverfahrens ausgesprochen habe. Der Arbeitgeber komme seinen Pflichten nach § 17 KSchG durch bloße Information und Beratung nach. Die Verhandlungen zu Interessenausgleich und Sozialplan nach den §§ 111 ff. BetrVG müssten nicht abgeschlossen sein, bevor die Anzeige der Massenentlassung bei der Bundesagentur für Arbeit erfolgen könne. Eine Pflicht zur Verständigung über Umfang und Folgen der Massenentlassung sei weder nach europäischem Recht noch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anzunehmen. Aus der Massenentlassungsanzeige der P wie der Stellungnahme des Betriebsrats hierzu ergebe sich, dass die Arbeitgeberin ihren Beratungs- und Auskunftspflichten sowie dem Verhandlungsanspruch des Betriebsrats nachgekommen sei.

II. Auch die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Die P hat die Massenentlassung nicht fehlerhaft gegenüber der Bundesagentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG angezeigt.

a) Unstreitig hat die P der Massenentlassungsanzeige keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt, sondern stattdessen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit im Begleitschreiben angekündigt, die Stellungnahme des Betriebsrats umgehend nachzureichen. Dieser Weg ist grundsätzlich nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG vom Gesetzgeber eröffnet.

b) Zwar ist nach § 17 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KSchG eine beigefügte Stellungnahme des Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige. Ihr Fehlen führt aber nicht zwingend und dauerhaft zur Unwirksamkeit der Anzeige. Nach verbreiteter Meinung im Schrifttum kann die fehlende Stellungnahme des Betriebsrats nachgereicht werden; allerdings wird die Anzeige dann erst mit Vollständigkeit, also mit Eingang der Stellungnahme des Betriebsrats wirksam, sei es, dass der Betriebsrat die Stellungnahme noch gegenüber dem Arbeitgeber abgibt und dieser sie an die Bundesagentur weiterleitet, sei es, dass der Betriebsrat direkt gegenüber der Bundesagentur Stellung nimmt (KR-Weigand 8. Aufl. § 17 KSchG Rn. 92; ErfK/Kiel 8. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 92; Thüsing/Laux/Lembke-Lembke/Oberwinter KSchG § 17 Rn. 116 ff.). Dem ist unter der Voraussetzung zu folgen, dass der Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Anzeigeerstattung, also vor Vollständigkeit der Anzeige nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG, unterrichtet worden ist (§ 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Unstreitig erfolgte die erste Information des Betriebsrats am 7. April 2005, was gegenüber der Bundesagentur von der P auch so dargestellt wurde. Ebenso unstreitig erfolgte die direkt an die Bundesagentur gerichtete Stellungnahme des Betriebsrats unter dem 21. April 2005, also zwei Wochen später. Damit greift die Rüge der Revision, die Unterrichtung des Betriebsrats zwei Wochen zuvor sei nicht glaubhaft gemacht worden, nicht.

c) Mit der Vollständigkeit der Anzeige beginnt die Monatsfrist des § 18 Abs. 1 KSchG zu laufen, vorliegend also mit dem 21. April 2005. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 – [Junk] EuGHE I 2005, 885 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 18 = EzA KSchG § 17 Nr. 13) und der daraufhin geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (23. März 2006 – 2 AZR 343/05 – BAGE 117, 281 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21 = EzA KSchG § 17 Nr. 16) kommt es nach richtlinienkonformer Auslegung der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen für die Entlassung iSd. § 17 Abs. 1 KSchG auf den Ausspruch der Kündigung an. Die Kündigung des Klägers wurde – wie die der übrigen Arbeitnehmer – am 25. Mai 2005 verfasst und ging ihm am 27. Mai 2005 zu.

2. Auch die Rüge der Revision, die P habe die Massenentlassung schon vor Ende des Konsultationsverfahrens iSd. Art. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. EG Nr. L 225 vom 12. August 1998 S. 16 – Massenentlassungsrichtlinie, im Folgenden: MERL) vorgenommen, bleibt ohne Erfolg.

a) Unstreitig hatte die P mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 20. Mai 2005, also vor Ausspruch der Kündigungen, zwei Betriebsvereinbarungen zu Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen. Allerdings war diese Einigung nach den §§ 111 ff. BetrVG weder im Zeitpunkt der Anzeige gegenüber der Bundesagentur noch im Zeitpunkt ihrer Vervollständigung durch die Stellungnahme des Betriebsrats vom 21. April 2005 erzielt. Jedoch bedeutet auch bei richtlinienkonformen Verständnis des § 17 KSchG “Ende des Konsultationsverfahrens” nicht, dass die Beratungen zu Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen sein müssen.

b) Ein vor der “Entlassung” abgeschlossener Interessenausgleich erfüllt jedenfalls die Beratungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Dagegen ist es weder nach nationalem Recht noch nach Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 MERL Voraussetzung, dass außer der Unterrichtung des Betriebsrats und Beratung mit dem Betriebsrat auch eine Einigung vor “Durchführung der Massenentlassung” erzielt worden sein muss (BAG 18. September 2003 – 2 AZR 79/02 – BAGE 107, 318 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 14 = EzA KSchG § 17 Nr. 11, zu B III 1 b und c der Gründe; 30. März 2004 – 1 AZR 7/03 – BAGE 110, 122 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 47 = EzA BetrVG 2001 § 113 Nr. 4, zu II 2 b aa und bb der Gründe). Auch nach der Rechtsprechungsänderung, die unter Entlassung nicht mehr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist, sondern den Ausspruch der Kündigung selbst versteht, ist aus der Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG keine Pflicht zur Verständigung über den Umfang und die Folgen der Massenentlassung abzuleiten. Der Betriebsrat muss unterrichtet und es muss mit ihm beraten worden sein, dagegen muss eine Einigung vor Durchführung der Massenentlassung mit ihm nicht erzielt werden (BAG 13. Juli 2006 – 6 AZR 198/06 – BAGE 119, 66 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 22 = EzA KSchG § 17 Nr. 17, zu II 2 a bb der Gründe). Weder nach dem Kündigungsschutzgesetz noch zur Erfüllung der Konsultationspflicht nach Art. 2 Abs. 2 MERL ist es notwendig, nach dem Scheitern der Verhandlungen der Betriebsparteien noch einen unparteiischen Dritten einzuschalten, wie dies § 112 Abs. 2 BetrVG vorsieht. Die Richtlinie schreibt nur Konsultationen zwischen dem Arbeitgeber und der zuständigen Arbeitnehmervertretung vor. Insoweit fehlt ihr ein Verweis auf innerstaatliche Rechtsvorschriften oder Praktiken, wie er zwar in Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der MERL enthalten ist, dort aber beschränkt auf die Heranziehung von Sachverständigen (BAG 16. Mai 2007 – 8 AZR 693/06 – AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 70, zu B V 3 der Gründe). Das in § 112 Abs. 2 bis Abs. 5 BetrVG vorgesehene weitere Verfahren betriebsverfassungsrechtlicher Art ist nicht durchzuführen, um die Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG oder nach Art. 2 MERL zu erfüllen (vgl. Bauer/Krieger/Powietzka DB 2005, 445, 447; Klumpp NZA 2006, 703, 705 ff.; wohl aA Wolter AuR 2005, 135, 139) .

c) Auch das von der Revision eingeforderte “richtlinienkonforme” Verständnis des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG führt zu keinem anderen Ergebnis, da sowohl nach der MERL als auch nach der Rechtsprechung des EuGH die Rechtslage klar ist. In seiner Entscheidung vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 – [Junk] EuGHE I 2005, 885 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 18 = EzA KSchG § 17 Nr. 13) hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass der Arbeitgeber Arbeitsverträge nicht kündigen darf, bevor er das Konsultationsverfahren iSd. Art. 2 MERL und das Anzeigeverfahren (Art. 3 und 4 MERL) “eingeleitet hat”. Dabei ist das Konsultationsverfahren nach Art. 2 Abs. 1 MERL zu führen, “um zu einer Einigung zu gelangen”. Art. 2 MERL begründe “eine Verpflichtung zu Verhandlungen”. Die Kündigung darf erst ausgesprochen werden, nachdem der Arbeitgeber “die Verpflichtungen nach Artikel 2 der Richtlinie erfüllt hat”, also die in Rn. 42 und 43 näher beschriebenen Konsultationspflichten. Mit der Erfüllung dieser Verpflichtung ist das Konsultationsverfahren beendet und eine Kündigung kann ausgesprochen werden. Dagegen spricht der Europäische Gerichtshof an keiner Stelle von einer Pflicht zur Einigung. Diese ist auch dem Wortlaut des Art. 2 MERL nicht, auch nicht andeutungsweise, zu entnehmen. Daher müssen weder ein Interessenausgleich oder ein Sozialplan vor Erstattung der Anzeige abgeschlossen noch muss die Einigungsstelle eingeschaltet worden sein.

d) Im Übrigen hat der Betriebsrat der P mit seiner Stellungnahme gegenüber der Bundesagentur für Arbeit vom 21. April 2005 bestätigt, dass die Angaben in der Anzeige des Arbeitgebers zutreffen und dass er von der Betriebsschließung und den anstehenden Entlassungen unterrichtet wurde. Durch die weiter erfolgte Mitteilung “der Betriebsrat schließt sich den angezeigten Entlassungen an” hat er zudem zum Ausdruck gebracht, dass die Konsultationen iSv. Art. 2 MERL zwischen ihm und der P abgeschlossen waren. Das vom Betriebsrat ebenfalls für die Zukunft angesprochene Mitbestimmungsverfahren nach den §§ 111 ff. BetrVG brauchte es zur Erfüllung der europarechtlichen Konsultationspflicht nicht.

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